DHDL-Investor Ralf Dümmel im Interview

"Hätte niemals gedacht, dass ein Pitch sich in so viel Hass umwandeln kann"

04.09.2021 von SWYRL/Christopher Schmitt

Gut gebrüllt, Löwe: Seit 2016 investiert Ralf Dümmel in "Die Höhle der Löwen" in Startups, auch in der neuen Staffel ist der Norddeutsche wieder dabei. Ein Gespräch über die Reaktionen auf die "Pinky Gloves", den Status Quo der Gründer-Szene und die Balance zwischen Idealismus und Erfolg.

Seit 2014 hat sich nach und nach die Erkenntnis durchgesetzt: Wirtschaft im Fernsehen kann funktionieren. In jenem Jahr ging die Gründer-Show "Die Höhle der Löwen" erstmals in Deutschland auf Sendung, mittlerweile steht bereits die zehnte Staffel an (ab Montag, 6. September, 20.15 Uhr, VOX). Längst gilt DHDL als Erfolgsformat. Ralf Dümmel, Geschäftsführer der Handelsgesellschaft DS Produkte, ist seit 2016 als Investor mit von der Partie. Seitdem hat der 54-Jährige, der mit seiner Freundin Anna Heesch und drei Kindern in Hamburg lebt, in unzählige Startups investiert - einschließlich in die skandalträchtigen "Pinky Gloves". Im Interview spricht der Geschäftsmann aus Leidenschaft nicht nur über die Dohungen gegen die Gründer, sondern auch über schlaflose Nächte in Pandemie-Zeiten und wirtschaftliches Bewusstsein für Nachhaltigkeit.

teleschau: Herr Dümmel, wie sieht für Sie ein perfekter Pitch bei "Die Höhle der Löwen" aus?

Ralf Dümmel: Da mag jede und jeder eine andere Einstellung haben, was der perfekte Pitch ist. Für mich persönlich muss der Pitch als allererstes menschlich sein. Es geht nicht nur darum, ein Produkt zu entwickeln, zu verkaufen und damit Geld zu verdienen - auch wenn man natürlich Geld verdienen sollte -, sondern ich will ein Unternehmen zusammen mit dem Gründerteam gründen.

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"'Die Höhle der Löwen' ist keine Spendengala"

teleschau: Also muss die Chemie stimmen?

Dümmel: Ich habe in meinem Geschäftsleben gelernt: Richtig erfolgreich wird man gemeinsam nur, wenn es menschlich passt, man sich mag und zusammen Spaß hat. Wenn das Telefon klingelt und der oder die Business Partner:in nicht auf das Telefon guckt und sich denkt: "Oh, der schon wieder." Doch das alleine reicht am Ende nicht aus, denn das Produkt ist für den Erfolg auch entscheidend. Ein perfekter Pitch heißt also, dass man sein Produkt gut einschätzen muss, die Vorteile rüberbringen kann, aber auch den Wettbewerb im Blick hat. Es ist eine Kombination aus beidem. Arbeit ist hart, und es geht um Geld, aber es wäre auch schlimm, wenn Arbeit keinen Spaß machen würde.

teleschau: Kann Enthusiasmus und ein sympathischer Auftritt wirtschaftliche Expertise ausgleichen?

Dümmel: Das kann bei mir grundsätzlich passieren. Es gab schon mal einen Pitch, bei dem der Gründer das Alter meines Sohnes hatte - das war menschlich total süß. Da habe ich in der Sendung auch offen gesagt: "Wow, ich weiß überhaupt nicht, ob das ein Investment ist." Aber ich habe es einfach nicht übers Herz gebracht, den Jungen ohne Investment nach Hause zu schicken. Nichtsdestotrotz ist "Die Höhle der Löwen" am Ende keine Spendengala, es geht um "richtiges" Geld. Da muss man natürlich alle Bedingungen überprüfen. Aber wenn Gründer:innen zu uns in die Löwenhöhle kommen und sich vor Aufregung versprechen, liebe ich das und finde das normal, menschlich und einfach nur authentisch.

teleschau: Wie sieht aktuell der allgemeine Status Quo der Gründerszene aus?

Dümmel: Wir haben großen Nachholbedarf in Deutschland, aber wir sind auf einem guten Weg und haben uns in den letzten Jahren sehr weiterentwickelt. Denn auch die Großkonzerne geben Startups mehr Chancen und initiieren Startup-Programme. Vor zehn oder fünfzehn Jahren hatten diese Konzerne eher Hemmungen mit Startups überhaupt zusammenzuarbeiten. Da ist man heute viel offener und steht neuen Ideen aufgeschlossen gegenüber.

"Ich glaube, dass eine solche Krise bei vielen Menschen etwas auslöst"

teleschau: Welche neuen Hürden treten durch die Corona-Pandemie auf?

Dümmel: Hier ist das Menschliche das Schlimmste, denn wenn du sonst irgendeinen Fehler gemacht hast, kannst Du in den Spiegel gucken und sagen: "Da war ich zu blöd, das ist meine Schuld." Aber hier kannst Du alles richtig machen und die Pandemie macht dir trotzdem das ganze Geschäft kaputt. Das ist hart, damit muss man erst mal klarkommen. Die Startup-Szene leidet viel mehr, weil sie nicht die Sicherheit und das Fundament von etablierten Firmen hat. Dort sind die Bankkonten nicht voll, und Wachstum kostet Geld. Wenn dann so eine Krise kommt, laufen die Kosten weiter und die Einnahmen kommen nicht. Falls diese Schere zu groß wird, geht das nicht gut aus.

teleschau: Spielt die Pandemie-Situation auch bei DHDL eine Rolle?

Dümmel: Ja, in der Herbststaffel wird es einen der emotionalsten Pitches aller Zeiten bei "Die Höhle der Löwen" geben. Davor war der Gründer ein sehr lebensfroher Mensch, und wir haben während des Pitches zusammen gelacht. Plötzlich änderte sich die Situation, er schaltete um und meinte: "Es geht für mich um alles" - pure Gänsehaut. Doch letztlich ist es das, was Unternehmer:innen ausmacht: Dass man mal kurz traurig ist, dann analysiert und aber dann eben auch die Ärmel hochkrempelt, neue Ideen entwickelt, kämpft und nicht aufgibt.

teleschau: Hat die Pandemie vielleicht auch den Innovationsgeist angeregt?

Dümmel: Ja, total. Ich glaube, dass eine solche Krise bei vielen Menschen etwas auslöst. Es gibt da meiner Meinung nach nur zwei Möglichkeiten: Verzweifeln oder "Ich muss jetzt etwas machen." Ich denke, dass da Kräfte wachsen und man zum Teil auch gestärkt aus einer solchen Situation herausgehen kann. Auch, wenn es finanziell vielleicht etwas schwierig wird.

teleschau: Gab es Pleiten unter Ihren Investments?

Dümmel: Wir sind zum Glück verschont geblieben, inklusive unserer Investments. Aber ich würde auch lügen, wenn ich behaupten würde, wir wären alle davon nicht betroffen. Es gab schon den ein oder anderen Bereich, der damit zu kämpfen hatte. Wir mit der DS Unternehmensgruppe haben das Glück, dass wir auf Multi-Channel setzen. Auch bei uns hatten viele Filialen, unter anderem Warenhäuser, geschlossen, aber dafür sind Teleshopping und der Online-Bereich gewachsen. So konnten wir vieles ausgleichen. Darüber sind wir natürlich sehr glücklich.

"Für mich ist Arbeit kein Stress"

teleschau: Sie gelten als jemand, der gerne arbeitet. Mussten Sie in der Corona-Krise zurückstecken?

Dümmel: Ich hatte die Zeit zum "Abschalten" nicht wirklich, und die Frage stellte sich auch nicht. Wenn man ein Unternehmen führt und an vielen Investitionen beteiligt ist, ist das die Zeit, in der man am meisten arbeitet. Als es anfing, im März 2020, wusste niemand, was passiert oder wie es weitergehen wird. Bei uns im Unternehmen haben wir uns sofort gefragt: Wie kann ich Arbeitsplatz-sichernde Maßnahmen treffen? Wir haben auch zum Großteil Homeoffice gemacht, aber ich war jeden Tag im Büro. Zwar führe ich ein sehr gesundes Unternehmen, aber es gab auch Nächte, in denen ich nicht gut geschlafen habe.

teleschau: Hat Sie der Wirbel um die "Pinky Gloves" und die anschließenden Drohungen gegen die Gründer damals auch nicht schlafen lassen?

Ralf Dümmel: Puh! Ein sehr emotionales Thema. Ich hätte niemals gedacht, dass ein Pitch bei "Die Höhle die Löwen" sich in so viel Hass umwandeln kann. Weg von meiner Person - am meisten damit zu kämpfen hatte ich mit dem Hass, der im Netz verbreitet worden ist und sich an die beiden Gründer richtete. Denn beide mussten viel einstecken und haben Beleidigungen und Morddrohungen bekommen. Das Thema ging natürlich nicht an mir vorbei und hat mich sehr beschäftigt.

teleschau: Was ist denn sonst Ihr Ausgleich gegen den Arbeitsstress?

Dümmel: Für mich ist Arbeit kein Stress, auch wenn der ein oder andere denkt, dass ich das nur sage, weil es sich total gut anhört. Ich fahre seit über 33 Jahren gerne zur Arbeit. Selbst meine Lebensgefährtin sagt manchmal: "Hast Du wirklich Lust, du hast doch nur vier, fünf Stunden geschlafen?" Ja, ich habe Lust, denn ich liebe und lebe meinen Job. Am Wochenende bin ich ein ganz normaler Mensch, der gerne mal eine Serie guckt. Wenn die neuen Folgen "Haus des Geldes" kommen, werde ich auch eine Nacht weniger schlafen (lacht). Eigentlich sollte ich auch mehr Sport machen, aber dafür fehlt mir dann ein bisschen die Zeit ...

teleschau: Da würde sich doch die Wiederaufnahme Ihrer alten Schiedsrichter-Tätigkeit anbieten ...

Dümmel: Ja, ich habe mal höherklassig gepfiffen, aber das sollten lieber andere machen (lacht). Ein bisschen mehr an die frische Luft - Fahrrad fahren, laufen - habe ich mir auf die Fahnen geschrieben. Ich bin ja im schönen Hamburg zu Hause und um die Alster sind es 7,6 Kilometer. Letztens bin ich einfach zweimal rumgegangen. Dabei fühle ich mich wohl. Richtig gehört: Gegangen, nicht gelaufen. Nicht dass jetzt alle denken, ich werde zum Supersportler (lacht).

"Wenn etwas umweltverschmutzend ist, dann ist das nicht die Zukunft"

teleschau: Grüne Produkte spielen eine immer größere Rolle bei DHDL. Wird Nachhaltigkeit zum entscheidenden Faktor?

Dümmel: Ich glaube, dass es bereits ein großer Faktor ist und mittlerweile auch immer selbstverständlicher wird. Wenn jetzt jemand mit etwas in "Die Höhle der Löwen" kommt, das zwar toll, aber umweltverschmutzend ist, dann ist das nicht die Zukunft. So wie wir uns privat der Nachhaltigkeit widmen müssen, muss sich auch jede Firma dem Thema widmen. Es geht nicht einfach nur um Produkte, sondern auch darum, wie man sein Unternehmen CO2-neutraler aufstellt. Bei DHDL merken wir, dass das Thema Nachhaltigkeit angekommen ist. Dies sollte auch für den Alltag jedes Unternehmens gelten.

teleschau: In welchem Verhältnis steht diesbezüglich Idealismus zu unternehmerischem Erfolg?

Dümmel: Es muss einfach ein gesunder Mix sein. Einerseits müssen die Gründer:innen von ihrem Produkt überzeugt sein. An dem Spruch "Nur wer selbst brennt, kann Feuer in anderen entfachen" ist etwas Wahres dran. Doch es ist ein ganz schmaler Grat, zwischen überzeugt sein vom eigenen Produkt und die Bodenhaftung und Selbsteinschätzung nicht zu verlieren. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den ich auch immer meinen Gründer:innen mitgebe. Denn am Ende entscheidet nicht die Gründer:innen und auch nicht der Löwe, ob etwas gut oder erfolgreich wird, sondern es entscheiden 81 Millionen Menschen in Deutschland.

teleschau: Dieter Schwarz gilt als ihr Ziehvater. Wie wichtig sind Vorbilder im Unternehmertum?

Dümmel: Für mich war und ist Dieter Schwarz mehr als ein Vorbild. Für mich war er der Mentor, von dem ich alles gelernt habe, und jemand, der mich auf meiner Reise begleitet hat. Die ersten sechs Monate im Unternehmen durfte ich wirklich nichts alleine machen, sondern habe ich nur begleitetet und beobachtet. Ich kann nur sagen: Kein Mensch allein ist der Schlauste. Als junger Mensch wollte ich die Bedeutung von Erfahrung nie wahrhaben, da dachte ich immer: "Es gibt nicht Jung und Alt, sondern nur gut oder schlecht." Aber nicht nur die Gründerinnen und Gründer lernen von mir, sondern ich lerne auch ganz viel von ihnen. Das ist keine Einbahnstraße.

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