Katar - Gas und Spiele - Di. 29.11. - ARTE: 20.15 Uhr

Die reichen Emire am Persischen Golf

23.11.2022 von SWYRL/Hans Czerny

Die WM in Katar ist im Gange, viele Sender haben über die umstrittene Wahl 2010 und ihre Hintergründe informiert. ARTE beleuchtet die jüngste Geschichte Katars und will das Land aus der "Innenperspektive" zeigen. Das führt zu etwas zu viel Ausgewogenheit.

Klar, dass man auch zu Beginn dieser ARTE-Dokumentation noch einmal die zweifelhafte WM-Vergabe von 2010 an Katar sieht und den Jubel des katarischen Herrscherpaars. Es fehlt auch keineswegs an Schlaglichtern auf die Missstände, die anlässlich der WM zutage gekommen sind. Doch die Imagepflege durch die WM ist - das zeigt dieser Film - nur der letzte Stein. So kommt vor allem die jüngere Geschichte des Wüstenstaates Katars ins Spiel, mit seiner absolutistischen Herrscherdynastie über nunmehr neun Generationen hinweg. Von den Beduinen bis zum jetztigen Emir Tamim bin Hamad ist es ein weiter Weg, dessen Stationen die Unabhängigkeit von 1971, die Erdölfunde der 30er-Jahre und mehr noch die Erdgasfunde der 90er-Jahre markieren. Mit ihnen entwickelte sich das Land zum "Wüstenwunder", zum - nach Prokopf-Einkommen - wohl reichsten Land dieser Erde.

Der aufwendige Film "Katar - Gas und Spiele" von Miyuki Droz und Sylvain Lepetit versucht leicht verspätet, unter Mitwirkung internationaler Reporter und Historiker, aber auch Mitgliedern der Herrscherfamilie Katars, die Merkwürdigkeiten des Landes zu erklären. Beim Versuch, Katar "aus der Innenperspektive" zu zeigen, herrscht allerdings viel sorgsame Ausgewogenheit.

Zwar werden fehlende Menschenrechte und die bestehende Drei-Klassen-Gesellschaft angesprochen, die aus der schier unsichtbaren Minderheit der Katari besteht (300.000 unter drei Millionen insgesamt), aus einer hochdotierten, meist ausländischen Mittelschicht - und den Unterprivilegierten, die nach den Recherchen der Menschenrechtsorganisationen nicht selten ihre Arbeit in der Hitze zu tausenden mit dem Leben bezahlten. Der Tod kam nicht nur in den Stadien, sondern oftmals auch im Bett - das macht den Nachweis so schwer.

Allerdings gelingt es den Machern, den bestellten Vorzeigearbeitern des Staats (Alles ist "gut, sehr gut!") die wahren Missstände in den Behausungen vieler Arbeiter gegenüberzustellen, wo oft zehn Leute in einem verdreckten Zimmer leben. Die Hoffnung, sich in der asiatischen oder afrikanischen Heimat "ein Auto oder ein Haus zu kaufen", haben die Arbeiter nach ihrer Ankunft gleich wieder abgelegt, so berichten sie selbst. Eine katarische Regierungssprecherin verweist allerdings sofort darauf, dass dafür vor allem die Auftragsfirmen verantwortlich seien, die aus den Herkunftsländern der Arbeiter kämen.

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Fußballerinnen und Taliban

Schon beim ersten Golfkrieg stand Katar an der Seite Amerikas, andererseits wurde Al Kaida und den Muslimbrüdern später Asyl geboten. Das Doha-Abkommen, das 2020 - völlig unzulänglich - den Abzug der Amerikaner aus Afghanistan vorbereitete, ist laut der Sprecherin des Außenministeriums der Vermittlung Katars zwischen den Taliban und Amerika zu verdanken.

Imagepflege können die Katarer nicht nur zu Zeiten der WM. Scheicha Musa, die zweite Frau des Katar-Modernisierers und WM-Heimholers Hamad, zeigte sich im Ausland stets in der neuesten westlichen Mode. Neuerdings gibt es auch Frauenmannschaften im Land, die allerdings lange Zeit nur hinter Mauern spielten. Jüngst aber zeigten sie sich, Ausländerinnen zumeist, vor männlichen Fans gar am Strand. Da werden die "Widersprüche" deutlich, von denen im Film etwas zu häufig nivellierend die Rede ist. Während der Frauenfußball von der Regierung "gefördert" wird, lassen jüngst beschlossene Rechtsreformen immer noch auf sich warten. Außereheliche Beziehungen oder öffentliche Homosexualität werden offiziell immer noch mit Gefängnis bestraft im ach so "kleinen Königreich" am Persischen Golf.

Die Dokumentation ist bereits in der ARTE-Mediathek zu sehen.

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