Tatort: Erkläre Chimäre - So. 27.11. - ARD: 20.15 Uhr

"Tatort"-Duo als WM-Alternative

23.11.2022 von SWYRL/Jasmin Herzog

Während das ZDF das WM-Gruppenspiel Deutschland gegen Spanien überträgt, wiederholt das Erste ab 20.15 Uhr gleich zwei vergangene "Tatort"-Fälle aus den Jahren 2015 und 2020. Im ersten spielen Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) ein schwules Ehepaar. Im zweiten suchen Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) nach einem Sniper.

Das Leben eines Fußballmuffels ist bisweilen hart: Als wäre der Lieblingssport der Deutschen in WM-Zeiten nicht ohnehin dauerpräsent, wirbeln die Spiele der deutschen Nationalmannschaft auch noch das Fernsehprogramm gehörig durcheinander. Während das ZDF das WM-Gruppenspiel Deutschland gegen Spanien überträgt, gibt es im Ersten keinen neuen "Tatort". Die zur Wiederholung auserkorenen alten Fälle aus Münster und Stuttgart sind ein schwacher Trost.

"Erkläre Chimäre" kalauert der erste Titel, den man wörtlich nehmen muss. Denn die Erklärdialoge sprießen aus diesem "Tatort" aus dem Jahr 2015 wie Unkraut aus Betonritzen. Ständig müssen die ermittelnden Spaßvögel Boerne (Jan Josef Liefers) und Thiel (Axel Prahl) umständlich nacherzählen, was sich die Autoren alles ausgedacht haben. Dass da ein junger Brasilianer mit aufgeschlitzter Kehle im Kühlhaus liegt und zuletzt lebend in einer Weinhandlung gesehen wurde. Dass das Weinhändlerehepaar (Sunnyi Melles, Uwe Preuss) einen verkorksten, drogenabhängigen Sohn (François Goeske) hat, der tatverdächtig ist. Dass der tote Brasilianer der Liebhaber von Boernes schwulem Onkel aus Übersee war (Christian Kohlund), der ebenfalls rein zufällig in Münster weilt. Irgendwann doziert Boerne dann auch über die titelgebende Chimäre. Bis dahin dürften aber nur noch Zuschauerinnen und Zuschauer mit allerhöchstem Konzentrationsvermögen den Faden nicht verloren haben.

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Am schlimmsten wirkt sich aus, dass der obligatorische Humor auf Pubertierendenniveau daherkommt. Ein schwuler Onkel! Hihi. Weil sich Boerne beim vermögenden Verwandten im Hinblick aufs erhoffte Erbe einschleimen will, zwingt er Thiel, dass die beiden dem Homo-Onkel ein schwules Ehepaar vorspielen. Erstaunlicherweise kann man dieses "Tatort"-Missgeschick keinen überdrehten Nachwuchskräften ankreiden. Das Drehbuch, ihr zehntes für die Reihe, schrieben die Boerne-Thiel-Erfinder Stefan Cantz und Jan Hinter, Regie führte der Routinier Kaspar Heidelbach, der schon für etliche deutlich stärkere Auftritte des Münster-Duos verantwortlich zeichnete.

Immerhin im zweiten "Tatort" kommen Krimifans mehr auf ihre Kosten: In "Du allein" (Erstsendung: 2020) wird eine Journalistin von einem Unbekannten erschossen. Gibt es denn ein Motiv? Die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) durchleuchten das Leben des Opfers, doch erst einmal geraten sie in anderes Ermittlungs-Fahrwasser: Ein Erpresser hatte den Mord per Schreiben an die Polizei angekündigt. "1" stand auf dem Brief, ebenso wie auf der Patrone. Bald erreicht eine Geldforderung über drei Millionen Euro die Ermittler. Sollte nicht gezahlt werden, will der Täter einen zweiten Menschen dran glauben lassen. Hochkonzentriert beginnen Lannert und Bootz, die Unterstützung vom Landes- und Bundeskriminalamt erhalten, mit der Arbeit. Von der Politik, die eine Panik in der Stadt verhindern will, werden die Kommissare sowie Staatsanwältin Alvarez (Carolina Vera) dabei durchaus unter Druck gesetzt.

Ein Sniper, der seine Kugeln durchnummeriert und ein Opfer nach dem anderen zu erschießen droht - das klingt nach klassischem Thrillerstoff, der so oder so ähnlich schon des Öfteren durchdekliniert wurde. Drehbuchautor Wolfgang Stauch, er schrieb den grandiosen, im Mai 2019 gesendeten Stuttgarter "Tatort: Anne und der Tod" über eine Altenpflegerin auf moralischem Sonderweg, findet jedoch eine eigene Sprache und vor allem einen eigenen Twist für den betagten Wettlauf-mit-dem-Tod-Stoff. "Du allein" ist ein lange Zeit sehr spannender und trotz seiner fiebrigen Thematik ein angenehm konzentriert geschriebener und inszenierter "Tatort".

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