ARD-Corona-Talk mit Frank Plasberg

"Das ist ein sehr mutiger Mann": Lobeshymnen auf Karl Lauterbach bei "Hart aber fair"

30.11.2021 von SWYRL/Frank Rauscher

Wer prescht nach vorne, wer fordert einschneidende Maßnahmen? - Bei "Hart aber fair" war zu spüren, dass es augenblicklich scheint, als warte ein Regierungsverantwortlicher auf den anderen. Nur bei einer Personalie waren sich im Lockdown-Talk alle einig: Karl Lauterbach wäre ein geeigneter Bundesgesundheitsminister!

Am Anfang der "Hart aber fair"-Sendung vom Montagabend stand die Zahl zur Krise: 2.458 Intensivbetten stünden aktuell deutschlandweit noch zur Verfügung, hieß es zur eingebleindeten Grafik - so wenige wie noch nie, seit Beginn der Pandemie. Längst würden Patienten aus überlasteten Kliniken in Regionen mit noch freien Kapazitäten ausgeflogen. Noch viel nachdrücklicher jedoch war ein kurzer Einspieler aus einer "MDR aktuell"-Ausgabe vom 26. November, in dem eine ältere Dame aus dem Erzgebirgskreis vor der Kamera ihrer ganzen Verzweiflung Luft macht.

Mit den Tränen ringend schilderte die Frau ihre Gefühlslage. "Ich bin doppelt geimpft und warte auf meine Booster-Impfung", erklärte sie und verriet, dass ihr Mann an Corona verstorben und sie selbst auch im Krankenhaus gewesen sei. Nun halte sie sich von ihren Enkel fern, weil sie Angst habe, dass diese das Virus aus der Schule mit nach Hause bringen. "Und jetzt fahre ich auf den Friedhof." Und dann brach es aus ihr heraus: "Das ist doch unmöglich, was hier passiert. Das dürfte nicht sein. Und wenn im Sommer schon was gemacht worden wäre, dann wäre das alles jetzt nicht halb so schlimm." Das Intro hat gesessen.

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"Wir können doch nicht jedesmal hinter der Welle herlaufen"

Man merkte allen Politikern in der prominent besetzten Talk-Runde durchaus an, dass sie den Handlungsdruck verinnerlicht haben. Andererseits entwickelte sich bei "Hart aber fair" eine Debatte, die einmal mehr das Problem, das viele mit den aktuell Regierenden haben, offenlegte: Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt, CDU-Parteivorsitz-Kandidat Norbert Röttgen und die designierte Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) überholten sich gegenseitig in beherzten Wortmeldungen, die mit Formulierungen der Marke: "Wir müssen jetzt endlich dringend ..." begannen, und trotz gegenteiliger Beteuerungen ging auch diese Debatte nicht ohne die üblichen Schuldzuweisungen über die Bühne.

"Die neue Regierung sollte in dieser Lage Überparteilichkeit suchen", wünschte sich etwa Röttgen. "Sie sollte auf die Opposition zugehen, und die Opposition auf die Regierung." Solcherlei war am Montagabend mehrfach zu vernehmen - aber es setzte eben auch immer wieder kleine Spitzen und eben doch jede Menge parteipolitisches Geplänkel. Das Vakuum in dieser Phase eines fraglos komplizierten Regierungswechsels war auch in dieser Sendung (Titel: "Neue Regierung, altes Problem: Aufbruch im Schatten von Corona") greifbar. Es wird viel geredet, aber kaum gehandelt. Es droht der Lockdown, aber keiner mag das böse Wort in den Mund nehmen.

Worum es geht, brachte Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der "Zeit", eingangs auf den Punkt, indem er befand: "Wir können doch nicht jedesmal hinter der Welle herlaufen." Noch provokanter drückte sich der Gastgeber aus: "Wer regiert Deutschland im Moment?", fragte Frank Plasberg ganz zu Beginn seines Talks nicht von ungefähr. Nicht minder angebracht war seine Wortschöpfung vom "Do it yourself-Lockdown": Während die Verantwortlichen noch in der Debatte festsäßen, übernähmen augenscheinlich immer mehr Menschen selbst die Verantwortung für ihr Tun. Statt noch länger auf tragfähige Beschlüsse zu warten, würden sie von sich aus Weihnachtsfeiern und Partys absagen und sich auch sonst aus Vorsicht zurücknehmen.

Sogar Röttgen fordert Lauterbach als Gesundheitsminister

Immerhin etwas - und sicherlich nicht das Falscheste, auch wenn die unmissverständlichen Ansagen von oben dazu überfällig sind, wie auch der zugeschaltete Frankfurter Virologe Martin Stürmer befand. Es seien endlich klare und einheitliche Signale notwendig, betonte er. Jetzt müssten Kontakbeschränkungen her. Für eine allgemeine Impfpflicht - und zwar schon Anfang des kommenden Jahres - sprach sich indes Katrin Göring-Eckardt aus.

"Schnell und klar - und wir sollten auch sagen, wann das passiert", unterstrich die Grünen-Politikerin, die bei "Hart aber fair" auch schilderte, dass ein Freund von ihr "gerade auf der Intensivstation in Erfurt" läge und um sein Leben kämpfe. Doch sie wisse, dass die Impfpflicht "in der FDP 'ne schwierige Diskussion ist". - Fraglos ein Thema, zu dem noch viele Debatten - natürlich nicht nur vor TV-Kameras - geführt werden müssen.

Dass eine bis dahin weitgehend in erwartbaren Bahnen verlaufende Sendung doch noch ihr kleines Aufregerthema bekommen sollte, lag dann an einer Person und einer Partei, die gar nicht Panel vertreten waren. Bei der von Frank Plasberg gegen Ende aufgeworfenen Frage nach dem künftigen Bundesgesundheitsminister herrschte absolute Einigkeit - demnach kann es für dieses Amt nur einen geben, nämlich den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach. Auch Unions-Politiker Röttgen sah das so: "Da geht es um Kompetenz, um Glaubwürdigkeit, um Vertrauen - und alles das hat er", gab er über den SPD-Mann zu Protokoll. Lauterbach habe die Autorität, die es für dieses Amt brauche, "aus seiner Persönlichkeit begründet".

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"Arbeitszeugnisse, die direkt ins Ministeramt führen müssten"

Katrin Göring-Eckardt stimmte im Prinzip zu, nannte Lauterbach "extrem kompetent" und der Kommunikation fähig, doch der Ball liege bei ihrem künftigen Koalitionspartner, bei Olaf Scholz und seiner SPD. "Es gibt, glaub' ich, niemanden in Deutschland, der politisch und fachlich so gut erklären konnte, was gerade los ist - das ist ein Riesenpfund", ergänzte sie ihr Lob. Bettina Stark-Watzinger schlug in die gleiche Kerbe und führte insbesondere Lauterbachs Mut an, "Dinge anzusprechen". Er habe in der Krise Kritik auf sich gezogen und manchen Pfeil gegen sich ausgehalten. "Das ist ein sehr mutiger Mann!"

Virologe Stürmer scherte keineswegs aus und schwang sich ebenfalls zu einer kleinen Lobeshymne auf. Ihm sei es immer darum gegangen, "möglichst viele Menschen vor der Infektion zu bewahren", sagte er über Karl Lauterbach und befand, dass der SPD-Politiker eine "sehr gute Wahl" wäre. - "Arbeitszeugnisse, die direkt ins Ministeramt führen müssten", resümierte Frank Plasberg das Gesagte.

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