ZDF-Journalistin blickt auf Protestkultur

"Wir leben in einer Welt der Empörungsspiralen": Dunja Hayali kritisiert "Meinungskorridore" und Rolle der Medien

22.08.2024 von SWYRL

Abweichende Ansichten akzeptieren? Laut Dunja Hayali fällt das so manchem Protestierenden schwer. "Mit einer anderen Meinung können viele von denen nicht wirklich umgehen", sagte die ZDF-Journalistin in einem Interview. Kritik übt sie dabei aber auch an der Rolle der Medien.

Immer mehr Menschen gehen in Deutschland zu vielfältigen Themen auf die Straße. Dass dabei auch Radikale demonstrieren, die anderen Ansichten gegenüber weniger aufgeschlossen seien, kritisierte nun Dunja Hayali in einem Interview mit der Agentur "teleschau": "Mit Widerspruch oder mit einer anderen Meinung können viele von denen nicht wirklich umgehen", sagte die ZDF-Journalistin der Nachrichtenagentur teleschau. Der klassische Vorwurf gegenüber den Medien dabei sei, "dass man in unserem Land ja nicht mehr alles sagen dürfe, um es dann im nächsten Augenblick in aller Ausführlichkeit doch zu tun". Für Hayali "ein Pseudoargument, das sich in diversen Bubbles verselbständigt hat und hartnäckig hält; dagegen kann man tun und sagen, was man will".

Die "heute-journal"-Moderatorin weiß: "Es ist halt bequemer, sich in seiner gleichgesinnten Blase zu bewegen." Dabei müsse man "sich und seine Position nicht hinterfragen oder hinterfragen lassen und kann ohne Widerspruch behaupten, man sei tolerant und offen, bis der- oder diejenige dann wirklich mal auf eine andersmeinende Person trifft".

Für die Reihe "Am Puls" begab sich Hayali unter dem Titel "Wütend, laut, radikal - die neue Protestkultur?" (heute, Donnerstag, 22. August, 22.30 Uhr, ZDF) unter anderem auf Demonstrationen von AfD-Anhängern, Landwirten und Klimaaktivisten, um mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern zu sprechen. Dabei gehöre "auch der Widerspruch zum Interview", so die 50-Jährige: "Den sehen aber zunehmend mehr Menschen als Affront an und behaupten dann, man dürfe ja nicht mehr alles sagen".

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"Dafür sind wir Medien schon auch mitverantwortlich"

Mit Blick auf die vielen Gespräche schlussfolgert Hayali: "Es geht viel um Überforderung, Veränderung, Verzicht, Ungewissheiten und die erwähnten Blasen." Die sozialen Medien würden dabei den "eigenen, engen Meinungskorridor" verstärken. Obwohl es viele Möglichkeiten der Kommunikation gebe, sei "es zeitgleich schwierig geworden, mit dem eigenen Anliegen durchzudringen". Im Gespräch mit der "teleschau" kritisiert Hayali dabei auch die Rolle der Medien: "Wer bekommt Aufmerksamkeit - medial und politisch? Die, die friedlich und anständig demonstrieren, oder die, die laut, provokant und mitunter radikal sind?" Dass "die Leisen, die Versöhnlichen und die mit den Grautönen" weniger präsent seien: "Dafür sind wir Medien schon auch mitverantwortlich."

Ein Mitglied der "Letzten Generation", das Hayali und ihr Team einen Tag lang begleitete, habe ihr etwa erzählt: "Ihr habt fast nur das Festkleben und drei wütende Autofahrer gezeigt. Dass Menschen aber auch Trinken und Essen gebracht hätten, dass sie mit den Menschen ins Gespräch gekommen seien, hätten wir kaum gezeigt." Hayali schießt im Interview scharf gegen die herrschende Aufmerksamkeitsökonomie: "Wir leben in einer Welt der Empörungsspiralen. Erst ist die Aufregung groß, und drei Tage später stürzen sich alle auf den nächsten vermeintlichen Skandal. Aber kaum einer hat irgendetwas gelernt, verstanden oder mitgenommen, außer 7.000 Likes für einen billigen Kommentar auf X, wo man die eigene Bubble bespaßt." Leider, so die Journalistin, "werden Erkenntnisgewinn und Kontext zur lästigen Nebensache".

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