ARD-Talkshow

Psychologe warnt bei "Hart aber fair": "Werden in vier Wochen ganz anderes Problem haben"

27.04.2021 von SWYRL/Elisa Eberle

Im Kampf gegen das Corona-Virus ist die Schutzimpfung derzeit der einzig sichere Weg. Doch wie schafft man es, die Bevölkerung so schnell wie möglich durchzuimpfen - und dass ausreichend Menschen dem Vakzin vertrauen? Darüber diskutierte Frank Plasberg bei "Hart aber fair" mit seinen Gästen.

Es gibt einen ersten Lichtblick in der gefühlt unendlich dunklen Zeit der Corona-Pandemie: Spätestens im Juni, versprach Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Impfgipfel am Montag, solle die Impfpriorisierung in Deutschland aufgehoben werden. Damit könnten dann auch jüngere, gesunde Menschen eine Dosis erhalten. Doch was muss passieren, damit auch genügend Menschen ihren Impftermin überhaupt in Anspruch nehmen? Diese und weitere Fragen diskutierte Frank Plasberg am Montag in seiner ARD-Talkshow "Hart aber fair" mit dem Immunologen Carsten Watzl, der Ärztin Anke Richter-Scheer, dem Psychologen Stephan Grünewald, der Berliner Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, dem FDP-Politiker Johannes Vogel und der aus Israel zugeschalteten ARD-Studiochefin Susanne Glass.

Es entwickelte sich ein Talk, der erstaunlich optimistisch geprägt war - wann hat man das im Zusammenhang mit dem Thema Corona bisher erlebt? - Doch Klartext wurde - in der "Hart aber fair"-typischen Verknappung - natürlich auch am Montagabend im Ersten gesprochen. Nach knapp 30 Minuten stellte Plasberg dem Psychologen Stephan Grünewald die entscheidende Frage: "Sehen Sie irgendeine Chance, die nachgewiesene Wirkung, speziell für Ältere, so ins Schaufenster zu stellen, dass dieser Impfstoff noch mal so ins Regal kommt, dass er neben Biontech bestehen kann?" Es sei schwierig, gestand der 60-Jährige, im Moment helfe natürlich gewissermaßen die Verknappung des Impfstoffs, man sei vor die Wahl gestellt: "Entweder nehme ich AstraZeneca oder muss zwei, drei Wochen warten." Langfristig sei dies aber problematisch, auch im Hinblick auf das große Ganze.

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Impfstoff als "Freifahrtschein"

"Wir haben ein paar Probleme", zählte Grünewald auf: "Es gibt vulnerable Gruppen, die müssen wir schützen. Wir haben das Gerechtigkeitsproblem, das probieren wir über die Priorisierung. Aber, so fuhr er fort, "wir werden in vier Wochen ein ganz anderes Problem haben: Dann ist genug Impfstoff da und dann wird sich zeigen, dass 20, vielleicht 25 Prozent der Bevölkerung gar nicht die Absicht haben, skeptisch sind, sich impfen zu lassen". Für die angestrebte Herdenimmunität, die erst bei "weit über 80 Prozent" erreicht sei, sei dies natürlich fatal. Wichtig sei deshalb der psychologische Blick auf die Frage: "Wie schaffen wir eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung?"

Psychologisch unterscheide man drei Typen, erklärte der Experte: Manche Menschen seien sehr besorgt um ihre Gesundheit. "Die gehen auch ins Impfzentrum, aber fühlen sich da nicht so wohl." Noch problematischer sei der Teil der Bevölkerung mit einer "Unverwundbarkeitsdenke": Menschen, die glaubten, sie können dem Virus auch ohne Impfung widerstehen, könne man womöglich über die Bilder aus Israel gewinnen, welche den Impfstoff als "Freifahrtschein in ein lebendiges Leben, in die Gastronomie, in die Reisemöglichkeit" propagieren, so der Psychologe. Am problematischsten seien, seiner Einschätzung nach, aber die "Impfskeptiker": "Die haben das Gefühl, da dringt so ein fremder Stoff in mich rein, und der macht mit mir irgendwas - das ist mir nicht geheuer."

Kalayci appelliert an Solidarität

Diese letzte Gruppe könne man nur über eine vernünftige Aufklärung gewinnen. Grünewald plädierte für eine moderatere Kommunikation "auf Augenhöhe" ohne die Inszenierung eines "schmerzhaften Eindringens", wie es oft in den Medien gezeigt werde.

Die aus Berlin zugeschaltete Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) sah dies ähnlich: Sie forderte eine Argumentation in zweierlei Richtung: Auf der einen Seite stünde natürlich der "individuelle Schutz, der sicherlich bei jeder einzelnen Person auch im Vordergrund steht": "Wenn ich mich impfen lasse, schütze ich mich selbst, ich schütze andere Menschen, mit denen ich Kontakt habe." Viel wichtiger sei ihrer Meinung nach jedoch das zweite Argument: "Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto größer ist auch die Wahrscheinlichkeit der Herdenimmunität." Die Pandemiebewältigung, fuhr sie fort, funktioniere nur, wenn es einen "nennenswerten Anteil an geimpften Menschen" gebe. "Deswegen sollten wir viel stärker auch an diesen Solidaritätsteil appellieren", erklärte die 54-Jährige.

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Mit "Vollgas durchimpfen"

Doch wie hoch müsse dieser Prozentsatz mindestens sein, wollte Plasberg vom Immunologen Carsten Watzl wissen. Es sei im Moment schwer zu sagen, gestand dieser: In Israel hätten knapp 60 Prozent die erste Impfung erhalten. "Und selbst da gehen jetzt die Zahlen runter", erklärte er. Die Frage sei natürlich, ob die Zahlen im Herbst irgendwann wieder hochgingen.

Er persönlich gehe davon aus, dass man "irgendwo bei den 70 Prozent landen" müsse. "Das schaffen wir nur, wenn wir jetzt wirklich Vollgas durchimpfen und auch den Sommer durchimpfen. Das heißt die Leute dürfen auch im Sommer, wenn die Zahlen runtergehen, nicht denken: 'Jetzt ist ja alles vorbei, jetzt brauch ich mich nicht mehr impfen lassen, weil dann haben wir halt nächsten Herbst das schlimme Erwachen."

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