"Die 100 - Was Deutschland bewegt"

"Nicht demokratisch": Unternehmer redet sich in ARD-Debatte um die Vermögenssteuer in Rage

26.11.2024 von SWYRL

Soll der Staat von den Reichen nehmen, anstatt neue Schulden zu machen? Während die meisten der anwesenden Studiogäste in Ingo Zamperonis Debattensendung "Die 100 - Was Deutschland bewegt" sich deutlich für eine Vermögenssteuer aussprachen, sprang ein Unternehmer für Milliardäre in die Bresche.

Sind mehr Schulden die Lösung? Ja, sagt Linda Zervakis, Nein, sagt Anna Planken. Ihre - zufällig ausgelosten - Positionen trugen die beiden Journalistinnen am Montagabend in einer neuen Ausgabe der von Ingo Zamperoni moderierten ARD-Debattensendung "Die 100 - Was Deutschland bewegt" vor. Das Prinzip des Formats hat sich seit 2023 bewährt: 100 Menschen finden sich in einem TV-Studio ein. Dort werden ihnen zu bestimmten gesellschaftspolitischen Streitfragen Fakten dargelegt, ehe sie sich für eine von nur zwei Positionierungen zu diesem Thema entscheiden müssen.

"Unser Land vergammelt und funktioniert immer schlechter", lautete Zervakis' erstes Argument dafür, mehr Schulden zu machen. Das sah eine Thüringer Beamtin ähnlich: "Ich pendle beruflich, am Tag so 180 Kilometer. Und das mit den REs und RBs wird immer schlimmer, ehrlich gesagt. Gerade, wenn der Winter einbricht." Die 23-Jährige erklärte: "Es wird immer teurer, aber die Leistung immer schlechter - und die Leute sind darauf angewiesen."

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Zustände an deutschen Schultoiletten schockieren

Verbesserungsbedarf sah Zervakis jedoch nicht allein bei der Bahn. "Sparen geht auf Kosten unserer Zukunft", behauptete sie und ließ kurzerhand eine Schultoilette ins Studio einfahren. "Schloss geht nicht, Klopapier gibt's auch nicht, warmes Wasser nicht, Seife nicht. Wenn Sie jetzt denken, das ist übertrieben: Nein." Man habe sich beraten lassen von "German Toilet Organization e.V.", einem gemeinnützigen Verein, der auf die Toiletten-Missstände an deutschen Schulen aufmerksam machen wolle. "Die wollten sich eigentlich für Toiletten in armen Ländern einsetzen", berichtete Zervakis. "Bis sie gemerkt haben: Hier stinkt's zum Himmel."

Gemeinsam mit der Universität Bonn habe der Verein eine Umfrage an Berliner Schulen durchgeführt. Das erschreckende Ergebnis: "42 Prozent der Schülerinnen und Schüler sagen, es stinkt auf Schultoiletten - und zwar nach Urin." Die Hälfte der befragten Kinder und Jugendlichen hätten sogar angegeben, den Gang zur Toilette deshalb zu vermeiden. 25 Prozent würden weniger essen und trinken, um die Schulklos möglichst nicht aufsuchen zu müssen. "Das ist wirklich, wirklich traurig", resümierte Zervakis.

Obwohl ihr 69 Prozent der Anwesenden zustimmten, gab man im Studio vor allem auch den Schülerinnen und Schülern selbst die Schuld am desolaten Zustand der WCs. "Was die Toilette angeht, sind die Schüler vielleicht auch ein bisschen selber schuld", glaubte ein Landwirt. "Die achten das, was ihnen geboten wird, nicht." Auch ein pensionierter Gymnasiallehrer rief dazu auf, die Situation "differenzierter zu betrachten": "Das wäre ja jetzt Herumdoktern an den Symptomen, wenn man nur die Reinigungskräfte erhöhen würde. Das hat auch was mit Erziehung zu tun."

Vermögenssteuer - ja oder nein?

Mehr Geld - etwa für die Reinigung von Schultoiletten - könne der Staat auch mit Schuldenbremse zur Verfügung stellen, argumentierte Anna Planken. Sie sagte: "Wir sollten von den Reichen nehmen." Die Journalistin wies auf die zehn reichsten Deutschen hin, unter anderem auf den Lidl-Gründer Dieter Schwarz. "Dieses Vermögen nicht zu besteuern, ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können", mahnte sie. "Wenn doch der Preis dafür höhere Schulden sind."

Von der Vermögenssteuer waren satte 82 Prozent der Studiogäste überzeugt. "Die Schere in Deutschland ist immer noch sehr ungerecht", ärgerte sich eine Gesamtschullehrerin aus Niedersachsen. "Die Reichen haben immer noch genug abzugeben, auch wenn das Geld teilweise in Unternehmen steckt." Eine Lehrerkollegin stimmte ihr zu: Es sei "ein Mythos in Deutschland, dass wir neidisch sind und den Reichen etwas wegnehmen wollen". Auch ein junger kaufmännischer Angestellter glaubte: "Man sollte da ansetzen, wo das Geld schon ist. Die großen Vermögen werden größer, einfach nur wegen Zinsen. Da sollte man mehr nehmen, als man es jetzt tut."

Ganz anders sah dies ein selbstständiger Unternehmer, der sich als einer der wenigen auf der Gegenseite positioniert hatte. "Ich kann diese Neid-Debatten in Deutschland nicht hören", wetterte er. Die reichsten Deutschen seien "alles Leute, die Hunderttausende von Menschen in Lohn und Brot halten. Und die haben es teilweise von nichts oder von einfachen Verhältnissen zu ganz großen Leuten geschafft."

In den USA werde "ein Mensch, der was erreicht hat, gut angesehen. Hier ist das der böse Milliardär." Man müsse darauf blicken, "was der Mensch gemacht hat, um dahin zu kommen. Der hat es sich erarbeitet". Der 54-Jährige behauptete: "Wir sind in einer freien Marktwirtschaft!" Die Erhebung einer Vermögenssteuer wäre "auch gar nicht mehr demokratisch und auch gar nicht das westliche System, das wir leben".

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