Interview mit Senta Berger

"Ich bin dankbar für mein Leben"

20.02.2021 von SWYRL/Maximilian Haase

Eine Legende im "Unruhestand": Auch wenn Senta Berger im Mai bereits ihr 80. Lebensjahr vollendet, arbeitet sie unermüdlich weiter. Im Interview spricht die Schauspielerin über ihren aktuellen Film, das nahende Jubiläum und den Rückblick auf ihr ereignisreiches Leben.

Eigentlich, so deutete Senta Berger nach dem Ende ihrer Serie "Unter Verdacht" 2019 an, wolle sie sich langsam von der Schauspielerei zurückziehen. Immerhin vollendet die gebürtige Wienerin im Mai bereits ihr 80. Lebensjahr. Dass die Jubilarin, die 2021 zudem ihren 55. Hochzeitstag mit Michael Verhoeven feiert, nun doch noch ein paar Kino- und Fernsehfilme dreht, ist ein großes Glück. Dafür bedarf es nur eines Blickes in ihr aktuelles ARD-Drama "Martha und Tommy" (Mittwoch, 24.02., 20.15 Uhr), in dem Senta Berger an der Seite des Nachwuchsstars Jonathan Berlin brilliert. Wer sie, die Hollywood-Diva der 60-er, Kino-Ikone der 70-er und seither legendäre Grande Dame spielen sieht, kann nur hoffen, dass ihr "Unruhestand", wie sie es ausdrückt, möglichst lange währt.

teleschau: Wie ist es Ihnen in den vergangenen Monaten ergangen - hat die Pandemie Ihr berufliches Leben sehr verändert?

Senta Berger: Ja natürlich sehr, wenn auch nicht so schmerzlich wie für Millionen anderer Menschen. Ich hatte das Glück, noch bis Oktober arbeiten zu können, an einem Kinofilm mit Florian David Fitz, einem Fernsehfilm mit Peter Simonischek und Thomas Thieme, und an Vorstellungen bei den Salzburger Festspielen und am Burgtheater in Wien. Immer unter streng eingehaltenen Vorschriften, die zumeist von jeweiligen Hygiene-Beauftragten kontrolliert wurden.

teleschau: Wie wirkte sich Corona auf Ihr Privatleben aus?

Berger: Familie und Freunde haben wir lange Zeit in unserem Garten sehen können, doch nun schon lange nicht mehr. Dennoch weiß ich, dass wir Glück gehabt haben und immer noch haben. Es ist aber doch so, dass die gesamte Situation bedrückend ist. Diese Stimmung legt sich über alles wie Mehltau.

teleschau: Wenn Sie im Mai 80 Jahre alt werden, hat sich die Situation hoffentlich ein wenig entspannt. Ist der runde Geburtstag für Sie eine Zäsur - oder lediglich eine Zahl?

Berger: Noch ist es nur eine Zahl, die auf der Torte stehen wird. Aber früher oder später werde ich sie mit mir in Verbindung bringen müssen, dafür wird schon mein Körper sorgen. Es ist alles so widersprüchlich. Einerseits denke ich: So kurz sind also 80 Jahre. Dann wieder sage ich mir: Du bist schon einen ganz schön langen Weg gegangen, Senta, hast schon ganz schön viel erlebt.

teleschau: Welches Gefühl dominiert, wenn Sie zurückblicken?

Berger: In meinem Alter kommt einem die Kindheit wieder sehr nahe, und ich denke gerne an meine Jugend und meine Anfänge zurück. Ich bin dankbar für mein Leben, sicherlich nicht genug, immer noch nehme ich vieles für selbstverständlich, das nicht selbstverständlich ist. 80 Jahre zu werden ist sicher kein Verdienst, aber doch Anlass zur Freude, zur gelassenen Heiterkeit. Und so werden wir meinen Geburtstag auch heiter in Wien feiern - wo alles für mich begonnen hat vor mehr als 60 Jahren.

teleschau: Dort heirateten Sie 1966 auch Ihren Mann - noch ein kleines Jubiläum in diesem Jahr. Gibt es aus Ihrer Sicht ein wesentliches Geheimnis für Ihre lange Ehe?

Berger: Wir feiern unseren 55. Hochzeitstag und glauben es selber nicht. Wie schnell die Jahre vergangen sind. Wir waren beide so jung, wie wir uns getraut haben, zusammenzuleben und sogar zu heiraten, was in den 60-ern durchaus nicht üblich war. Wir haben uns zusammen entwickelt und nicht auseinanderentwickelt, wir sind zusammen erwachsen geworden und nun sogar alt. Was für ein Abenteuer! Eines der größten überhaupt. - Erklären kann ich gar nichts und versuche es auch nicht. Liebe geschieht. Da kann man keinen Plan machen oder eine Taktik anwenden. "1000 Paare - 1000 Rezepte", sagte meine Mutter immer.

teleschau: Gibt es etwas in Ihrem Leben, das Sie bereuen?

Berger: Es gibt eine ganze Menge von Versäumnissen, die nicht wieder gutzumachen sind. Damit muss ich leben.

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"Wir sind kein großes Kinoland"

teleschau: Nach dem Ende von "Unter Verdacht" deuteten Sie in einem Interview an, sich langsam aus dem Schauspielerberuf lösen zu wollen. Nun haben Sie wieder verschiedene Formate gedreht. Ist der Ruhestand für Sie kein Thema mehr?

Berger: Es gibt ja dieses schöne Wort vom "Unruhestand". Das trifft es ganz gut. Ich ziehe mich langsam aus dem Beruf zurück, der Beruf zieht sich langsam von mir zurück. Das ist doch ganz normal - vor allem in meinem Alter. Ich habe mit 17 Jahren am Theater angefangen. Dennoch werde ich weiter in meinem Beruf arbeiten, wenn es etwas ist, was ich herausfordernd und vergnüglich finde.

teleschau: Viel wurde in den letzten Jahren darüber diskutiert, weshalb Frauen ab einem bestimmten Alter kaum noch relevante Rollen in Deutschland bekommen. Ändert sich da aktuell etwas?

Berger: Na ja, wir sind kein großes Kinoland. In den USA kann Judi Dench noch ab und zu gute Rollen bekommen oder Diane Keaton oder Glenn Close. Meryl Streep, die geliebte, ist natürlich die große Ausnahme - immer und überall und immer zu Recht. Für sie werden Rollen geschrieben. Im Kino gibt es das kaum oder sehr selten in Deutschland, ja, in Europa. Das Fernsehen nimmt eher die Gegenwart auf und je mehr sich unsere Gesellschaft und die Positionen der Frauen verändert, desto größer ist die Möglichkeit, dass dementsprechend gute Rollen für ältere Frauen erzählt werden.

teleschau: Eine solche Rolle ist ihr Part im Drama "Martha und Tommy". Was bewog Sie in erster Linie mitzuspielen?

Berger: Ich entscheide mich immer für die Geschichte, wie sie erzählt wird und ob ich sie glaubwürdig miterzählen kann. Martha ist nur auf den ersten Blick eine mitfühlende und zupackende Frau für ihre ganze Nachbarschaft. Sie verbirgt ihre Traurigkeit, ihre Angst vor dem Leben. Das hat mich interessiert, zu zeigen.

teleschau: Im Film gibt es eine bewegende Szene, in der Tommy ein Klavier zerschlägt, während Martha verzweifelt schreit. Wie versetzen Sie sich dafür in den nötigen Gemütszustand?

Berger: Diese Szene ist gewalttätig. Es tut weh, das Holz des Klaviers splittern zu hören, diese Zerstörung ist schrecklich. Ich musste mich nicht besonders auf diese Szene vorbereiten. Man spielt immer die Situation, zumindest sollte man das. Und wenn man neben einem zusammengeschlagenen Klavier steht, ist es einfach nur zum Schreien, zum Verzweifeln. Eigentlich schlägt Tommy Martha und das weiß sie.

teleschau: Wenn Sie mit jungen Kolleginnen und Kollegen wie Jonathan Berlin zusammenarbeiten - erteilen Sie dann gern Ratschläge oder werden danach gefragt?

Berger: Gefragt ja, aber ich kann kaum Ratschläge geben. Mein Beruf, das Umfeld, die ganze Branche hat sich völlig verändert. Von den jungen Schauspielern wird heute viel mehr verlangt und sie stellen sich dieser Situation.

teleschau: Was ist im Vergleich zu Ihren Anfängen anders?

Berger: Für mich war das Theater noch sehr wichtig. Ich bin immer wieder zum Theater zurückgekehrt, um meine Sprache zu üben und auch meine Körpersprache. Theater gibt es nicht mehr in dieser Form. Aber die meisten jungen Schauspieler, mit denen ich zusammengespielt habe, sind sehr gut vorbereitet und arbeiten sehr konzentriert - sie brauchen meine Ratschläge nicht.

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