Emmanuelle - Königin des Softpornos - Fr. 25.06. - ARTE: 21.45 Uhr

Woran dachte Sylvia Kristel im Rattansessel?

22.06.2021 von SWYRL/Hans Czerny

Bei der Uraufführung 1974 des französischen Erotikfilms "Emmanuelle" mit seiner coolen Hauptdarstellerin Sylvia Kristel redete sich das Publikum die Köpfe heiß. Freizügige weibliche Emanzipation entdeckten die einen, das "Produkt einer korrupten Männerfantasie" andere, vor allem Feministinnen.

Die Dokumentation "Emmanuelle - Königin des Softpornos" der französischen Autorin Clélia Cohen (ARTE, 2020) stellt vieles richtig, sie kann sich aber dank ihrer Bekenntnisse aus erster Hand jeder Meinungsmache enthalten. Der kunstsinnige Regisseur Just Jaeckin, vormals Modefotograf, und der schlau auf den Erfolg spekulierende Produzent Yves Rousset-Rouard kommen ausführlich zu Wort. Die holländische Hauptdarstellerin Sylvia Kristel, zugleich offen und geheimnisvoll, wird in Archiv- und Filmaufnahmen so lebendig, als wäre sie nicht im Oktober 2012, damals 60-jährig, schon gestorben.

Mithin ist es nicht erstaunlich, dass sich die ARTE-Dokumentation auf die Seite des "Erwachsenenfilms" und seiner Hauptdarstellerin schlägt. Von dieser langbeinigen, kurzhaarig-großäugigen Erotik-Ikone geht noch immer viel Faszination aus. Und das nicht nur, wenn sie lässig hingegossen auf ihrem Pfauen-Rattansessel sitzt. Darauf, dass das Emmanuelle-"E" auf dem Filmposter mit einem raffinierten Schlänglein versehen wurde, musste einen der Kommentar allerdings erst verweisen - wie schön.

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Vorbild war "Der letzte Tango in Paris"

Vorbild für "Emmanuelle" war der zwei Jahre davor in Paris angelaufene Skandalfilm "Der letzte Tango in Paris" mit Marlon Brando und Maria Schneider. Rousset-Rouard, der Produzent, wusste, dass auch er eine Skandalszene brauchte, über die das Publikum sprechen konnte. So wurde die Po-Butterszene des Vorbilds kurzerhand durch eine Nachtclub-Varieteszene mit einer in der Vagina gerauchten Zigarette ersetzt.

Während sich die Dokumentation im großen Ganzen in Superlativen über den Blockbuster-Welterfolg mit angeblich 350 Millionen Zuschauern und mit allerlei Zuordnungen zur sexuellen Revolution einigermaßen überhebt, weil sie so tut, als hätte "Emmanuelle" diese fast alleine ausgelöst, wird im Detail viel Anekdotisches geboten. Der Produzent spricht sehr uneitel über seinen Coup, die Rechte an der 50er-Jahre-Romanvorlage von Emmanuelle Arsan zum richtigen Zeitpunkt erworben zu haben. Das Büro des vorherigen Rechteinhabers lag dann genau gegenüber dem Premierenkino mit dem schönen Namen "Triomphe". Angesichts der kilometerlangen Zuschauerschlangen und der Spieldauer von zwölf Jahren auf den Champs Elysées gab es genug Gelegenheit, sich über den entgangenen Lohn zu ärgern.

Und Sylvia Kristel? "Es ist, wie eine Statue zu streicheln, ohne erotische Erregung", sagt sie über die Dreharbeiten des damals jungen Teams in Thailand. Teils musste sie synchronisiert werden wegen ihres holländischen Akzents. Diszipliniert und millimetergenau vor der Kamera, gegen das Lampenfieber trank sie "ein paar Biere", behauptet sie in einem TV-Interview. Und verrät über das Gewerbe: "Manchmal müssen die Dreharbeiten unterbrochen werden, wenn man sieht, dass mein Partner nicht erregt ist."

Sie hat dann noch viele Filme gedreht nach "Emmanuelle", auch in den qualitativ absinkenden Fortsetzungen. Dabei gelang es ihr nicht, "die Kleider wieder anzuziehen", wie eine Urteilende sarkastisch bemerkt. Just Jaeckin, der brave Regisseur aber, der immer alles so keusch weichgezeichnet haben wollte, bleibt "für immer Monsieur Emmanuelle", wie er sagt. Und woran dachte Sylvia Kristel beim verlorenen Blick im Sessel eigentlich? - "Daran, dass ihre Aufgabe darin bestand, die Frauen zu befreien, indem sie ihre eigene Freiheit für immer aufgab", behauptet die Autorin in ihrer Konklusion am Ende ihres Films. Mag es vielleicht auch nicht stimmen, so ist es eben doch recht gut erfunden.

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