27.09.2024 von SWYRL/Eric Leimann
Endlich wird Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen, der 1989 durch ein Attentat starb, ein eigener Spielfilm gewidmet. Vor 23 Jahren wurde der damalige Chef der "Deutschland AG" bereits in der Doku "Black Box BRD" analysiert. Oliver Masucci brilliert nun als streitbar brillanter Kopf in rauschhafter Zeit.
"Das haben wir noch nie gemacht", werfen Kollegen Deutsche Bank-Chef Alfred Herrhausen (Oliver Masucci) im ARD-Zweiteiler "Herrhausen - Der Herr des Geldes" gleich an mehreren Stellen des Biopics vor. Nur, um von Herrhausen zu hören: "Was eine präzise Umschreibung für neu ist!" - Um druckreife Zitate war der am 30. November 1989 bei einem Bombenattentat auf dem Weg zur Arbeit ums Leben gekommene Vorstandssprecher der Deutschen Bank nie verlegen. Der brillante Denker und Redner, so schätzten ihn selbst seine schärfsten Gegner ein, bekommt im Film von Pia Strietmann ("Tatort: Unklare Lage") einiges an Raum für tatsächlich Gesagtes. Da folgen Zitate wie "Die meisten Fehler machen Unternehmen, wenn es ihnen gutgeht, nicht wenn es schlecht geht." 23 Jahre nach Andres Veiels vielfach ausgezeichnetem Dokumentarfilm "Black Box BRD" versucht nun erstmals ein fiktionales Werk, Leben und Werk des Star-Bankers und engem Freund des damaligen Wendekanzlers Helmut Kohl (mit feinem Sprach-Imitat: Sascha Nathan) zu erklären.
Teil zwei von "Herrhausen - Der Herr des Geldes" sendet das Erste - fast schon symbolisch - am 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, um 21.45 Uhr. Als vierteilige Miniserie ist das Werk bereits ab 30. September in der ARD Mediathek zu sehen. Auch die halbstündige Doku "Herrhausen - Die Macht des Bankers", linear läuft sie am 3. Oktober, um 23.25 Uhr, findet sich dort.
Top-Autor Thomas Wendrich ("Lieber Thomas"), der in der DDR geboren wurde, verdichtet in seinem erzählerisch durchaus ambitionierten Film die beiden letzten Lebensjahre Herrhausens. Geprägt werden sie von seinem Vorschlag, der Dritten Welt ihre Schulden zu erlassen - was vor allem in der US-Finanzwelt schlecht ankam -, von der Erosion des Ostblocks und Gorbatschows Glasnost-Politik, deren Chancen Herrhausen als einer der Ersten auch wirtschaftlich erkannte. Dazu kam Herrhausens visionärer Plan, die Deutsche Bank vom konservativen Geldsparinstitut und Überbau der "Deutschland AG", wie man das durch Beteiligungen und Aufsichtsrat-Hopping verbandelte Konglomerat aus Deutsche Bank, Allianz, Daimler-Benz, Siemens und anderen nationalen Big Playern nannte, in eine global bedeutsame Investment-Bank zu verwandeln.
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Biopic mit Verschwörungstheorien?
Natürlich kommt Wendrich neben der Beschreibung des politisch-wirtschaftlichen Wirkens Herrhausens, der immer wieder gegen seinen konservativen Vorstand im Frankfurter Bankenturm taktieren und kämpfen muss, auch um eine Erzählung des Attentats nicht herum. Es ereignete sich nur drei Wochen nach der Maueröffnung und war per Lichtschranke und höchst raffiniert konstruierter Bombe komplex angelegt. Der bis heute unaufgeklärte Mord, für den die RAF zwar die Verantwortung übernahm, deren ausführende Täter aber nie gefunden wurden, bietet bis heute Spielraum für zahlreiche Verschwörungstheorien, an denen vielleicht doch ein wenig mehr dran ist, als man es bei dem Begriff gemeinhin unterstellt. Wendrich lässt in seinem Drehbuch RAF und Volksfront für die Befreiung Palästinas, die Stasi, den amerikanischen Geheimdienst und sogar den deutschen Verfassungsschutz munter im potenziellen Täter-Fünfeck hüpfen.
Es bleibt ein wenig nebulös und unklar, wer wirklich - außer RAF und Palästinensern - vom Attentat wusste. Wendrich macht Andeutungen, warum der eitel-arrogant wirkende Herrhausen, gleichwohl ein Mann mit gesellschaftlichem Verantwortungsgefühl, vielen Mächtigen der Welt ein Dorn im Auge war. Herrhausen wird als Macher gezeigt, der schneller als andere die Veränderung will: ökonomisch, aber auch politisch. Seine Feinde sind all jene, die den Status quo erhalten wollen. In den miefigen Spätachtzigern sind das im Film dann doch die meisten des vorgeführten Personenkarussells.
Dass man Banker-Rockstar Alfred Herrhausen mit Schauspielrockstar Oliver Masucci besetzt hat, tut dem Charisma des Films ausgesprochen gut. Masucci spielte schon Adolf Hitler ("Er ist wieder da"), Rainer Werner Fassbinder ("Enfant Terrible") und einen bekannten Hamburger Serienmörder ("German Crime Story: Gefesselt"). Der 55-Jährige, der vielleicht der größte Charismatiker unter den reiferen deutschen Schauspielern ist, ist nun auch als Herrhausen herausragend gut.
Ein Zeitenporträt der Jahre 1987 bis 1989
Viele weitere bekannte Darsteller sieht man in "Herrhausen - Der Herr des Geldes" in kleineren, oft historisch verbürgten Rollen: Julia Koschitz gibt Herrhausens Frau Traudl, Ursula Strauss dessen Sekretärin Frau Pinckert, David Schütter spielt seinen Assistenten, und im Deutsche Bank-Vorstand gehen unter anderem Mimen wie August Zirner (Christians), Thomas Loibl (von Grofen), Shenja Lacher (Kopper) und Bettina Stucky (Schneider-Lenné) in den Herrhausen-Infight.
Getragen wird dieser manchmal geradezu rauschhaft bebilderte (Kamera: Florian Emmerich) Fiebertraum eines Starbanker-Lebens in politisch historischen Zeiten von einem angenehm subtil ausgewählten, wenn auch wuchtig eingesetzten Soundtrack der 80-er: von den Talking Heads ("Road To Nowhere") bis zu Klaus Nomis berühmtem "The Cold Song" passt alles wunderbar zusammen und verdichtet sich zum mitreißenden und nach deutschen TV-Standards erfreulich modern inszenierten Zeitenporträt der Jahre 1987 bis 1989.