Der europäische Film trauert um einen seiner größten Abenteurer

Er war der Herzensbrecher mit dem Knautschgesicht: Jean-Paul Belmondo ist tot

06.09.2021 von SWYRL/Alexander Franck

Frankreichs Kino-Haudegen lebt nicht mehr: Jean-Paul Belmondo ist mit 88 Jahren verstorben.

Die Filmwelt trauert um einen ihrer sympathischsten Helden: Jean-Paul Belmondo, der sowohl als großer Abenteurer als auch als charmanter Herzensbrecher Filmgeschichte schrieb, lebt nicht mehr. Dies berichtete am Montagnachmittag zuerst die Nachrichtenagentur AFP, die sich auf den Anwalt des Schauspielers berief. Der Franzose, in den 50-ern Protagonist der Nouvelle Vague, war einer der größten Stars des europäischen Kinos. Er wurde 88 Jahre alt.

Schon in der Spätphase eines aufregenden Lebens, das sich tief in seinem Knautschgesicht abzeichnete, hatte der französische Superstar im Alter mit Mitte 70 verkündet, er wolle nicht als "fliegender Großvater des französischen Kinos" enden. Zum Zeitpunkt dieser Aussage hatte Belmondo bereits einen Schlaganfall (2001) hinter sich, von dessen Folgen er sich nie mehr so ganz erholen konnte.

Aus dem eigentlich geplanten Rückzug wurde jedoch erst mal nichts. Die Liebe, oder besser: eine folgenschwere Begegnung kam dazwischen. Belmondo traf im Herbst seines Lebens auf eine echte Femme fatale. Wegen der Liaison mit dem belgischen Ex-Mannequin Barbara Gandolfi verlor der von den Franzosen so geliebte "Bébel" zwischenzeitlich sogar beinahe die Zuneigung seiner Landsleute. Doch in seinen späten Siebzigern beendeten nur wenige Worte jene Beziehung, die den französischen Boulevard lange in Atem gehalten hatte. Belmondos Pariser Rechtsanwalt und Freund Maître Godest ließ ausrichten: "Ich weiß, was passiert ist, und ich pflichte Jean-Paul bei, wenn er dieses Abenteuer beendet!"

Tatsächlich war die Affäre zwischen dem alternden Leinwand-Helden und der 42 Jahre jüngeren Belgierin Barbara Gandolfi, die doch seine Enkelin hätte sein können, das letzte große Abenteuer Belmondos. Dabei hatte Belmondo doch schon genug Aufregung in seinem Leben gehabt.

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Seine Rollen: Frauen, Alkohol, Glücksspiel.

Geboren am 9. April 1933 in Neuilly-sur-Seine, einem westlichen Vorort von Paris, ließ Belmondo bereits ab dem 13. Lebensjahr seinen Charakterschädel formen. Er stand als Boxer regelmäßig im Ring. Belmondo wollte Berufsboxer werden. Zwei Kämpfe später hatte er seine plattgedrückte Nase und wechselte in die Schauspielerei. Ohnehin war ihm kreatives Schaffen immer mehr in die Wiege gelegt als sportliche Herausforderung. Belmondos Vater war ein bekannter Bildhauer, die Mutter eine leidenschaftliche Tänzerin.

An seine erste Rolle erinnerte sich Jean-Paul Belmondo, der in der Öffentlichkeit gerne den Spaßvogel gab, nur zu gut. "Ich war Hellebardenträger", erzählte er in Interviews: "Ich hielt die Hellebarde. Mehr hatte ich nicht zu tun." Kaum zu glauben, dass dies der Startschuss für eine der bemerkenswertesten Karrieren im europäischen Film gewesen sein soll. Doch schon mit der zweiten Rolle belehrte Belmondo Nörgler und Zweifler eines Besseren. Jean-Luc Godards "Außer Atem" (1960) machte den Schauspieler über Nacht international bekannt.

Nach Engagements auf kleineren Wanderbühnen, einer klassischen Bühnenausbildung am renommierten Pariser "Conservatoire d'art dramatique" und ersten Nebenrollen in Filmen wurde Jean-Paul Belmondo Ende der 1950er-, Anfang der 1960er-Jahre zu einem der herausragenden Protagonisten des neuen französischen Kinos, der "Nouvelle Vague". In den 1970er- und 1980er-Jahren spielte Belmondo im actiongeladenen Mainstream-Kino und in massentauglichen Krimis wie "Der Greifer" (1975) oder "Der Profi" (1985).

Den Ruf als Draufgänger und Haudegen erarbeitete sich Belmondo trotz Affären mit Ursula Andress oder Laura Antonelli weniger wegen ausschweifender Exzesse im Privatleben. Vielmehr bestand der Schauspieler darauf, seine Stunts selbst zu machen. Bei den Dreharbeiten zu "Das Tier" (1977) lieferte er sich einen ungleichen Zweikampf mit seinem Filmpartner. Tiger Amoe erwies sich als eindeutig überlegen, Belmondo überlebte. Nach einer Kopfverletzung beim Dreh zu "Der Boss" (1985) hatte der inzwischen 52-Jährige genug von Brummschädeln. Er zog sich als Actionstar zurück und widmete sich fortan verstärkt dem Theater.

1993 zog der Star aus diesem Erfolg seine ganz persönlichen Konsequenzen: Er kaufte sich ein eigenes Theater in Paris. "Das ist wie beim Sport: Wenn ein Fußballer keine Lust mehr hat, auf den Ball zu hauen, sind die Leute enttäuscht", sagte Belmondo, dessen Rollen oft verblüffende Ähnlichkeit mit ihm hatten: Frauen, Alkohol, Glücksspiel. Schwiegermutters Liebling war er nie.

"Er war seit einiger Zeit sehr müde"

Jean-Paul Belmondo hätte an der Seite seiner zweiten Ehefrau Nathalie, mit der er mehr als 20 Jahre liiert und seit 2002 verheiratet war, ruhig in den Lebensabend gleiten können. Dann allerdings erschien sie. Im Juni 2008, ausgerechnet also in dem Jahr, in dem er mit der Charakterrolle als Obdachloser in "Ein Mann und sein Hund" nochmals einen späten Achtungserfolg feierte, fiel der alternde, von seinem Schlaganfall deprimierte Schauspieler in seinen Jungbrunnen Barbara Gandolfi. Belmondo trennte sich von Ehefrau Natty und zog mit dem Ex-"Playboy"-Model von Party zu Party. Belmondo schien wieder aufzublühen und merkte doch nicht, dass er wie ein alternder Stier am Nasenring durch die Boulevard-Arena gezogen wurde.

Nach diversen Eskapaden, darunter ein Einbruch in Belmondos Pariser Wohnung, riss "Bébel" der Geduldsfaden. Frankreich atmete damals beruhigt auf. Schließlich fand der alte Leinwand-Held doch noch die Ruhe, die er sich in seinen Jahren als Haudegen des französischen Kinos verdient hatte. "Er war seit einiger Zeit sehr müde", wurde sein Anwalt in Medienberichten vom Montag zitiert. "Er ist ruhig gestorben."

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