Erdoğan Atalay über 25 Jahre "Alarm für Cobra 11"

"Die 'Cobra' in der Form wird es sicher nicht mehr geben"

27.07.2021 von SWYRL/Christopher Schmitt

Ein Vierteljahrhundert "Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei" ist ein Vierteljahrhundert mit Erdoğan Atalay. Im Interview spricht der Schauspieler über die El-Dorado-Zeit der RTL-Actionserie, seine Fähigkeiten auf dem Tanzparkett und das Kämpferherz seines Vaters.

25 Jahre haben einen tiefen Reifenabdruck im deutschen Fernsehen hinterlassen: Die Actionserie "Alarm für Cobra 11 - Die Autobahnpolizei" feiert Jubiläum - und steht möglicherweise ausgerechnet jetzt vor dem Aus. Die neue 26. Staffel der Institution im Programm von RTL start am Donnerstag, 29. Juli, 20.15 Uhr, - und RTL kündigte sie als "vorerst letzte" an. Eine endgültige Entscheidung ist jedoch noch nicht gefallen. Was sagt Schauspieler Erdoğan Atalay zu den Gerüchten? Der Mann, der in der Rolle des Semir Gerkhan zu den dienstältesten TV-Ermittlern des Landes gehört, lässt es bereits seit 1996 auf den Autobahnen des Landes ordentlich krachen. Im Gespräch gibt der 54-jährige natürlich die ein oder andere Anekdote zum Besten.

teleschau: Herr Atalay, 25 Jahre im Einsatz bei "Alarm für Cobra 11": Sind Sie jemand, der sich alte Folgen ansieht und nostalgisch wird?

Erdoğan Atalay: Von außen denkt man das womöglich immer. Aber ich beschreibe das als "Melancholie der Vergänglichkeit", beziehe das aber nicht nur auf "Cobra". Alles ist irgendwann vorbei, und man kann diese schönen Momente nicht festhalten. Ich finde aber interessant, an was ich mich in 25 Jahren erinnern kann und an was nicht. Alles, was mit einer Emotion zu tun hatte oder alle Stunts die ich gemacht habe, sind in meinem Kopf szenisch abgespeichert, und daran kann ich mich auch gut erinnern. Vor allem, wenn ich die Bilder nochmal sehe.

teleschau: Wie haben Sie die ersten Drehtage 1996 in Erinnerung behalten?

Atalay: Natürlich war es extrem aufregend am Anfang. Alles war sehr humorig, so war es eigentlich immer bei uns. Bei einem meiner ersten Stunts wurden meine Schuhe auf die Motorhaube geschraubt, damit ich nicht runterfalle. Aber ich sagte natürlich: "Okay, der Wagen bremst doch auch?!" Dann bekam ich einen Gurt in die Hand, der überhaupt nichts gebracht hat. Früher ist jemand mit 40 oder 50 km/h gegen den Baum gefahren. Dann hieß es: "Geht's dir gut? Okay, dann machen wir das mit 70 km/h" (lacht). Aus dieser Zeit komme ich. In meiner ersten Woche habe ich einen nagelneuen BMW zum Totalschaden gefahren. In dieser El-Dorado-Zeit hat auch RTL viel Geld hineingepumpt.

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"Ich habe mich komplett verabschiedet"

teleschau: Sie sind eine Konstante, doch können Sie auch noch alle neun Partner, die Sie bei "Cobra 11" hatten, aufzählen?

Atalay: Na, selbstverständlich! Ich habe mit jedem Anekdoten und vergesse die Leute dementsprechend auch nicht. Zu vielen habe ich auch noch Kontakt. Viele wissen nicht, dass ich erst ab der dritten Folge dabei gewesen bin. Mein erster Partner war Johannes Brandrup. Erstaunlicherweise ist er nicht so im Gedächtnis geblieben, obwohl er für seine Darstellung sogar den Goldenen Löwen bekommen hat. Dann kam Mark Keller, dann kam René Steinke, dann kam Christian Oliver, dann kam René Steinke aber wieder. Darauf folgte Gideon Burkhard, Tom Beck, Vinzenz Kiefer, Daniel Roesner, und nun habe ich mit Pia Stutzenstein eine Frau an meiner Seite.

teleschau: Mit Pia Stutzenstein kam auch der Relaunch. Hat er Ihre Erwartungen erfüllt?

Atalay: Ich unterstütze diesen Relaunch und bin dafür auch mitverantwortlich. Die ganz große Umstrukturierung hätte ich aber gar nicht unbedingt gebraucht. Wir waren nur der Ansicht, dass die "Cobra" eine andere Art der Erzählweise benötigt, um sie zu erhalten. Es gibt Streaming-Formate, die eine andere Bildqualität haben und komplett anders erzählt haben als wir, die eben aus den 90-ern kommen. Ich kenne ehrlich gesagt auch keine andere Serie - und ich habe viele gesehen - in denen es so unterschiedliche Folgen gibt. Klar war es auch ein Risiko, und ich bin sehr dankbar dafür, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer das alles mitgemacht haben - sensationell! Natürlich wünschen sich manche Hardcore-Fans auch die alte "Cobra" zurück, und das kann ich auch verstehen.

teleschau: Wie würden Sie die neue "Cobra" denn beschreiben?

Atalay: Aktuell ist es sehr ernst, ehrlich und erdig, wir sind quasi erwachsen geworden. In den aktuellen Folgen kann man jedenfalls keine Atombombe auf einem Pick-Up transportieren. Aber wenn wir weitermachen, holen wir bestimmt auch wieder mehr Humor zurück.

teleschau: In den Medien wurde bereits über ein Ende der Serie spekuliert, aber die Zukunft ist noch offen?

Atalay: Ich hatte an meinem letzten Drehtag im vergangenen Jahr - es war mein Geburtstag am 22. September. Es könnte sein, dass wir wieder anfangen am Ende des Jahres oder nächstes Jahr. Ganz sicher ist es aber noch nicht, weil sich alles umstrukturiert. Die "Cobra" in der Form, wie es sie gegeben hat, wird es jedoch sicher nicht mehr geben. Den Rest muss man abwarten. Ich habe mich jedenfalls komplett verabschiedet, wir haben Corona-bedingt auch viele Menschen entlassen müssen. Da hat es uns voll erwischt.

"Vor langer Zeit wollte ich mal Ballettänzer werden"

teleschau: Würde die Serie auch den Wegfall Ihrer Figur Semir verkraften?

Atalay: Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Einerseits sagt meine Eitelkeit: "Nein, das geht gar nicht", andererseits kenne ich die beteiligten Leute schon so lange. Bei uns stehen viele in Lohn und Brot. Es wäre tragisch, wenn sich die Figur verabschieden würde, weil ich dann nicht frei entscheiden könnte, ob ich weitermache oder nicht. Das ist ja eine Gemeinschaftsproduktion, und für die Belegschaft würde ich mir wünschen, dass es auch ohne Semir weitergehen würde. Ich bin möglicherweise ein Anker für die Zuschauerinnen und Zuschauer. Alle sind auszuwechseln, aber austauschbar sind wir nicht.

teleschau: Von Oliver Pocher über Sophia Thomalla gab es ja viele prominente Gastauftritte. Haben Sie einen Favoriten?

Atalay: Mit Stand-Up-Comedienne Anissa Amani gibt es eine lustige Anekdote: Ich komme ans Set und sage: "Mensch, Hi! Schön, dass Du wieder dabei bist." Sie schaut mich nur verdutzt an und ich denke: "Was hat sie denn?" und sie meinte nur: "Kennen wir uns?" Ich dachte, sie wäre schon mal dabei gewesen, aber sie hatte noch nie mitgespielt, und wir sind uns nie begegnet (lacht). Mir wurde dann klar, dass sie mir nur aus "Let's Dance" vertraut war. Das was anderen Leuten mit mir passiert, ist mir da selber passiert.

teleschau: Apropos "Let's Dance": Ihr kleiner Sohn hat an der "Kids"-Variante teilgenommen. Hat er Talent vom Vater geerbt?

Atalay: Ich bin kein Bewegungslegastheniker und habe ein ganz gutes Körpergefühl. Als "Action-Held" (lacht) sollte man das auch mitbringen. Ich tanze auch gerne und wollte vor sehr langer Zeit mal Ballett-Tänzer werden, aber ich war einfach zu klein für einen Gruppentänzer und zu alt für einen Solotänzer. Ein bisschen Talent habe ich, aber es ist ausbaufähig. Mein Sohn tanzt gerne, und nachdem wir lange gesprochen haben, hat er seine Entscheidung getroffen. Auch wenn er früh rausgeflogen ist, hat er dort viele Freunde getroffen, und es herrschte eine tolle Atmosphäre für die Kids. Als Assistent und Bodyguard war ich im Studio selbst mit dabei.

"Mein Vater ist ein absoluter Löwe, ein Krieger"

teleschau: Zu einem ernsten Familienthema: Ihr Vater überlebte zunächst einen Halswirbelbruch und erkrankte dann im Frühjahr als Hochrisiko-Patient an Covid-19.

Atalay: Mein Vater war durch den Sturz schon so angeschlagen, dass ich ein halbes Jahr mit dem Gedanken leben musste, ihn zu verlieren. Dann war das halbwegs genesen, und dann kam plötzlich Corona dazu und ich dachte: Das war es jetzt. Ich habe jeden Tag auf die Nachricht gewartet, dass er das nicht überlebt. Auch der Arzt schätzte die Chancen mit 86 Jahren und dieser Vorbelastung schlecht ein. Auch wenn Corona-Infektionen jeden Tag millionenfach auf der Welt passieren, ist es etwas anderes, wenn es jemanden aus dem direkten Umfeld trifft, und das macht einen dann sehr nachdenklich.

teleschau: Aber alles ist gut ausgegangen?

Atalay: Mein Vater hat von Corona noch ein bisschen Nachwirkungen, aber er hat es überlebt, und das hat mich fasziniert. Ich kenne auf der Welt keinen Menschen, der so zäh, leidensfähig und klaglos ist. Er beschwert sich überhaupt nicht. Da habe ich zu meinem Vater gesagt: "Mensch Papa, ich hoffe, dass ich ein Teil dieser Gene in mir trage", und er meinte nur: "Ja mein Junge, das hoffe ich auch" (lacht). Mein Vater ist ein absoluter Löwe, ein Krieger.

teleschau: Wie haben Sie abseits dieses Schicksalsschlags die Entwicklung der Pandemie wahrgenommen?

Atalay: Beruflich habe ich mich sehr am Label "systemrelevant" gestört. Klar macht uns Kunst auch nicht satt, aber wenn ich höre "systemrelevant", denke ich mir: "Bitte?!" Schließlich tragen auch Film-, TV- und Musikbranche etwas zum BIP bei. Außerdem haben sich in der Pandemie einige die Taschen vollgemacht, das hatte schon einen bitteren Beigeschmack. Allgemein gönne ich jedem den geschäftlichen Erfolg, aber das geht zu weit. Dass es weltweit Korruption gibt, ist klar, aber dass sich in unserem Land solche Abgründe auftun, hat mich schon sehr enttäuscht.

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