Tatort: Damian - So. 01.08. - ARD: 20.15 Uhr

Schlaflos im Schwarzwald

28.07.2021 von SWYRL/Jasmin Herzog

Düstere One-Man-Show: Ein Südtiroler machte den Schwarzwald-"Tatort: Damian" 2018 zum Ereignis. Da fiel es kaum auf, dass einer der Kommissare fehlte. Das Erste wiederholt den intensiven Krimi nun.

Seit Oktober 2017 ermitteln Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) im Schwarzwald-"Tatort". Bisher mit großem Erfolg: Das Duo ist beliebt, die oscarnominierte Regisseurin Julia von Heinz inszenierte 2019 die Episode "Für immer und dich" und auch die Quoten stimmen. Der letzte Fall "Was wir erben" lockte im April 9,86 Millionen Zuschauer und bescherte der ARD 28,7 Prozent Marktanteil. Selbst bei Filmfestivals sorgte die Reihe schon für Begeisterung: Der "Tatort: Damian", den das Erste nun wiederholt, feierte 2018 beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen Premiere, drei Monate bevor er im TV ausgestrahlt wurde. Doch fehlte im dritten Fall dem Ermittlerduo nicht eine Hälfte?

Kommissar Friedemann Berg, so wird gleich zu Beginn des "Tatorts" erklärt, habe sich beim Skifahren das Bein gebrochen. Tatsächlich hatte Schauspieler Wagner die Dreharbeiten zu "Damian" wegen einer Viruserkrankung abbrechen müssen - zum ersten Mal übrigens in der Geschichte des Sonntagskrimis. Und so musste Franziska Tobler (Eva Löbau) gleich im dritten Einsatz mit dem Ersatz-Kommissar Luka Weber (Carlo Ljubek) vorliebnehmen. Was nicht weiter störte. Denn einer stahl im Film von Stefan Schaller sowieso allen die Show: der Südtiroler Thomas Prenn.

Der junge Darsteller, der für seine Episodenhauptrolle 2019 den Studio Hamburg Nachwuchspreis und in diesem Jahr für seinen Part im Film "Hochwald" den Österreichischen Filmpreis erhielt, spielt in 90 intensiven Minuten einen hochgradig verstörten (und verstörenden) jungen Mann namens Damian Rombach. Damian wird von der Polizei verhört, nachdem er in Unterhose und T-Shirt durch einen Wald gelaufen war, ganz in der Nähe eines Tatorts. Eine Leiche wurde hier in einer abgebrannten Hütte entdeckt, unweit nur eines anderen Tatorts mit zwei Toten - eine Tennislehrer und seine Schülerin.

Mehrere Tage am Stück sind Tobler und Interimskommissar Weber dabei, beide Fälle in Zusammenhang zu bringen. Völlig übermüdet, ohne Schlaf, tingeln sie von Tatort zu Tatort, schleppen sich von Verhör zu Verhör. Zwischendrin nicken sie für ein paar Minuten gar ein. Was wie ein unwichtiges Detail erscheinen mag (oder eine nicht ganz abwegige Kritik an den Arbeitsbedingungen echter Ermittler) entpuppt sich in der allerletzten Minute des Films als so genialer wie schwer zu durchschauender Twist - ein Knall ohne Ankündigung, gewaltig zwar, aber so leise, dass man ihn kaum hört. Viel sei hier nicht verraten, nur so viel: Wahn und Wirklichkeit gehen in diesem "Tatort" Hand in Hand.

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Blick in menschliche Abgründe

Auch Damian kann nicht unterscheiden zwischen dem, was ist, und dem, was nur in seinem Kopf stattfindet. Immer weiter taucht das Drehbuch von Lars Hubrich und Stefan Schaller in die Psyche des jungen Studenten ein, der zunächst nur ein notorischer Lügner zu sein scheint; immer mehr aber werden seine schweren psychischen Probleme offenbar. Damian halluziniert, hört Stimmen, sieht Menschen, die es nicht gibt. Thomas Prenn spielt diesen komplexen Charakter mit einer Intensität, der man sich nicht entziehen kann - eine derartige Schauspielleistung darf man in deutschen Fernsehen selten miterleben.

Großes Kino auch Johann von Bülow als tatverdächiger Bauarbeiter Peter Trelkovsky. Trelkovsky hatte ein Auto gestohlen und in der Nähe des Fundorts des toten Tennislehrers und seiner Schülerin abgestellt. Auch er, wie der titelgebende Damian, ein seltsamer Charakter, der sich gerne in Damenwäsche kleidet und jede Woche um dieselbe Uhrzeit eine Gelegenheitsprostituierte besucht, deren Mann während des Vollzugs des Akts butterbrotessend vor der Tür des Einfamilienhauses wartet. Ein Kuriositätenkabinett, möchte man meinen - in diesem großartig inszenierten "Tatort" aber vielmehr ein Blick in menschliche Abgründe.

"Samstag ist Gartentag", sagt einer der Verdächtigen einmal zu den müden Kommissaren, die sich gegenseitig mit Koffeinbonbons vorm Wegdämmern bewahren. Abgründe mögen zwar auch im Reihenhaus lauern mit seinem penibel gepflegten Rasen, vor allem aber verstecken sie sich im Kopf, tief drinnen, wo man sie nicht vermutet. Beunruhigend ist beides.

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