"Rabiat: Jugend für'n Arsch" - Mo. 18.10. - ARD: 22.50 Uhr

Jung, allein, depressiv: Jugendliche im Lockdown

16.10.2021 von SWYRL/Franziska Wenzlick

Mit der Corona-Krise rückten die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen oftmals in den Hintergrund. Eine erschütternde "Rabiat"-Reportage zeigt nun, wie verheerend die Folgen für viele junge Menschen wirklich sind.

"Als wir das erste Mal wieder in die Schule durften, war ich einfach wie ein Stein." Vor dem Lockdown sei er immer der Klassenclown gewesen, erzählt der 18-jährige Liam in der "Rabiat"-Reportage "Jugend für'n Arsch". Dass er seine letzten beiden Schuljahre nahezu ausschließlich zu Hause verbringen musste, hat den Abiturienten viel Kraft gekostet. Mittlerweile befindet sich Liam in therapeutischer Behandlung. Die Diagnose: Depression. Lange habe er sich nicht eingestehen wollen, dass es ihm nicht gut geht. "Ich habe über Monate meinen Mund gehalten, auch weil die Eltern von Freunden wegen Corona ins Krankenhaus mussten", erklärt Liam der "Rabiat"-Reporterin Alina Schulz. "Ich dachte mir: Was hast du gerade für ein Anrecht darauf, etwas zu sagen? Ich glaube, das ist das wirklich Gefährliche an der Sache."

Liam ist einer von vielen Jugendlichen, mit denen Alina Schulz im Sommer 2021 für ihren Film gesprochen hat. Sie alle mussten viel zurückstecken, seit sich am 13. März 2020 nach einer Kultusministerkonferenz alle Bundesländer dazu entschlossen hatten, den Präsenzunterricht einzustellen. Auch viele Studentinnen und Studenten - insbesondere all diejenigen, die gerade erst in den ersten Semestern stecken - beraubte die Corona-Pandemie eines großen Teils der wohl prägendsten Zeit im Leben eines jungen Menschen.

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"Die vergangenen anderthalb Jahre waren echt die schlimmste Zeit in meinem Leben"

Eine von ihnen ist Despina, die in Heidelberg Jura studiert. Die 19-Jährige hatte sich zu Beginn ihres Studiums bewusst für eine WG mit zehn Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern entschieden, um möglichst leicht neue Kontakte knüpfen zu können. Da die meisten Uni-Veranstaltungen jedoch ohnehin nur online stattfanden, verbrachte der Großteil ihrer Wohngemeinschaft die letzten Semester zu Hause bei den Eltern. Despina blieb meist allein in der WG - und verbrachte ihren Alltag in ihrem 13-Quadratmeter-Zimmer, wo sie ihre Vorlesungen per Laptop verfolgte.

"Die vergangenen anderthalb Jahre waren echt die schlimmste Zeit in meinem Leben", erzählt sie. Besonders traurig sei sie darüber, dass sie viele Momente schlichtweg nicht nachholen könne: "Manche Erfahrungen sind einfach verloren." Despina ist sich sicher: Die Pandemie hinterlässt Narben, auch und vor allem in ihrer Generation. "Dass wir nicht mehr wissen, wie wir mit einer großen Gruppe umgehen sollen oder dass wir nicht wissen, wie das ist, in einem vollen Hörsaal zu sitzen", so Despina, sitze bei vielen Menschen ihres Alters tief.

Unterricht per Smartphone

Wie verheerend die Folgen sozialer Isolation sein können, zeigt auch das Beispiel der 14-jährigen Kyra, die sich momentan auf der Psychosomatischen Station für Kinder und Jugendliche im Klinikum Nürnberg befindet. Während der Pandemie ist sie in die Magersucht gerutscht und musste sich nun bereits das zweite Mal in psychiatrischer Behandlung begeben. "Im Lockdown hat man auf einmal noch mehr am Handy gesessen und hat gesehen, wie die Leute auf Instagram aussehen und dachte sich: Vielleicht schaffe ich das auch in der Zeit", erzählt die Schülerin. "Durch Corona hat man viel Kontrolle verloren - und das war das einzige, wo man eben Kontrolle hatte."

Ob Kyra auch ohne die Pandemie eine Essstörung entwickelt hätte, lässt sich nicht sagen. Klar ist jedoch: Die Corona-Krise hat die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit psychischen Erkrankungen stark ansteigen lassen. "Wir erleben viele junge Leute, denen es sehr schlecht geht", sagt auch der Chefarzt der Bremer Klinik für Kinder-und Jugendpsychiatrie, Dr. Marc Dupont.

Auch Guiseppe, der in einem Kölner Brennpunkt lebt, hatte schwer mit den Maßnahmen zu kämpfen. Die Schule musste er abbrechen, er habe dem Unterricht von zu Hause aus einfach nicht mehr folgen können. Guiseppe, der mit seiner arbeitssuchenden Mutter zusammenlebt, musste per Smartphone an den Online-Stunden teilnehmen - einen Laptop besitzt er nicht. Als sein Handy den Geist aufgab, sprang das Jugendzentrum ein, das er bereits seit seinem sechsten Lebensjahr besucht, und besorgte dem 16-Jährigen ein Tablet. Nun holt er den Hauptschulabschluss nach - und hofft, nicht erneut auf den Präsenzunterricht verzichten zu müssen.

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