Styx - Mi. 27.01. - ARTE: 20.15 Uhr

Was würde ich tun?

21.01.2021 von SWYRL/Jasmin Herzog

Wolfgang Fischer schickt in seinem Flüchtlingsdrama "Styx" seine Protagonistin in ein kaum auszuhaltendes moralisches Dilemma.

Seit dem Jahr 2016, als die tragischen Zahlen mit über 5.000 Toten ihren Höhepunkt erreichten, ist die Anzahl der im Mittelmeer ertrunkenen Geflüchteten stetig gesunken. Doch das ist kein Grund für EU und Co, sich auf die Schulter zu klopfen. Jedes Leben zählt, und es spielen sich auf Hoher See noch immer unsagbare Dramen ab. Allein von Beginn des Jahres 2020 bis Mitte November verloren über 900 Menschen ihr Leben auf dem Seeweg. Dennoch wird der zivilen Seenotrettung weiterhin die Arbeit erschwert. Da kommt das fiktionale, aber beinahe wie ein Dokumentarfilm wirkende Drama "Styx" (2018) des Österreichers Wolfgang Fischer gerade recht. ARTE zeigt den mehrfach ausgezeichneten Film, der keinen kalt lässt, als Erstausstrahlung.

"Styx" lässt den Zuschauer in die Haut einer Hobbyseglerin schlüpfen, die sich plötzlich mit einem sinkenden Flüchtlingsboot konfrontiert sieht. Dadurch drängt sich beim Publikum unvermeidlich die beklemmende, zutiefst menschliche Frage auf: Was würde ich tun?

Dieser Frage segelt die ganz auf sich allein gestellte Notärztin Rike (beeindruckend: Susanne Wolff) in dem dialogarmen und von Kameramann Benedict Neuenfels atemberaubend eingefangenen Film entgegen. Fast meint man, die Einsamkeit und die Gischt auf der Haut zu spüren. Eigentlich wollte Rike eine Auszeit von ihrem anstrengenden Job nehmen, zu Beginn hat man sie bei einem Einsatz erlebt: Mit geübten Handgriffen kümmerte sie sich um die Verletzten, die das Glück hatten, in Europa geboren worden zu sein. Nun möchte die versierte Skipperin allein in ihrem kleinen Segelboot auf dem Südatlantik herumschippern. Ihr anspielungsreiches Ziel: Die von Darwin zu einem Garten Eden umgestaltete Insel Ascension.

Nach einem schweren Sturm entdeckt sie jedoch einen manövrierunfähigen Fischtrawler, überladen mit afrikanischen Flüchtlingen, die sich auf den Weg ins vermeintliche Paradies Europa gemacht haben. Ihre eigene, nur zwölf Meter lange Jacht würde sinken, wenn sie alle aufnehmen würde.

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Keine übertriebene Dramatik

Rike, die man auch bei dem Unwetter als bewundernswert umsichtige Frau kennengelernt hat, die sich zu helfen weiß, funkt also die Küstenwache an, fragt in der Nähe befindliche Schiffe um Hilfe. Doch ihr Funkspruch wird ausgesessen, zudem verbietet man ihr eigenmächtig zu handeln. Schließlich weiß man aus Erfahrung, dass sich "das Problem" irgendwann von selbst erledigt. Tanker dagegen haben erschreckenderweise von ihren Reedern die ausdrückliche und zutiefst inhumane Weisung, keine Flüchtlinge an Bord zu nehmen.

So wird das Stückchen Meer zwischen Rike und dem havarierten Boot zum Fluss "Styx" - bekannt aus der griechischen Mythologie - der die Welt der Lebenden vom Reich der Toten trennt. Die an ihren Hippokratischen Eid gebundene Rike kann nur immer wieder Funksprüche absetzen und ansonsten Zeugin dieses unmenschlichen Dramas werden, das sich auf dem Meer abspielt - und vor dem auch wir immer wieder unsere Augen verschließen.

Wolfgang Fischer verzichtet taktvoll auf jedwede künstliche, dramatische Zuspitzung, erst gegen Ende hören wir sehr reduzierte musikalische Töne aus der Titelmelodie "Styx", die Tocotronic-Sänger Dirk von Lotzow komponiert hat. Was würde ich tun? - diese Frage ist leider aktueller denn je.

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