Heute stirbt hier Kainer - Mi. 21.04. - ARD: 20.30 Uhr

Letzte Reise eines Machos

16.04.2021 von SWYRL/Hans Czerny

Martin Wuttke spielt Ulrich Kainer in dieser Kinosatire. Kainer, mit "ai", will seine Ruhe haben. Er hat die Diagnose "Unheilbar krank" erhalten und will jetzt einfach sterben, wo es still ist - auf dem Land. Doch der Urlaub dort ist, wie er sagt, "auch nicht mehr das, was er mal war".

"Jeder Mensch hat eine Geschichte. Wenn sie lang genug ist, endet sie mit dem Tod", sagt Ulrich Kainer. Kainer, mit "ai", weiß, wovon er redet. Schließlich hat er vom Arzt nach einem MRT-Termin die Diagnose "Unheilbar krank" erhalten. Jetzt will er nur noch in Ruhe sterben, am liebsten auf dem Land. Seine Kindheit hat er in einem Dorf verbracht, gleich beim Fischteich, der dann überflutet wurde. Martin Wuttke, der diesen todgeweihten Zyniker gefasst und trocken wie der Held aus einem Italo-Western spielt, kauft sich im Billardsalon einen Revolver und eine einzige Kugel dazu - mehr braucht er nicht zum Sterben. Aber auf dem Dorf findet er keineswegs die ersehnte Ruhe. Ganz im Gegenteil: Kainer gerät mitten hinein in die Zwistigkeiten der Dorfbewohner. Mit einer einzigen Kugel kommt man da nicht weit. Ein TV-Film (HR) wie eine selbsgemachte Supernova: Aus der milden Poesie eines sterbenden Philosophen entwickeln die Autoren Maria Anna Westholzer (Regie) und Michael Proehl eine pralle Chaoskomödie.

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Förster Graber hätte eine Kugel übrig

"Ruhe, einfach nur Ruhe" will der todgeweihte Poet und Philosoph Ulrich Kainer. Es zieht ihn hinaus aus der Stadt aufs Dorf. Es soll so eins sein, wie es das seiner Kindheit war, mit gackernden Hühnern und Kühen und einem Teich hinterm Bauernhof, der dann allerdings überflutet wurde vom Wasserspeicher. Immerhin bekamen die Fische so eine wärmende Decke, die Mutter hatte es ihm als Kind so erzählt. Kainer ist ein lieber Mensch, er könnte ein jüngerer Bruder des Brechtschen Herrn Keuner sein, dem einmal nach und nach das Wasser bis zum Hals stieg und der sich zuletzt in seiner Not einen Kahn wünschte, bis er merkte: Er selbst war ein Kahn.

So märchenhaft endet die Geschichte vom Herrn Kainer leider nicht. Dabei beginnt sie so schön am Bahndamm, wo Kainer, der Todkranke, der immer in Ohnmacht fällt und dann vom Kindheitssee zu träumen beginnt, von einem Landstreicher geweckt wird. Der will kein Geld für die gute Tat, weil er "gerade Mittagspause" hat. Schon im Triebwagen nach Nirgendwo geht es dann rund: Skinheads bedrängen einen Schwarzen, eine junge Frau weint und Kainer bietet ihr sein Taschentuch an.

Dieser Liebesdienst hat schwere Folgen: Anna (Britta Hammelstein), eine von ihrem Mann verlassene Bäuerin, verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Kainer kann alles, wird sie bald anerkennen: in der Kneipe mit den Einheimischen Darts mit gefährlichen Messern werfen und Liebe machen, dass es nur so kracht. Kainer war in Thailand mal Akrobat. In einem Koffer führt er Comicbände mit sich, obwohl er ja sagt, er sei ein "Reisender ohne Gepäck". "Der Onkel könnte dir ein Buch empfehlen", sagt Anna zu ihrem kleinen Sohn, und der antwortet rührend: "Das wäre schön!"

An solchen Stellen darf man lachen. Und auch die Geschichte, in der Annas Sohn mit Kainers Pistole hantiert und aus Versehen einem Hahn durchs splitternde Fenster den Kopf abschließt (weshalb es im Abspann heißt: "Tiere kamen nicht zu Schaden"), hat er erzählerisches Format. Schon zuvor wurde Kainer, der Mann mit dem Mafioso-Look vom italienischen Dorfwirt bedrängt, sich dem alles beherrschenden Bürgermeister und seinem Handlanger zu widersetzen.

Es ist der Zeitpunkt, an dem die poetische Todesreise - Erinnerungen an "Knockin' On Heaven's Door" werden wach - hineinschliddert in eine ausufernde Kriminal- und Westernparodie. Selbst gegen eine tumbe Wehrsportgruppe wird so halbhumoristisch ausgeteilt. Da verliert der Film seinen Faden. Über alles erhaben ist aber die spontane Liebe zwischen Kainer und Anna. Britta Hammelstein ist Martin Wuttke eine ebenbürtige Partnerin. Verständlich, dass sie ihrem angehimmelten Helden bei der Ankunft eines fiesen Stadtdetektivs ein spontanes Beischlaf-Alibi gibt. Sie ist die Einzige, die sein morsches Macho-Gehabe begreift.

Bleibt für den, der's wirklich wissen will, die Frage offen: Stirbt Kainer? Oder stirbt wenigstens "keiner"? Beides muss abschlägig beschieden werden. Dabei hatte sich doch sogar der Förster Graber (Christian Redl, der Kommissar aus dem "Spreewald-Krimi") so freundlich angeboten für einen Gnadenschuss. Schon mehrfach hatte er mit seinem Fadenkreuz vorm Bild durchs Unterholz gelugt.

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