Aufgewachsen in Afghanistan - 20 Jahre ohne Frieden - Mi. 10.08. - ARD: 22.50 Uhr

"Alles endet in einer Niederlage": Berührende Geschichte von Armut, Zerstörung, Hoffnung und Fortschritt

07.08.2022 von SWYRL/Wilfried Geldner

Ein Porträt des afghanischen Einheimischen Mir Hussein über zwei Jahrzehnte - vom Einmarsch der Amerikaner nach dem 11. September 2001 bis zu deren Abzug im August 2021. Der Brite Phil Grabsky setzt Mirs Leben in Armut in Parallele zum Scheitern der Invasion.

Alles beginnt mit einem ohrenbetäubenden Bombenschlag am 30. April 2018 in Kabul. Der Anschlag hätte dem damals nahezu 30-jährigen Kameramann Mir Hussein fast das Leben gekostet. Nur weil er vergessen hatte, den Akku seiner Kamera aufzuladen und noch einmal fortging, überlebte er. - "Aufgewachsen in Afghanistan" ist eine Langzeitdoku, eine Kino-Koproduktion mit WDR und ARTE, die sich aus mehreren Filmen zusammensetzt und Mirs bisheriges Leben zusammenfasst.

Die Synchronisation macht es nicht ganz leicht zu verstehen, wer da jeweils berichtet. Aber Mirs Begeisterung für das Leben, seine Hoffnungen, sein immerwährendes Vertrauen in sein Land, nehmen jederzeit für sich ein. Da ist zunächst der Siebenjährige, der 2001 die Zerstörung der Buddhas von Bamiyan von Ferne miterlebt und dann mit seiner Familie sein Dorf verlassen muss und just dorthin flüchtet, um in den eiskalten Felsenhöhlen der Mönche des sechsten Jahrhunderts zu überleben. Ein episches Spielfilmszenario, wenn es nicht doch wahr wäre.

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Hoffnungen werden immer weiter enttäuscht

Bamiyan war denn auch der Ausgangspunkt für den britischen Regisseur Phil Grabsky für seinen ungewöhnlichen, experimentellen Afghanistan-Film. Grabsky traf in den Höhlen des Hochtals in Zentralafghanistan auf den aufgeweckten, erzählfreudigen Jungen und war von ihm derart fasziniert, dass er fortan sein Leben abseits der Klischees von schießwütigen Turbanträgern und Burka-Frauen zu begleiten beschloss.

Mir setzt nach ihrem Einmarsch auf die Amerikaner, bewundert ihre Flugzeuge und hofft auf die Befreiung von Al Kaida und Taliban. Doch seine Hoffnungen werden immer weiter enttäuscht. Alles endet in einer Niederlage, genau so wie Mirs einst erträumtes Leben. Gerne wäre er sogar mal "Präsident" geworden.

Doch Bildung und Schule wollen nicht gelingen, die Armut zwingt genauso wie die frühe Heirat zu harter Arbeit in der kargen Landwirtschaft und später in einer Kohlemine - da hilft auch alles Jammern der Mutter nichts. Immerhin wird Mir irgendwann vom Autor des Films zum Kameramann umgeschult. "Die Maschine", die Kamera, die ihn über die Jahre immer wieder betrachtete, hat ihn von Anfang an fasziniert.

Das Ende des Films von 2021 reicht nicht ganz an die Panik des Abzugs der Amerikaner und ihrer Verbündeten aus Kabul heran. Das ist vielleicht gut so, weil damit der Fokus von Mir allzu sehr abgelenkt würde. Stattdessen darf Mir mit seiner Kamera vom Fußballfinale in Kabul berichten und von der Schwierigkeit, mit der Kamera den Ball zu begleiten. Wenn man penibel sein wollte, könnte man ohnehin die immer wieder eingesetzten CBS-Nachrichten vom Stand der Dinge als Fremdkörper empfinden. Aber es bleibt die Nähe zum Menschen Mir - und der fortdauernde Glaube an sein traumhaftes Land.

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