Andreas Schmidt-Schaller im Interview

"Ich bin recht begabt im Faulsein"

22.08.2021 von SWYRL/Eric Leimann

Andreas Schmidt-Schaller startete 2001 als Leiter der "SOKO Leipzig", einem der erfolgreichsten Kriminalerteams des deutschen Fernsehens. Mittlerweile ist der 75-Jährige nur noch als Gast in der ein oder anderen Folge dabei. Ein Gespräch über Schauspieler, die in Rente gehen.

In der DDR galt er als "Schimanski des Ostens". Als unkonventioneller"Polizeiruf 110"-Ermittler Thomas Grawe spielte sich Theaterschauspieler Andreas Schmidt-Schaller (75) zunächst zu einem der größten Film- und Fernsehstars der DDR und dann zum gesamtdeutschen Krimi-Sympathieträger auf. Ab 2001 verkörperte der gebürtige Thüringer den Leipziger Ermittler Hajo Trautzschke im ZDF-Erfolgsformat "SOKO Leipzig". 2004 wurde die Serie wegen sensationell starker Quoten vom Vor- in den Hauptabend befördert. Nun feiert der Leipzig-Krimi, dessen letzte Staffel im Schnitt 5,2 Millionen Menschen sahen, sein 20-Jahre-Jubiläum. Andreas Schmidt-Schaller, mittlerweile in Serien-Rente, ist nur noch ab und zu mit von der Partie. In der 22. Staffel von "SOKO Leipzig" (17 neue Folgen ab Freitag, 27. August, 21.15 Uhr) ist er lediglich in Episode 3 "Auftrag für Hajo" am 10. September zu sehen. Andreas Schmidt Schaller wollte das so. Denn auch ein Schauspieler, findet er, muss nicht ewig arbeiten.

teleschau: Sie spielen in der neuen "SOKO Leipzig"-Staffel nur noch in einer Folge mit. Das klingt ein bisschen nach einem baldigen endgültigen Abschied ...

Andreas Schmidt-Schaller: Na ja, ich werde 76 Jahre alt. Da wäre es doch ziemlich komisch, wenn ich noch regelmäßig als Polizist arbeiten und Gangstern hinterherrennen würde. Mein Alter passt einfach nicht mehr zu den meisten Geschichten, die in der SOKO erzählt werden. Insofern lasse ich es mittlerweile ruhiger angehen. Aber es gibt keine Vereinbarung, wie lange und bei wie vielen Folgen ich noch bei "SOKO Leipzig" dabei sein werde.

teleschau: Möchten Sie sich ganz bewusst aus dem regelmäßigen Arbeiten als Schauspieler zurückziehen?

Schmidt-Schaller: Das entscheide ich je nach Lust und Laune. Aber bei der SOKO steht schon eine Vereinbarung dahinter, dass ich nicht mehr regelmäßig dabei bin. Dass ich nicht mehr Teil des Casts bin, war damals mein Vorschlag. Wenn ich in einer Folge - wie in dieser Staffel - mal eine größere Rolle übernehme, natürlich als Hajo Trautzschke, dann bin ich ganz klar Gast.

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"Ich brauche keine Geschwindigkeit mehr in meinem Leben"

teleschau: Haben Sie Pläne, wie Sie die frei gewordene Zeit mit anderen Projekten füllen?

Schmidt-Schaller: Nein, um Gottes Willen. Schauen Sie sich mein Alter an. Es hat doch nichts mit der Realität zu tun, wenn ich in Filmen die tollsten Sachen mache, während meine Altersgenossen im echten Leben schon seit zehn Jahren oder so ihren Ruhestand genießen (lacht).

teleschau: Wie genießen Sie denn Ihren Ruhestand?

Schmidt-Schaller: Indem ich viel auf der Terrasse sitze und den Vögeln zuhöre. Eben sehe ich gerade, wie ein Schmetterling an meiner Nase vorbeifliegt. Ich brauche keine Geschwindigkeit mehr in meinem Leben. Mir reicht die Beobachterrolle. Wenn ich ab und zu ein bisschen arbeite, wie zum Beispiel im "Erzgebirgskrimi", dann reicht mir das.

teleschau: Neulich haben Sie im neuen "Polizeiruf 110" aus Halle mit Peter Kurth und Peter Schneider noch mal Ihre legendäre Rolle als Ermittler Thomas Grawe ausgepackt ...

Schmidt-Schaller: Man hat mich gefragt, ob ich das machen möchte. Da habe ich natürlich nicht nein gesagt. Die Rolle hat mich viele Jahre lang begleitet. Es ist schön, ab und an zu alten Charakteren zurückzukehren, mit denen man viel Zeit im Leben verbracht hat. Natürlich muss die Geschichte passen. Im neuen "Polizeiruf" bin ich ein Großvater, bei dem die Enkel zu Besuch sind. So kann sich die alte Figur in einer völlig anderen Situation zeigen. Das passt und macht Spaß zu spielen.

teleschau: Planen Sie denn überhaupt noch so etwas wie eine berufliche Zukunft oder machen Sie nur noch etwas, wenn man Sie aktiv bittet?

Schmidt-Schaller: Beim "Erzgebirgskrimi" gibt es eine Vereinbarung, dass ich dabei bin, wenn eine neue Folge entsteht. Ansonsten habe ich keinerlei Verpflichtungen. Das ist, wie gesagt, ganz in meinem Sinne.

"Bei uns hat sich eine Kultur des Hasses breitgemacht ..."

teleschau: Aber Sie können ja nicht immer im Garten sitzen und den Schmetterlingen zusehen. Das geht ja allein vom Wetter her nicht. Was tun Sie den Tag über, wenn keins der eher raren Filmprojekte ansteht?

Schmidt-Schaller: Ich bin kein Mensch, der immer etwas tun muss. Ich bin recht begabt im Faulsein. Außerdem denke ich viel über das Leben nach.

teleschau: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrem Leben, wenn Sie darüber nachdenken?

Schmidt-Schaller: Mit meinem Leben bin ich einigermaßen zufrieden, mit dem Zustand der Welt weniger. Eigentlich weiß man gar nicht mehr, was man noch dazu sagen soll ...

teleschau: Was frustriert Sie besonders?

Schmidt-Schaller: Mich frustrieren die Haltungen vieler Menschen, vor allem vieler Politiker. Wie man mit Frau Baerbock umgeht, finde ich unredlich - weil jeder, der eine Arbeit schreibt, natürlich auch Sachen verwendet, die aus anderen Quellen stammen. Das habe selbst ich gemacht, denn ich habe auch mal eine Diplomarbeit an der Hochschule geschrieben. Nur hat sich bei mir niemand darüber aufgeregt. Wer heutzutage Reformen und Veränderungen in diesem Land schaffen will, die ich für absolut notwendig halte, wird erst einmal demontiert, indem man kleine Fehler im Lebenslauf oder früheren Arbeiten anprangert. Ich weiß nicht, ob wir da die richtige Priorität haben ...

teleschau: Ist das nicht normaler Wahlkampf, wenn Mitbewerber versuchen, die Schwächen der Konkurrenten oder der Konkurrentin aufzudecken?

Schmidt-Schaller: Es mag zum Wahlkampf gehören, aber deshalb muss es mir nicht gefallen. Ich finde, dass die Respektlosigkeit der Menschen im Umgang miteinander deutlich zugenommen hat. Jeder ist sofort auf der Zinne, wenn der andere nicht die gleiche Meinung vertritt. Bei uns hat sich eine Kultur des Hasses breitgemacht, die dem Menschen nicht besonders gut zu Gesicht steht. Ich finde das richtig furchtbar.

"Bei mir ist es so, dass ich selten Angst habe"

teleschau: Wie haben Sie die harten Lockdown-Phasen der Pandemie überstanden?

Schmidt-Schaller: Für mich hat sich während der Lockdown-Zeiten nicht viel geändert. Weil ich eigentlich immer recht zurückgezogen lebe. Nur einmal war ich während des Lockdowns in einer Kur, da musste ich jeden Tag von früh bis spät die Maske tragen. Das fand ich anstrengend, aber es ist natürlich nachvollziehbar gewesen. Ich lernte in dieser Zeit, was Menschen leisten, die den ganzen Tag während ihrer Arbeit - teils körperlich anstrengender Arbeit - eine Maske tragen müssen, weil sie viel mit fremden Menschen zusammenkommen. Leute in diesen Jobs haben meinen höchsten Respekt.

teleschau: Hatten Sie Angst vor einer Covid-Ansteckung?

Schmidt-Schaller: Nein, überhaupt nicht. Ich vertraue darauf, dass das Schicksal die Dinge so entscheidet, wie sie richtig für mich sind. Ich weiß auch nicht, warum ich so denke und fühle. Angst zu haben oder nicht, ist keine rationale Entscheidung. Ich bin natürlich längst zweimal geimpft und hatte auch vor den Impfungen keine Angst. Es ist ohnehin unverantwortlich, was da für Ängste geschürt wurden. Ich glaube aber auch, Menschen sind auf die eine oder andere Weise gestrickt. Bei mir ist es so, dass ich selten Angst habe.

teleschau: Gab es dramatische Erkrankungen in Ihrem nahen Umfeld?

Schmidt-Schaller: Ja, die gab es. Ein Freund meines großen Sohnes ist an oder mit Corona gestorben. Er war schon krank, aber hat sich dann noch Corona eingefangen - was letztlich zu viel war. Es ging ihm ganz schlecht, er wurde beatmet, hat es aber nicht geschafft. Es ist traurig, so etwas im persönlichen Umfeld mitzumachen. Mir tun alle Menschen sehr leid, die ähnliche Dinge im direkten familiären Umfeld oder bei engen Freunden erleben müssen.

"Gelebter Respekt überträgt sich auf andere! "

teleschau: Sie haben vier erwachsene Kinder. Sind Sie sich während der ungeimpften Zeit aus dem Weg gegangen?

Schmidt-Schaller: Nein, das hätten wir nicht geschafft. Wir haben uns als Familie schon weiter gesehen. Deshalb war Vereinsamung auch kein Thema für mich - wie es bei vielen älteren Menschen der Fall war. Es ist natürlich eine Entscheidung, die Familienblase weiter aufrechtzuerhalten, wenn die Jüngeren meist mehr Kontakte haben, als man selbst. Aber ich denke, wir waren insgesamt vorsichtig. Natürlich braucht man auch einfach das Glück, sich nirgendwo anzustecken oder eben einen weniger schweren Verlauf zu haben.

teleschau: Lassen Sie uns noch mal über "SOKO Leipzig" sprechen. Die Serie feiert nach 20 Jahren nun Jubiläum. Woran liegt es, dass es sie schon so lange gibt und dass sie immer sehr erfolgreich war?

Schmidt-Schaller: Ich glaube, wir hatten immer ein tolles Team - in dem das Arbeiten Spaß gemacht hat. Das gilt insbesondere für die Leute hinter und abseits der Kamera. Ich glaube, dass sich eine gute Arbeitsatmosphäre immer aufs Produkt überträgt. Deshalb sind auch heute noch viele Leute dabei, die schon vor 20 Jahren Teil von "SOKO Leipzig" waren. Es ist einfach ein sehr respektvolles Miteinander dort. Da sind wir wieder beim Thema Respekt. Wir Menschen könnten für uns selbst und die anderen ein viel schöneres Leben bauen, wenn wir respektvoller miteinander umgehen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, warum wir das nicht im großen Stil probieren. Gelebter Respekt überträgt sich auf andere! Das sollten wir uns alle hinter die Ohren schreiben.

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