Ein Schritt zum Abgrund (1-4) - Sa. 16.11. - ARD: 20.15 Uhr

So hat man Ehekrise noch nie gesehen

13.11.2024 von SWYRL/Eric Leimann

Die nun wiederholte ARD-Miniserie "Ein Schritt zum Abgrund" ist eine Adaption des BBC-Straßenfegers "Doctor Foster" und funktioniert auch als deutscher Ehe-Thriller auf ganzer Linie. In den Hauptrollen brillieren Petra Schmidt-Schaller und Florian Stetter. Alle vier Folgen sind am Stück zu sehen.

Der Ehebetrug gehört zum Grundinventar sowohl beim Krimi als auch im Beziehungsdrama. Trotzdem hat man eine der ältesten Geschichten der Welt wohl noch nie so gesehen wie in der grandiosen ARD-Miniserie "Ein Schritt zum Abgrund". Das Erste zeigt am Samstagabend alle vier je 45 Minuten langen Folgen am Stück. In der Mediathek sind sie schon jetzt abrufbar. Bei der Erstausstrahlung am 1. April 2023 schalteten 4,24 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer ein.

Erzählt wird die Geschichte des Ehepaares Jana (Petra Schmidt-Schaller) und Christian Hansen (Florian Stetter). Im pittoresken Husum führen sie eine kleinstädtische Muster-Existenz mit der elfjährigen Tochter Lotta (Tilda Wunderlich). Medizinerin Jana hat eine Hausarzt-Praxis, Christian möchte als Projektentwickler einem alten Hotel zu neuem Glanz verhelfen und verbringt ebenso viel Zeit auf der Baustelle wie Jana bei ihren Patienten. Trotzdem haben die beiden immer noch leidenschaftlichen Sex. Die Beziehung der Eheleute scheint intakt, man begegnet sich - anscheinend - mit Offenheit und Zuneigung. Doch als Jana ein langes blondes Haar auf Christians Schal findet,startet in ihrem Kopfkino eine Horrorfilm-Nacht in vier Teilen.

Sie fängt an, ihrem Mann hinterherzuspionieren, spannt andere Menschen in diesen Prozess ein und pendelt fortan zwischen den Rollen taffe Hausärztin und liebende Mutter, Spionin mit fragwürdigen Methoden und verletzte Frau, die will, dass in ihrer Beziehung und Liebe zu Christian alles in Ordnung ist und ihr altes Leben einfach bewahrt werden könnte. Das Spannende am grandiosen Psycho-Plot, der nach der BBC-Straßenfeger-Serie "Doctor Foster" entstand, ist seine Unvorhersehbarkeit. Ist Jana paranoid? Tut sie das, was sie da gerade tut, tatsächlich? Und was ist mit dem netten Christian - wirkt der nicht wie ein liebender Mustergatte und aufmerksamer Ehemann, der alle Vorwürfe zu entkräften scheint?

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Ein Ausnahme-Psychothriller

Jana beginnt, in ihrem Umfeld nachzuforschen, was andere über ihren Verdacht denken. Freunde wie Praxis-Partnerin Pari (Neda Rahmanian) oder ein ihnen nahestehendes Ehepaar (Tessa Mittelstaedt, Johann von Bülow) äußern unterschiedliche Theorien, wie es um Janas und Christians Beziehung steht.

So verunsichert wie Jana verfolgen auch Zuschauende diesen irren Trip vor beschaulich schöner Nordsee-Kulisse. Unter der Oberfläche offenbaren sich irritierende Abgründe, die man keinesfalls erwarten würde. Das Schöne an der Adaption des aus zwei Staffeln bestehenden Brit-Stoffes: Man weiß nie, wohin der Plot als Nächstes trägt, wer hier wirklich "verrückt" ist oder den Pfad jeglicher Beziehungslogik verlässt.

Tatsächlich bleibt die Spannung bis in die letzten wendungsreichen Minuten des Ausnahme-Psychothrillers (Buch: Britta Stöckle, Regie: Alexander Dierbach) erhalten. Dass zuvor der ein oder andere Twist der Geschichte bei Lichte betrachtet ein wenig überzogen scheint, wird durch das fantastische und facettenreiche Spiel von Hauptdarstellerin Petra Schmidt-Schaller und auch Florian Stetter locker wettgemacht. Schmidt-Schaller ist ohnehin eine der besten deutschen Schauspielerinnen ihrer Generation. Jeden Film oder jede Serie, in der sie spielt, hebt die 44-Jährige durch ihr Mitwirken noch mal auf ein anderes Level.

Löblich ist auch, dass das Erste sein - durchaus verstörendes - Psychokrimi-Juwel zur Primetime am Samstagabend sendet. Hier dürften die 180 Minuten Psychotrip vor "vertrauter" Nordseekulisse für den ein oder anderen verstörten Krimi-Einerlei-Fan sorgen. Gut so!

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