25.11.2024 von SWYRL/Maximilian Haase
Eine Frau kommt dramatisch in der Ostsee ums Leben - ein Fall, der die Ermittler im neuen "Usedom-Krimi" vor Rätsel stellt. Was hat die vom Schicksal gebeutelte Familie des Opfers damit zu tun? Ein spannender Film, der sich von Mobbing bis Long Covid jeder Menge schwieriger Themen annimmt.
Höchst dramatisch pflegen die "Usedom-Krimis" zu beginnen, und oft ist die von Katrin Sass gespielte Hauptfigur direkt involviert. Stellte sich Karin Lossow zuletzt endlich dem Mörder ihrer Tochter und damit ihrem seit fünf Jahren währenden Trauma, ist die Ex-Staatsanwältin im neuen Fall abermals gleich mitten im Geschehen. Sie wird Zeugin eines dramatischen Todes in der Ostsee: Eben noch sprach sie beim Gassigehen mit Gerda Kolping (Katharina Spiering), die wie immer morgens im Neoprenanzug schwimmen gehen wollte - schon ruft die Frau plötzlich nach Hilfe und versinkt schließlich in den Fluten. Die Ermittler stehen im Fall "Emma" vor großen Rätseln und stoßen auf eine Familie, die schon vor dem Tod der Mutter zwischen Mobbing und Long Covid vom Schicksal arg herausgefordert wurde.
Abermals unter Regie von Matthias Tiefenbacher, entwickelt sich auch die neue Episode zur sehr persönlichen Angelegenheit für die noch immer trauernde, aber dennoch von einer großen Last befreite Staatsanwältin a.D.: Lossow kann nach dem fürchterlichen Vorfall nichts mehr tun, außer Emma (beeindruckend: Cloé Albertine Heinrich), die titelgebende Tochter des Opfers, ins Krankenhaus zu begleiten. Dort kann nur noch der Tod der Mutter festgestellt werden. Die 14-Jährige stürzt in ein tiefes Loch, während der geschockte Vater ohnehin mit sich selbst beschäftigt ist. Nach einer Corona-Erkrankung ist Markus Kolping (Jan-Peter Kampwirth) ans Bett gefesselt, muss gepflegt werden - und bekommt von der Tochter nicht viel mit, Wiedermal ist es an Lossow, sich emotional zu kümmern. Ein in der Krimireihe wiederkehrendes Motiv, das diesmal symbolreich in der "Ersatztochter" aufgegriffen wird.
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Tragisches Familiendrama
Kommissar Rainer Witt (Till Firit) und die Inselpolizisten Holm Brendel (Rainer Sellien) und Dorit Martens (Jana Julia Roth) beginnen mit den Ermittlungen, die sogleich ein brutal formuliertes Drohschreiben im Auto des Opfers zutage fördern. Sie solle sich umbringen, steht da, sonst tue man das selbst. Weil die Obduktion zudem eine Menge Beruhigungsmittel in ihrem Körper nachweist, scheint alles für einen perfiden Mord zu sprechen. Wer wollte die vielbeschäftigte und -besorgte Mutter loswerden? Oder war gar nicht die Tote, sondern ihre Tochter gemeint?
Bei der Suche nach möglichen Verdächtigen und Motiven stößt das Team auf die Jugendlichen, von denen Emma seit Monaten gemobbt wird. Anführerin der Clique ist ihre ehemalige beste Freundin Susanne Bach (Carlotta von Falkenhayn), deren Familie zu den Kolpings einst ein sehr gutes Verhältnis pflegte. Nun jedoch spielt Susannes Mutter die Mobbing-Vorfälle herunter. Was ist zwischen den benachbarten Familien geschehen? Warum wird Emma so behandelt? Und gibt es einen Zusammenhang zum grausigen Mord? Lange lässt der sehenswerte Krimi, der auch als tragisches Familiendrama durchginge, die Zuschauer im Unklaren.
Pflegefall dank "Corona-Party"?
Wie sehr Mobbing die Seele eines Menschen beschädigen und dessen Leben ruinieren kann, zeigt der Fall "Emma" eindrücklich. Vielleicht nimmt sich der Krimi etwas viel vor, wenn er zudem eines der größten Aufregerthemen der letzten Jahre aufgreift. Am Beispiel des glaubwürdig verbittert gespielten Vaters wird die gesellschaftliche Dimension einer Krankheit offenbar, die zuvor völlig fitte Menschen plötzlich aus dem Alltag reißt: "Als wäre alles nur eine Frage der Willenskraft und ich eine faule Socke", beschwert sich der kranke Vater über die Vorwürfe, die er als Long-Covid-Patient inzwischen zur Genüge kenne.
Als wäre das nicht genug, glaubt die feindselige Nachbarin, dass seine Frau ihn zum Pflegefall gemacht habe. Das spätere Opfer, so der Vorwurf, soll das Virus dank einer "Corona-Party" eingeschleppt haben. Ein etwas überraschendes Revival einer Debatte, die es für eine ausführliche Aufarbeitung der Pandemie aber womöglich braucht.
Bei allem Drama bleibt der für den "Usedom-Krimi" typische nordische Humor erhalten, insbesondere in Gestalt des kongenialen Duos Brendel und Martens: "Immer wenn ich aufs Meer gucke, kriege ich ein bisschen Heimweh", entfährt es der Polizistin an einer Stelle. Der einfühlsame Kommentar des Kollegen: "Technisch gesehen ist die Ostsee ja kein Meer, das ist ein Brackwasser." Zu all dem schweren Stoff, den der "Usedom-Krimi" sonst so mit sich bringt, bilden die beiden unterhaltsamen Dorfcops einen angenehmen Kontrast.