Die Farbe Lavendel
Die sogenannte Lavendelehe gab es schon in den 20er-Jahren. Damals heirateten Homosexuelle bisweilen Heterosexuelle, um gesellschaftlichen Normen zu entsprechen. Man nannte dieses Bündnis Lavendelehe, da die Farbe des Lavendels damals mit Homosexualität assoziiert wurde. Derzeit gibt es auf Social-Media-Plattformen wieder einen Trend, der sich Lavendelehe nennt. Wir erklären die Hintergründe.
© iStock / V&G StudioHintergründe
Heterosexualität war in den 1920er Jahren noch ein gesellschaftliches Tabu. Eine Lavendelehe war also ein gewisser Schutz für LGBTQ+-Personen und ermöglichte Ihnen Teilhabe, Akzeptanz und Chancengleichheit. Die Ehe wurde also aus praktischen Gründen geschlossen und nicht aus Liebe - hier bestehen durchaus Parallelen zu dem Lavendelehe-Trend, der derzeit auf Social Media für Aufsehen sorgt.
© iStock/Roman DidkivskyiNeue Gründe
Homosexualität ist in unserer heutigen Gesellschaft kein Tabu mehr und Homophobie wird glücklicherweise in weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr geduldet. Schwule und lesbische Paare können heiraten und Eltern werden. Die Beweggründe für Lavendelehen haben sich also geändert und sind eher finanzieller und pragmatischer Art.
© iStock/monkeybusinessimagesAnsprüche an Beziehungen
Neben dem finanziellen Aspekt ist aber auch die Schwierigkeit, im Zeitalter von Online-Dating einen Partner zu finden, ein Grund, warum junge Menschen Lavendelehen eingehen, bei denen es ausschließlich um praktische Aspekte und Freundschaft geht. Beziehungen werden damit von gewissen Ansprüchen entkoppelt, die stattdessen von der Lavendelehe erfüllt werden.
© iStock/LacheevPraktische Partnerschaft
Mit der Lavendelehe geht man also eine freundschaftliche Partnerschaft und Wohngemeinschaft ein, in der man sich gegenseitig unterstützt und Kosten teilt. Das ist in Zeiten von hohen Preisen und steigenden Lebenshaltungskosten sehr praktisch und nimmt zugleich den Druck heraus bei der Suche nach einem Liebespartner.
© iStock/HalfpointNeue Beziehungsform
TikToker Robbie Scott hat den #lavendermarriage-Trend viral gehen lassen: Er sucht auf der Social-Media-Plattform nach einer Partnerin, die Wohnraum und am Ende des Monats Kosten mit ihm teilt. Treue, Sex oder Liebe sind keine Bestandteile einer Lavendelehe und das Bedürfnis danach kann anderswo befriedigt werden. Der Trend der Lavendelehe ist zugleich eine Abkehr von alten Beziehungsmustern.
© iStock/2023 Getty Images/Dan KitwoodSicherheit in Zeiten der Unsicherheit
Jungen Menschen geht es bei der Lavendelehe aber nicht darum, zu rebellieren. Ganz im Gegenteil: Es geht darum, sich ein bodenständiges Leben leisten zu können, um Beziehung ohne Drama und Sicherheit. Die Lavendelehe soll der Gen Z die Zukunftssorgen nehmen in einer Zeit, die von Kriegen, Inflation und Rezession geprägt ist. Klingt vernünftig, oder?
© iStock/Chainarong PrasertthaiLebensgemeinschaft
Wer mit einem Partner zusammenwohnt und Miet- sowie Nebenkosten teilt, spart viel Geld und kann auf diese Weise vielleicht für eine bessere Work-Life-Balance sorgen. Auch das Teilen von Aufgaben, wie Einkaufen, Putzen und Kochen, entlastet und steigert die Lebensqualität. Die Vorteile einer Lavendelehe sind also nicht nur finanzieller Natur.
© iStock/http://www.fotogestoeber.deAlles unter einem Dach?
Die hohen Ansprüche, die an Beziehungen gestellt werden, können in Zeiten des Individualismus zunehmend nicht mehr erfüllt werden. Liebe, Sex, Hobbys, Kindererziehung, berufliche Entfaltung, Finanzen - es sind viele Dinge, die Pärchen unter einem Dach vereinen sollen. Dabei scheitern sie oft. Warum entkoppelt man also nicht manche Punkte von der Liebesbeziehung?
© iStock/fizkesFüreinander da und zugleich frei
In einer Lavendelehe übernehmen die Partner zwar auch Verantwortung füreinander. Manche Bedürfnisse wie etwa das nach Sex und Liebe dürfen aber andere Partner erfüllen. Das nimmt der Lavendelehe einiges an Konfliktpotential. Die Ehepartner bleiben in vielerlei Hinsicht frei. Ob man sich für eine Partnerschaft im Stil der Lavendelehe wirklich das Ja-Wort geben muss, bleibt dahingestellt.
© iStock/efoArtJa zu Sicherheit
Natürlich kann man Lebensgemeinschaften im Stil der #lavendermarriages auch ohne Trauschein eingehen. Letztendlich sind sie nichts anderes als Wohngemeinschaften. Während WGs aber eher für ein sorgloses Studentenleben mit viel Party stehen, ist die Suche nach Lavendelehepartnern Ausdruck der Zukunftssorgen und des Sicherheitsbedürfnisses der Gen Z.
© iStock/MalkovstockBesondere Art von WG
Gehört die Suche nach dem Mann oder der Frau fürs Leben also bald der Vergangenheit an? Werden Dating-Apps durch Lavendelehe-Apps ersetzt? Zumindest in Großstädten, wo die Mieten sehr hoch sind, könnten die praktischen Lebensgemeinschaften von Social Media aufs Real Life überschwappen. Im Gegensatz zu klassischen WGs spielt Freundschaft bei den Zusammenlebenden in Lavendelehen eine größere Rolle.
© iStock/Inside Creative HouseVerantwortungsgemeinschaften
Das Bundesjustizministerium plant die Einführung sogenannter Verantwortungsgemeinschaften, um auch unverheirateten die Möglichkeit zu geben, langfristig füreinander zu sorgen. Ein Eckpunktepapier liegt bereits vor und definiert den Rahmen für diese Form des Zusammenlebens. Ziel ist es, alternative Beziehungsformen jenseits der klassischen Ehe zu stärken.
© iStock/Christian AderChose your way!
Eltern oder Großeltern können vielleicht wenig Verständnis für alternative Beziehungsformen oder Lebenswege aufbringen. Das sollte aber niemanden davon abhalten, sein Leben so zu gestalten, wie man es möchte. Ob man dabei auf den Social Media Trend der Lavendelehe aufspringt oder seine ganz eigene Art von Zusammenleben kreiert, ist irrelevant.
© iStock/SrdjanPavErnste Beweggründe
Für den Wunsch nach einer Partnerschaft im Stil der Lavendelehe sollte die Generation Z auf jeden Fall nicht belächelt werden. Das Bedürfnis nach Fürsorge und einem freundschaftlichen Zusammenleben haben einen ernsten Hintergrund: Existenz- und Zukunftsängste sowie ein gewisser Überdruss haben die #lavendermarriage ins Leben gerufen bzw. wiederbelebt.
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