Blütenträume - Mi. 07.06. - ARD: 20.15 Uhr

Konfekt für (keine) Senioren

04.06.2023 von SWYRL/Jens Szameit

Pikierte Ü-50-Singles desertieren aus einem VHS-Flirtkurs: eine wundervoll pointierte Ensemble-Dramödie über prekäre Lebensfragen. Das Erste wiederholt die "Blütenträume" zur besten Sendezeit.

Man ist nie zu alt für die Liebe ..., oder? Das Schöne an diesem FilmMittwoch im Ersten ist, dass ein Film aus dem Jahre 2015 stammend auch heute noch den Nerv der Zeit zu treffen vermag. In Zeiten von immenser Transparenz aufgrund Sozialer Netzwerke fällt es so manchem älteren Semester besonders schwer, im Strudel des Internets neue Bekanntschaften zu schließen. Wie praktisch, dass es noch die guten, alten Volkshochschulkurse gibt. Eine Dramödie über Teilnehmer eines Flirtkurses für die Generation 50-plus fördert so manch ein skandalöses Geheimnis zutage. Dem österreichischen Autorenfilmer Paul Harather ("Sedwitz") ist hier ein bestechendes Ensemblestück über elementare Lebensfragen geglückt, das ganz wunderbar für sich steht. Das Erste wiederholt den Film zur besten Sendezeit.

"Blütenträume" basiert auf dem 2007 uraufgeführten gleichnamigen Theaterstück des Bühnenautors Lutz Hübner. Entsprechend kammerspielartig ist die Adaption. Sechs Ü-50-Singles, ein verirrtes Ü-40-"Küken" (Nadeshda Brennicke) und der junge Kursleiter (Alexander Khuon) treffen in kahlen Räumlichkeiten einer Volkshochschule aufeinander. Das klingt überschaubar spannend, ist aber von einer flirrenden Dramatik und einer intensiven Komik, die an Roman Polanskis berühmte "Gott des Gemetzels"-Verfilmung denken lassen. Fraglos ist das Gelingen auch hier eine Frage der vortrefflichen Besetzung. So einen komischen Seelenexorzismus, wie ihn das Stück verlangt, muss ein Darsteller auch glaubhaft meistern können.

Abonniere doch jetzt unseren Newsletter.

Abonniere doch jetzt unseren Newsletter
Mit Anklicken des Anmeldebuttons willige ich ein, dass mir die teleschau GmbH den von mir ausgewählten Newsletter per E-Mail zusenden darf. Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und kann den Newsletter jederzeit kostenlos abbestellen.

Fetzen fliegen und Funken sprühen

Rufus Beck, Teresa Harder, Proschat Madani, Max Herbrechter, Falk Rockstoh und die Bühnengöttin Corinna Kirchhoff tun das mit Bravour. Sie füllen beispielhafte Existenzen aus der Generation der Zwischen-den-Stühlen-Sitzenden mit Leben: zu jung, um reglos dem Siechtum entgegenzudämmern. Zu lebenserfahren, um sich von einem erfolglosen Jungschauspieler doch recht plump aus der Reserve locken zu lassen. Die Bezeichnung "Senioren" verbitten sie sich entschieden.

Wer auf dem Liebesmarkt sei, müsse seine Verkaufstechniken trainieren, beschwört sie der engagierte Coaching-Debütant Jan und beteuert die wissenschaftliche Fundiertheit seiner Methoden. Doch keine Chance. Seine verschrobenen Kursteilnehmer spielen nicht nach Lehrbuch mit, und so fliegen schnell die Fetzen anstelle romantischer Funken, bis hin zu einem Handgemenge, das dem Lehrgang ein unschönes Ende setzt.

Im Schlussakt, einer aus den Fugen laufenden Privatparty der desertierten Flirtschüler, kommen dann doch noch alle aus den emotionalen Trutzburgen. Aus den verwitweten, vereinsamten, überheblichen, selbstmitleidigen, bindungsscheuen und bindungswütigen Herzen platzen schmerzliche Bekenntnisse über Nuttenbesuche, Misanthropie, Seitensprünge und die Angst vor dem Siechtum.

Das Feld der Komik hat das Ensemble dabei fast schleichend in Richtung Tragödie verlassen. Eine Spannbreite wie das Leben selbst. "Blütenträume" sei "wie eine Schachtel Konfekt", urteilt der Autor und Regisseur Paul Harather über seine wundervolle Adaption: "Gut und liebevoll eingepackt kann man Süßes finden, Zartbitteres, den Duft der Lebensfreude und das Gefühl, dass alles im Leben, so gut es auch sein mag, vergänglich ist." Kann man kaum schöner sagen.

Das könnte dir auch gefallen


Trending auf SWYRL