26.09.2025 von SWYRL/Eric Leimann
Eine Gruppe von Menschen fährt am 13. August 1961 im Interzonenzug von München nach Ost-Berlin. Plötzlich verbreitet sich die Nachricht vom Mauerbau wie ein Lauffeuer. Was tun: aussteigen oder bleiben? Der ARD-Eventfilm von 2021 zum Jahrestag des Mauerbaus läuft zum Tag der Deutschen Einheit.
Als sich die Nachricht vom Mauerbau über Radio und Flurfunk verbreitet, machen sich rund ein Dutzend Menschen aus Ost und West in einem Zug fieberhafte Gedanken. Dreieinhalb Stunden dauert es, bis DDR-Lokomotivführerin Edith Salzmann (Luisa-Céline Gaffron) den Zug am nunmehr eisern werdenden Vorhang zwischen der BRD und der DDR übernimmt. Sollen die Passagiere vor der Grenze aussteigen oder sitzenbleiben? Das ARD-Filmdrama "3 1/2 Stunden" (Erstausstrahlung 2021 zum 60. Jahrestag des Mauerbaus) legt ihre Geschichten unters erzählerische Brennglas. Bei der überzeugten Kommunistin Marlis (Susanne Bormann), Tochter eines Oberstleutnants der Volkspolizei (Uwe Kockisch), geht der Riss mitten durch die Familie. Ehemann Gerd (Jan Krauter), ein regimekritischer Ingenieur, will in der Bundesrepublik bleiben - auch die beiden Kinder stehen auf unterschiedlichen Seiten.
Die Ost-Band von Sängerin Carla (Songwriterin und Sängerin Alli Neumann), die von einem finanziell ernüchternden Gastspiel im Westen zurückfährt, steht ebenfalls vor einer Zerreißprobe. Carla und zwei Musiker entscheiden sich für einen Neuanfang im Westen. Doch ihre große Liebe, der Bassist Sasha Goldberg (Jeff Wilbusch), möchte bleiben. Weitere Menschen denken im Zug unter Zeitdruck nach: Ein altes Ehepaar aus dem Osten (Birgit Berthold, Harry Täschner) lässt ihren geflohenen Sohn im Westen zurück. Ein Mann (Peter Schneider), der unmittelbar vor seiner Hochzeit steht, wird an eine alte Schuld im Osten erinnert. Eine DDR-Trainerin (Jördis Triebel) begleitet ihre Star-Turnerin (Hannah Schiller) zurück in die Heimat und muss sich gegen die Ermittlungen eines Münchener Kripo-Beamten (Martin Feifel) wehren, der im Zug - ebenfalls unter Zeitdruck - nach Beweisen sucht.
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Etwa 1.000 Westdeutsche pro Jahr gingen in die DDR
Erzählerisch konventionell und doch zunehmend spannend rollt das Drehbuch von Robert Krause und Beate Fraunholz (Krause flüchtete im Sommer 1989 selbst als Jugendlicher aus der DDR) Lebensentscheidungen im Hochdruckmodus aus. Fast der gesamte Film (Regisseur Ed Herzog dreht sonst unter anderem die "Eberhofer"-Krimis mit Sebastian Bezzel) spielt im Zug. Dafür wurde ein schmuckes Retro-Modell in einen Potsdamer Lokschuppen gestellt und die Fahrtbewegung samt Landschaften über hochauflösende Screens auf der Außenseite der Fenster simuliert. Ein durchaus anderer Seh-Eindruck als beim Einsatz von CGI, der vor allem den Schauspielern beim Dreh ein echtes Gefühl von Bewegung verschaffte.
Stark ist, wie differenziert die Probleme in Ost und West aus beiderlei Perspektive beleuchtet werden - auch wenn manchmal das Exemplarische droht, ein wenig didaktisch daherzukommen. Übrigens: Rund 1,25 Millionen Menschen verließen die DDR zwischen 1961 und 1989 für immer. Es gab aber auch umgekehrte Entscheidungen: Etwa 1.000 Westdeutsche verließen die BRD pro Jahr in Richtung der DDR, um dort dauerhaft zu leben.