Skandale und Skandälchen beim Eurovision Song Contest
Unglaublich: 1982 sorgte Nicole mit dem ersten deutschen Sieg des Eurovision Song Contests für Jubelstimmung. Sie kassierte auch einige Negativschlagzeilen. Doch das sollte nicht der einzige der zahlreichen kleinen und großen Skandale in der Geschichte des Gesangswettbewerbs bleiben.
© IMAGO / United Archives1956: Der erste Wettbewerb
Freddy Quinn vertrat Deutschland beim allerersten Song Contest 1956 in Lugano. Die Premiere war von Skandalen geprägt: Unter den sieben Teilnehmerländern war Luxemburg das einzige, das zwar eine Teilnehmerin entsandte, aber den Platz ihres Jurymitglieds unbesetzt ließ.
© ullstein bild/ullstein bild via Getty Images1956: Schacherei?
Anstatt ein eigenes Jury-Mitglied zu benennen, bat Luxemburg das Ausrichterland Schweiz, mit ihrer Jury stellvertretend für sie mitzuentscheiden. Die Gewinnerin war dann ausgerechnet (?) die Schweizer Teilnehmerin Lys Assia. Purer Zufall? Die Stimmzettel der Jury wurden nach dem Wettbewerb vernichtet, eine Beeinflussung konnte so nie nachgewiesen werden.
© Keystone/Hulton Archive/Getty Images1968: Der klare Favorit verliert
Obwohl Cliff Richard als bekanntester und erfolgreichster Sänger im Jahr 1968 beim Eurovision Song Contest unter 16 Teilnehmern als Favorit galt, konnte er mit seinem Titel "Congratulations", der zuvor bereits Platz eins der britischen Charts erreichte, den Sieg nicht erringen. Es war eine Niederlage für den klaren Favoriten.
© Reg Burkett/Daily Express/Getty Images1968: Der klare Favorit verliert
War es Betrug? Statt Cliff Richard gewann die spanische Sängerin Massiel mit ihrem Lied "La, la, la" den Eurovision Song Contest mit nur einem Punkt Vorsprung. In einer Dokumentation aus dem Jahr 2008 wurde behauptet, dass der damalige Diktator Franco die Stimmen der Jury bestochen haben soll, um das Ansehen Spaniens zu steigern. Es wurden jedoch keine Beweise dafür gefunden.
© Keystone/Hulton Archive/Getty Images1974: Eine Revolution beginnt
ABBA gelten als die erfolgreichsten Gewinner in der Geschichte des Eurovision Song Contests. Die schwedische Band gewann 1974 mit ihrem Kult-Song "Waterloo". Allerdings sorgte ein ganz anderer Teilnehmer aus Brighton kurz darauf für eine Revolution beim ESC ...
© RDB/ullstein bild via Getty Images1974: Die Revolution beginnt
Drei Wochen nach dem Eurovision Song Contest begann in Portugal die "Nelkenrevolution" mit dem Ziel, Diktator Marcelo Caetano zu stürzen. Obwohl Carvalho mit seinem Lied "E Depois do Adeus" den ESC verloren hatte, wurde das Lied nun zum heimlichen Startsignal der Revolutio, als es über den Rundfunk übertragen wurde.
© Keystone/Getty Images1979: Der falsche Ton?
Das falsche Lied am falschen Ort? Mit "Dsching, Dsching, Dschingis Khan!" stürmte Deutschland beim Eurovision Song Contest 1979 in Israel auf den vierten Platz. Allerdings wurde das Lied von vielen kritisiert, da es schließlich von einem brutalen Eroberer und Massenmörder handelt.
© kpa/United Archives via Getty Images1982: Zu brav?
Der Titel, der Nicole 1982 zum Sieg verhalf, wurde ebenfalls kritisiert. Pazifisten fragten sich, warum das Lied lediglich nach "Ein bisschen Frieden" strebt und nicht nach vollständigem Frieden. Die Berichterstattung bezeichnete den Song als einen "Mode-Gag", der für seine naive Umsetzung eines wichtigen Themas kritisiert wurde. Das allgemeine Anliegen werde hier zum "naiven Schlagerhit" gemacht.
© Peter Bischoff/Getty Images1986: Beim Alter geschummelt
Als sie 1986 mit ihrem Lied "J'aime la vie" den ersten Platz beim Eurovision Song Contest holte, war Sandra Kim gerade einmal 13 Jahre alt. Ihr Management gab jedoch an, dass sie 15 Jahre alt sei. Obwohl die Schweiz, die den zweiten Platz belegte, Einspruch gegen den Betrug einlegte, blieben die Konsequenzen aus. Trotzdem beschloss man im Jahr 1990, das Mindestalter der Teilnehmer auf 16 Jahre festzulegen.
© EBU1998: Ein Zeichen für Toleranz
Widerstand aus dem eigenen Land: Obwohl sie aus Israel stammte, musste die transsexuelle Sängerin Dana heftigen Widerstand von konservativ-religiösen Kreisen erfahren, als sie am ESC teilnahm. Sie trat dennoch an und gewann schließlich 1998 mit ihrem Song "Diva" den Wettbewerb.
© Peter Bischoff/Getty Images2009: No Putin!
Immer wieder gibt es Diskussionen darüber, ob Politik im ESC durch die Lieder thematisiert werden soll. Im Jahr 2008 wurde diese Debatte besonders hitzig, als sich der Konflikt zwischen Georgien und Russland verschärfte. Die georgische Band Stephane & 3G setzte mit ihrem Titel "We Don't Wanna Put In" ein deutliches politisches Statement.
© Vano Shlamov / AFP via Getty Images2009: Georgien ist raus
Nach der offensichtlichen Provokation gegen den russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin gab es sofort eine Reaktion aus Moskau: Während Demonstrationen wurde der georgische Präsident lächerlich gemacht. Die Europäische Rundfunkunion forderte, den Text des Songs "We Don't Wanna Put In" zu ändern, aber Georgien lehnte ab und zog sich daraufhin vom Wettbewerb zurück.
© Natalia Kolesnikova / AFP via Getty Images2013: Küsse gegen Homophobie
Sängerin küsst Sängerin? Seit Madonnas Knutscherei mit Britney Spears eigentlich kein Aufreger mehr. In diesem Fall schon: Die finnische Sängerin Krista Siegfrieds setzte mit dem Kuss und ihrem Song "Marry Me" ein politisches Zeichen - für die gleichgeschlechtliche Ehe, die in Finnland zu diesem Zeitpunkt noch nicht legal war. In der Türkei sorgte der Kuss für Aufregung, China zensierte die Szene bei seiner Übertragung.
© Ragnar Singsaas/Getty Images2014: Buuuh!
Im Jahr 2014 wurden die russischen Teilnehmerinnen Tolmatschowa-Schwestern während ihres Auftritts vom Publikum mit lauten Buh-Rufen empfangen. Dies war jedoch nicht auf die Qualität ihres Beitrags zurückzuführen, sondern ein Zeichen für die Unzufriedenheit mit Putins Angriff auf die Krim, wofür die Schwestern stellvertretend ausgebuht wurden.
© Ragnar Singsaas/Getty Images2014: Sieg der Toleranz
Conchita Wurst ist vielen noch als die Siegerin des ESC 2014 mit ihrem Song "Rise Like A Phoenix" in bester Erinnerung. Allerdings sahen nicht alle in dem Titel der österreichischen Travestiekünstlerin eine Botschaft der Toleranz: Putin und weitere russische Politiker forderten einen Boykott des Song Contests.
© Jonathan Nackstrand / AFP via Getty Images2015: Rückzug!
Er kam als "The Voice"-Gewinner von 2013, gewann den ESC-Vorentscheid - und hielt dann dem großen Druck aber nicht stand: Andreas Kümmert sorgte 2015 mit seinem Verzicht auf seinen Startplatz beim Eurovision Song Contest für große Schalgzeilen.
© Nigel Treblin / Getty Images2015: Zero Points
Vielleicht hätte Kümmert es besser gemacht: Er selbst hielt sich zwar nur für "einen kleinen Sänger" und gab seine Teilnahme an die in seinen Augen qualifiziertere Sängerin Ann Sophie ab. Diese holte jedoch mit ihrem Titel "Black Smoke" keinen einzigen Punkt und landete entsprechend auf dem letzten Platz.
© Nigel Treblin/Getty Images2016: Naidoos Disqualifikation
Xavier Naidoo (Bild vom "Bundesvision Song Contest" 2013) wurde 2016 als deutscher Kandidat für den ESC ausgewählt, aber kurz darauf wieder disqualifiziert. Seine Nominierung löste eine Flut von Kritik aus, da er wegen seiner als homophob, antisemitisch und verschwörungstheoretisch angesehenen Ansichten in der Öffentlichkeit umstritten war.
© Thomas Lohnes/Getty Images2016: Ukraine gegen Russland
Politische Botschaft oder Trauerbewältigung? Die ukrainische Sängerin Jamala erklärte, dass sie in ihrem Siegertitel "1944" nur von ihren Großeltern singe. Diese seien in jenem Jahr vom der Krim deportiert worden. Russland beschwerte sich über das Lied als "unzulässig politisch". Die Europäische Rundfunkunion ließ es aber dennoch zu.
© Michael Campanella/Getty Images2017: Ukraine gegen Russland - Teil 2
Der Russland-Ukraine-Konflikt ging im folgenden Jahr weiter: Die gastgebende Ukraine bestrafte die russische Kandidatin Julia Samoylowa für einen Auftritt auf der durch Russland besetzten Insel Krim mit einem Einreiseverbot. Die Teilnahme am ESC in der ukrainischen Hauptstadt Kiew war der Sängerin dadurch nicht möglich.
© Pedro Fiúza/NurPhoto via Getty Images2017: Ukraine gegen Russland - Teil 2
Das Einreiseverbot kritisierte die Europäische Rundfunkunion zwar scharf, aber trotzdem erfolglos. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko bestätigte daraufhin abermals seine Entscheidung, dass Russland mit seiner Teilnehmerin nicht am Wettbewerb in Kiew teilnehmen dürfe.
© STR/NurPhoto via Getty Images2019: Ukraine gegen Russland - Teil 3
2019 zog die Ukraine ihren zuvor ausgewählten Beitrag wieder zurück: Sänger Maruv hatte den Vorentscheid mit ihrem "Siren Song" bereits gewonnen. Doch der öffentlich-rechtlichen Sender UA:PBC erteilte ihr nicht die Erlaubnis mit dem Titel anzutreten, nachdem sich die auch in Russland populäre Sängerin geweigert hatte, eine Vereinbarung zu unterschreiben, die es ihr verboten hätte, für eine gewisse Zeit in Russland aufzutreten.
© Tim P. Whitby/Getty Images for MTV2024: Disqualifikaton wegen eines "Vorfalls"
Etwas Vergleichbares hat es beim Eurovision Song Contest bislang nicht gegeben: 2024 durfte der niederländische Teilnehmer Joost Klein (Mitte) aufgrund eines nicht näher erläuterten "Vorfalls" an keinem der beiden Durchläufe des ESC-Finales am Freitag teilnehmen, auch beim Live-Event fehlte er schließlich. Laut Medienberichten soll der Künstler eine schwedische Produktionsmitarbeiterin konfrontiert haben. Ein Verfahren gegen den Sänger wurde später aus Mangel an Beweisen eingestellt.
© Martin Sylvest Andersen/Getty Images