Prämiert als "Beste Serie" in Cannes

"Toxic Tom" in der ZDF-Mediathek: Die Wahrheit über Internet-Trolle

14.11.2025 von SWYRL/Eric Leimann

Die norwegische Miniserie "Toxic Tom" folgt Menschen in Oslo, die andere über Internet und TV demütigen, sich aber dabei auch selbst zerstören. Vergleichbar Kluges und Überraschendes über hasserfüllte Männer, Angriffe auf Frauen und Fake Reality hat man wohl noch nie zuvor gesehen.

Vor gut elf Jahren startete Netflix in Deutschland. Seitdem hat sich das Serienerzählen und die Bedeutung des Genres - auch durch weitere Streamingdienste - deutlich verändert. Manche behaupten jedoch: Es gibt immer mehr Serien der Marke "more of the same" - und kaum noch Überraschendes. Ganz richtig ist dies zwar nicht, sonst hätten es "Squid Game", "Rentier Baby" oder zuletzt "Adolescence" wohl nie gegeben. Dennoch steckt auch ein Funken Wahrheit in der Aussage, dass viele Serien mittlerweile erwartbar geworden sind. Ganz und gar nicht trifft dies auf die norwegische Serie "Toxic Tom" zu (ab Dienstag, 18. November, in der ZDF-Mediathek und bei ZDFneo ab 23.15 Uhr). In nur viermal rund 50 Minuten erzählt Autor und Regisseur Thomas Seeberg Torjussen eine ebenso mitreißende wie unglaubliche Geschichte aus dem Oslo von heute, die so viele clevere Wendungen in sich trägt, dass man vorab nicht zu viel verraten sollte.

Im Mittelpunkt steht ein allein lebender Damenmode-Verkäufer namens Tom (Anders Baasmo). Der Mittvierziger ist aktives Mitglied der Manosphere und wettert über seine Online-Accounts gegen Wokeness und den Verlust traditioneller Männerbilder. Als er im Netz zur Vergewaltigung der feministischen Comedienne Live (Ingrid Unnur Giæver) aufruft, wird er von Hackern enttarnt. Weshalb am nächsten Morgen ein auf Krawall gebürstetes TV-Team vor der Boutique von Toms im Krankenhaus liegender Mutter steht, die er als einziger Angestellter führt. Nun wird der Hater selbst zum Gehassten und gleichzeitig zur jämmerlichsten Figur Norwegens. Als Alternative zu Suizid oder Knast bleibt dem gedemütigten Tom nur noch ein Ausweg: Er muss sein Leben radikal verändern.

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Konstruktive Lösungen gegen den Hass im Netz? Hier findet man sie!

Neben der nur in ihrer Beschreibung plakativ wirkenden Tom-Figur - Anders Baasmo gewann beim Serienfestival in Cannes den Darstellerpreis, "Toxic Tom" jenen für die "Beste Serie" - erweitert das kluge, nie vorhersehbare Drehbuch mit der Zeit sein Figurenensemble: Man erfährt mehr über TV-Star Live, die mit Mann und zwei kleinen Kindern wie das Musterbeispiel einer jungen, erfolgreichen und emanzipierten Frau wirkt. Dann lernt man Toms Nachbar Audun (Jonas Strand Gravli) kennen, einen gequälten, unsicheren jungen Mann und Vater oder eine junge Schauspielerin in Litauen, der Tom zu Beginn der Serie in Form eines Love Scams also Liebesbetrugs begegnet - der Grund für seinen frauenfeindlichen Angriff auf Fernsehpersönlichkeit Live.

Warum man "Toxic Tom", das übrigens eine ZDFneo-Koproduktion ist, unbedingt anschauen sollte: Die Serie stellt viele Narrative über Geschlechterrollen und Lebensentwürfe infrage, sie zoomt multiperspektivisch aus dem Leben Toms heraus und beleuchtet andere Haupt- und Nebenfiguren in dessen Peripherie. Eine absolut ungewöhnliche Serie, auf deren zugegeben ziemlich wilde Reise man sich ein wenig einlassen muss, um am Ende zu erkennen: Diese als Gesamterlebnis tatsächlich runde Geschichte entlarvt unsere toxische Digitalgesellschaft und zeigt, wie sie funktioniert. Ihre vielleicht sogar größte Leistung besteht jedoch darin, dass sie konstruktive Lösungen gegen den Hass im Netz aufzeigt. Sie sind nicht nur poetisch, sondern auf gewisse Art und Weise real und "fühlbar". All dies muss man erst mal hinkriegen, weshalb man sich auf das - anfangs - Toxische an Tom unbedingt einlassen sollte.

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