TVNOW-Doku "Eric gegen Stehfest: In Therapie"

Geht's noch persönlicher? Eric Stehfest lässt sich bei Psychotherapie filmen

26.04.2021 von SWYRL/Eric Leimann

Warum lässt man sich bei der eigenen Psychotherapie filmen? Eric Stehfest, ehemaliger Drogen-Junkie, Soap-Star, Unterhaltungsformat-Darsteller und Autor ("9 Tage wach"), legt ein ungewöhnliches Streamingformat vor. Es macht Heilung zum öffentlichen Prozess.

Selten war eine krisengeschüttelte Promi-Nabelschau im Fernsehen so reflektiert, der Grat zwischen Trash-TV und anspruchsvoller Personality-Doku so schmal: Eric Stehfest, 31 Jahre alt und zweifacher Vater, ist ein Wanderer zwischen den Welten. Er besuchte die renommierte Leipziger Schauspielschule, kaufte sich zwischen zwei Kursen in Tschechien aber schnell noch Berge harter Drogen für den Eigenkonsum. Später schrieb der künstlerisch talentierte Junkie die viel beachtete Autobiografie "9 Tage wach", 2020 wurde sie von ProSieben mit Jannik Schümann in der Hauptrolle verfilmt. Das Buch war ein Bestseller, der Film erhielt gute Kritiken - auch vonseiten des Feuilletons.

Gleichzeitig blieb Stehfest ein Mann des Boulevards: Bekannt wurde er über die Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten". In Unterhaltungsshows wie "Dancing on Ice", die er 2019 gewann, tanzte er in der ersten Reihe. Warum sich Stehfest und seine Frau Edith nach dem Finale besagter Show vor anderthalb Jahren aus der Öffentlichkeit zurückzogen, wird in der ungewöhnlichen Streamingserie "Eric gegen Stehfest: In Therapie" aufgeklärt. Das junge Paar musste sich damals vor Gericht mit einer Vergewaltigung Edith Stehfests auseinandersetzen - eine Krise, die viele persönliche Wunden aufriss. Hinzu kamen eine Pandemie und die Geburt ihres zweiten Kindes. Ab 3. Mai zeigt TVNOW nun zwölf Psychotherapie-Sitzungen Eric Stehfests, in denen er seine Geschichte der Therapeutin Livia Brandão erzählt.

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Warum macht man so etwas öffentlich?

Jede Folge von "Eric gegen Stehfest: In Therapie" - es sollen vier pro Woche eingestellt werden - beschreibt dabei eine klassische Therapiesitzung von 45 Minuten. Doch keine Sorge, ein sprödes Abfilmen des Zweiergesprächs wird vermieden. Zwar kehrt die Kamera immer wieder zu den Stunden mit der Therapeutin zurück, doch es sind jeweils nur kurze Ausschnitte, deren Themen im Nachgang durch Bilder und Gespräche Stehfests mit Frau und Kindern, seiner Mutter oder Menschen, die mit ihm gearbeitet haben, ergänzt werden. Oft fährt Eric Stehfest einfach nur Auto und erzählt. Mitunter ist man mit ihm auf dem Weg zu Orten, die in seinem Leben bedeutsam waren. Tatsächlich ist die Machart des Formats nicht so ungewöhnlich, wie es der Titel verspricht. Die Unterschiede zu einem "normalen" biografischen Porträt sind marginal.

Trotzdem bleibt das zwölfteilige TVNOW-Angebot irgendwie ungewöhnlich - und das liegt an seinem Protagonisten und dessen besonderer Herangehensweise an sein Leben: sehr offen, emotional ungeheuer nackt, alles wird geteilt - so könnte man Stehfest und seine Frau bei der Aufarbeitung des eigenen Lebens beschreiben. Viele Themen kennt man schon aus "9 Tage wach": eine jahrelange Drogensucht, die symbiotische Beziehung zur Mutter, Fitness-Wahn und Testosteron-Sucht. Die Beschäftigung mit dem eigenen Missbrauch und die Vergewaltigung von Edith Stehfest sind Hammerthemen, die dazu kommen. Klingt alles ein bisschen krass, vielleicht sogar schmierig? Warum macht man so etwas öffentlich?

Sich heilen, indem ihm alle zuschauen

Man muss Eric Stehfest glauben, dass er mit diesem Schritt tatsächlich sich selbst, der Familie und anderen helfen will. In Gera betrieb der 31-jährige Sachse eine Weile lang ein Café, in das problembeladene junge Leute zu Gesprächen und zum Abhängen in positiver Atmosphäre kommen durften. Der Wunsch nach Offenheit, Nächstenliebe und Heilung scheint tatsächlich eine wichtige Antriebsfeder dieses so ambivalenten und reflektierten Ex-Junkies zu sein. "Was für ein Mann bin ich? Wer will ich sein? Und wer nicht?" - um das herauszufinden, begibt sich Eric Stehfest die Psychotherapie, sagt er. "Für mich sind einige Themen in diesem Pandemiejahr besonders sichtbar geworden: häusliche Gewalt, Missbrauch und toxische Männlichkeit. Deshalb mache ich eine Therapie und möchte dafür werben, dass es sinnvoll ist, sich radikal ehrlich seiner Vergangenheit und den eigenen Verhaltensmustern zu stellen."

Der Titel des Formats ist ein bisschen Etikettenschwindel, da die Streaming-Show keine non-fiktionale Variante der "reinen" Therapieserien "In Treatment" (Sky) oder zuletzt des französischen Ablegers "In Therapie" (ARTE) ist, die nur im Behandlungsraum spielen. Trotzdem ist "Eric gegen Stehfest: In Therapie" wegen der Reflektiertheit der hier geäußerten Gedanken und Prozesse durchaus sehenswert. Gerade vor dem Hintergrund des ein oder anderen Promi-Selbstmordes in letzter Zeit. Eric Stehfests Reise ist nämlich auch eine ins Bewusstsein einer Trennung von privater und öffentlicher Figur. Klingt komisch, aber wer zusieht, versteht es: Hier will sich jemand auf sehr intime und ehrliche Weise heilen, indem ihm alle zuschauen.

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