Polizeiruf 110: Hildes Erbe - So. 30.01. - ARD: 20.15 Uhr

Diversität im Primetime-Krimi: Der neue Kommissar trägt Rock

27.01.2022 von SWYRL/Eric Leimann

Der Brandenburger "Polizeiruf 110" präsentiert nach dem Ausstieg Maria Simons ein neues Männer-Duo: An der Seite des verbliebenen Lucas Gregorowicz ermittelt ab sofort der junge, durchaus schillernde Theatermime André Kaczmarczyk - mit Rock und Kajal um Augen.

Personell war es im Brandenburger "Polizeiruf 110", wo seit Jahren vorwiegend Durchschnittskrimis produziert werden, ein wenig unruhig. Zunächst musste Stammkommissarin Olga Lenski (Maria Simon, seit 2011 im Amt) den Verlust des skurrilen Urgesteins Horst Krause hinnehmen (2015). Es folgte ihre Versetzung nach Frankfurt/Oder, wo Lucas Gregorowicz als neuer Partner hinzukam. Schließlich stieg Maria Simon selbst aus, Lucas Gregorowicz ermittelte im Dezember 2021 einmal alleine ("Hermann"), bekommt aber nun, im Fall "Hildes Erbe", einen neuen Partner. Er heißt Vincent Ross (André Kaczmarczyk) und gerät als junger Kommissar kurz nach seinem Unzug von Berlin nach Slubice in einen Mordfall.

Vincents junger Nachbar, der 22-jährige Student Bastian Grutzke, hat eben noch geholfen, die Matratze des neuen Mieters das Treppenhaus hinaufzutragen. Am nächsten Tag liegt er erschlagen in seiner Wohnung. Adam Raczek (Lucas Gregorowicz), der am Tatort die Zeugen vernimmt, staunt nicht schlecht, dass einer dieser Zeugen sein neuer Partner ist. Vincent Ross, frisch von der Polizeischule kommend und mit einem Bachelor in Psychologie ausgestattet, sieht aus wie der junge André Eisermann oder ein Varieté-Darsteller aus "Babylon Berlin". Der sensible, aber selbstbewusste junge Mann trägt Rock und Kajalstift um die Augen - womit er den eher "traditionell" männlichen Kollegen zumindest ein wenig irritiert.

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Eine Familie, nur mit pechschwarzem Humor zu ertragen

Die Ermittlungen der Kommissare führen schnell auf die Spur einer ziemlich zerrütteten Familie. Bastians Großmutter, Hilde Grutzke (Tatja Seibt), hat zwar nicht mehr lange zu leben, aber ist durchaus noch in der Lage, Gäste mit ihrer Schrotflinte zu begrüßen. Das Verhältnis zu ihrer Familie und insbesondere ihrem Sohn Ulf (Lars Rudolph), der zuletzt auf der Straße lebte, ist angespannt und äußerst distanziert. Zu Enkel Bastian hatte sie bis kurz vor dessen Tod überhaupt keinen Kontakt.

Auch Bastians Schwester, ihre Enkelin Emma (Ada Philine Stappenbeck), kapselte sich von der Familie ab und hatte nur zu ihrem Bruder eine enge Bindung. Wie er studiert auch sie an der Uni in Frankfurt/Oder. Näher steht Oma Hilde nur ihre Pflegerin Sandra Böttcher (Isabel Schosnig), die sich seit einiger Zeit um die an COPD erkrankte alte Frau kümmerte. Als herauskommt, dass Hilde über große Bargeldmengen verfügt, stellen sich die Ermittler die Frage, ob Bastians Tod mit einem möglichen Erbe zu tun haben könnte.

Regisseur und Autor Eoin Moore, der den Rostocker "Polizeiruf" mit Charly Hübner und Anneke Kim Sarnau erfand und kürzlich zu Ende brachte, hat mit seiner Drehbuchpartnerin Anika Wangard diesen Neustart des Frankfurt/Oder-Teams erdacht und inszeniert. Es ist ein böser Familienkrimi, der dem Standort mit seinen oft etwas bleiernen Fällen durchaus eine neue Leichtigkeit verleiht, auch wenn sich diese Einschätzung bei einer derart tristen Geschichte wie dieser fast ein wenig komisch anhört. Trotzdem bietet "Hildes Erbe" in seinen Zwischentönen durchaus witzige Momente. Zu finden sind sie in der schwierige Beziehungs-Auslotung der beiden Kommissare oder auch in finsteren Details rund um Familie Grutzke, die tatsächlich nur noch mit pechschwarzem Humor auszuhalten ist. Dass deren Untiefen trotzdem nicht eindeutiger als Komödie gekennzeichnet werden, dafür kann nur ein in Teilen englisch geprägter Mensch verantwortlich sein. Eoin Moore stammt aus Dublin.

Unterm Strich macht das Debüt des Duos Gregorowicz/Kaczmarczyk durchaus Lust auf mehr. Dass ein neuer Primetime-Kommissar mit seiner Geschlechtsidentität spielt, ist durchaus mutig. Eine Diversitäts-Idee wie diese hätte auch ziemlich schiefgehen können. Der 35-jährige André Kaczmarczyk, schon seit seiner Jugend in Thüringen als "Theaterereignis" bekannt, könnte genau der Richtige sein, um dem deutsch-polnischen "Polizeiruf 110" ein wenig auf die Sprünge zu helfen.

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