30.11.2024 von SWYRL/Maximilian Haase
Was tun, wenn ein Stromausfall die Welt lahmlegt? Ein Familienvater wird in "Blackout bei den Wellmanns" zum Prepper, um seine Frau und Kinder auf den Ernstfall vorzubereiten. Ein Survival-Wochenende verläuft in der von ARTE und ZDF produzierten Komödie allerdings nicht ganz nach Plan ...
Was tun, wenn der Weltuntergang vor der Tür steht? Das kann man sich angesichts voranschreitender Klimakatastrophe und zahlloser Kriege schon mal fragen. Wer jedoch zu viel Zeit mit der Vorbereitung auf die nahende Apokalypse verbringt, gilt schnell als Sonderling. In den letzten Jahren hat sich ein Ausdruck für diesen Menschentypus etabliert: Prepper. Darunter auch jene, die nicht nur Gasmasken und Dosenravioli en masse horten, sondern im Ernstfall in einen mit allem Pipapo ausgebauten Bunker fliehen können. Oder die zumindest genug Skills und Ausrüstung besitzen, um sich längere Zeit in die Wildnis zurückzuziehen. Dokus, Zombie-Serien und große Filme wie "Leave the World behind" (Netflix) spielen gern mit dem Typus des gut vorbereiteten, einsamen Wolfs. Wie viel Humorpotenzial im Preppertum steckt, lotet nun die Dramedy "Blackout bei Wellmanns" aus. Der bei ARTE erstausgestrahlte und nun im ZDF wiederholte Film zeigt einen Familienvater, der seine Frau und Kinder bei einem Survivalwochenende aufs Schlimmste vorbereiten will.
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Wenn KI den Menschen ersetzt
Doch zunächst wird der überaus passend von Wotan Wilke Möhring gespielte Thomas Wellmann zum Opfer einer Stellenstreichung, die das nächste große Thema auf den Tisch knallt: Sein Job als Elektroingenieur soll von Künstlicher Intelligenz ausgeübt werden! Zack, nicht mehr gebraucht; mit Mitte 50 einfach ersetzt von jener Technologie, die in den letzten Monaten Gedankenspiele zu allerlei Utopien und noch mehr Dystopien veranlasste. Wie ironisch, dass es einen pflichtbewussten Arbeiter alter Schule trifft, der eindringlich davor warnte, alle Aufgaben von KI bewerkstelligen zu lassen.
"Finden Sie das nicht unheimlich, wenn ihr Kühlschrank plötzlich alleine bestellt?", fragt er seine Chefin zum Abschied noch. "Ich sehne mich nach diesem Tag", antwortet die. Prompt bahnt sich bei dem Familienoberhaupt eine existenzielle Krise an, die durch einen plötzlichen Stromausfall noch verschärft wird. Mit seiner Expertise kann er das Problem zwar lösen, ist aber fortan von der Aussicht auf weitere Blackouts aufgewühlt. "Da bestimmen irgendwelche Algorithmen, ob wir Strom kriegen oder nicht. Lächerlich!"
Ein Wochenende läuft aus dem Ruder
Obwohl seine Frau Eva (Jördis Triebel) ihm vorschlägt, seine freie Zeit zu genießen, zieht Thomas Konsequenzen aus dem kurzen Schockerlebnis: Für den neuerlichen Ernstfall beginnt er Lebensmittel und sonstige Vorräte zu horten. Als Vorbild und Lehrmeister dient ihm der eigentümliche Peter Leschke (Hannes Wegener), der als Idealtypus eines Preppers ins Drehbuch geschrieben wurde und natürlich einen echten Atombunker sein Eigen nennt. Ein Survivalwochenende mit dem Afghanistan-Veteranen soll die Familie aufs Schlimmste vorbereiten.
Während sich Eva um ihren Mann sorgt und Influencer-Tochter Paula (Daria Vivien Wolf) die Anwandlungen mit "durchgeknallter Prepper" und dem Hashtag #germanangst kommentiert, umtreiben die klimabewegte Tochter Jenny (Josefine Keller) radikalere Ideen: Mit ihren Aktivisten-Freunden löst sie dank Sabotage einen weiteren Stromausfall aus, der das Fass zum Überlaufen bringt. Das Überlebenstraining kann beginnen! Und natürlich läuft es nicht so, wie geplant.
"Ich glaube, dass dieser Fortschritt uns auslöscht, bevor die Umwelt kollabiert"
Regisseur Leo Khasin, bekannt für sein Gespür für relevante Themen ("Das Unwort"), navigiert geschickt durch seine Erzählung und zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die vielleicht zu selbstsicher in ihrer technologischen Unverwundbarkeit geworden ist. Bisweilen lässt er seine Figuren Dinge sagen wie: "Ich glaube, dass dieser Fortschritt uns auslöscht, bevor die Umwelt kollabiert" oder "Wir treten unseren Planeten mit Füßen und keinen interessiert's".
Dass man dem Film derlei Plakatives verzeiht, liegt vor allem an seinem Humor. Mit Augenzwinkern greift die Dramedy aus der Perspektive der Wellmanns gekonnt aktuelle Diskussionen auf, etwa die Energiekrise, die Bedeutung von Klimaschutz und die Rolle der KI in unserem Alltag. Thomas Wellmann verkörpert die Ambivalenz vieler Menschen gegenüber der fortschreitenden Digitalisierung: einerseits die Faszination und die Möglichkeiten, andererseits die Angst vor Kontrollverlust und Entbehrlichkeit.
"Plünderungen, Bandenbildung, Warlords"
Wahrer Mittelpunkt des unterhaltsamen Films ist aber das Preppertum, das in all seinen Klischees und Facetten ausgespielt wird. "Was meinst du was passiert, wenn es hier mal richtig knallt?", fragt der so überzeichnete wie glaubwürdig dargestellte Leschke an einer Stelle, nur um selbst zu antworten: "Plünderungen, Bandenbildung, Warlords, alle gegen alle - das ganze Programm". Er sieht Algorithmen und KI als Hauptfeinde an; clever werden die beiden Themenfelder hier verknüpft.
Der Ex-Soldat steht für eine oft sehr selbstbezogene Gruppe, die es auch hierzulande immer öfter in die Medien schafft und deren Krisenvorsorge zwar noch immer belächelt wird, die in einer unsicheren Welt aber zunehmend an Bedeutung gewinnt. Ihren Witz zieht die Dramedy in diesem Sinne aus dem Aufeinandertreffen von abgehärtetem Prepper und ahnungsloser Familie mitten in der Wildnis. Ein reizvoller Clash der Milieus, der in "Blackout bei Wellmanns" mit Verve und gesellschaftskritischem Anspruch ausgespielt wird. Lustig!