20.09.2022 von SWYRL
Was für eine Rückkehr aus der Sommerpause! In der ersten Sendung ihrer Show "MaiThink X - Die Show" arbeitete sich Mai-Thi Nguyen-Kim am Phänomen der Homöopathie ab. Eine Hauptrolle spielte dabei ein eigens hergestellter Eistee.
Wissenschaft ist dröge und langweilig? Und Forscher haben keinen Humor? Dass diese Vorurteile lediglich Stereotypen reproduzieren, beweist Mai-Thi Nguyen-Kim bereits seit geraumer Zeit in ihrer ZDFneo-Show "MaiThink X". Nun meldete sich die 35-Jährige mit einem Paukenschlag aus der Sommerpause zurück. Mit dem eigens hergestellten "HomöopaTEA" - einem Eistee mit Globuli-Zusatz - entlarvte sie die vermeintliche Logik von Globuli-Fetischisten derart genial, dass Erinnerungen an ähnliche Scoops von Kollege Jan Böhmermann aufflammten.
Doch immer der Reihe nach. Gleich zu Beginn versprach die Gastgeberin eine "super-unterhaltsame Sendung - zumindest für Freunde der Wissenschaft". Vollmundig kündigte Nguyen-Kim in bester Rezo-Tradition an: "Heute zerstören wir die Homöopathie." Denn, so fuhr die Wissenschaftsjournalistin fort, ihre geschätzt 1.000 Versuche, die nicht vorhandene Wirksamkeit von Homöopathie zu erklären, hätten bislang keinen Erfolg gebracht. Deshalb sei ihr klar geworden: "Wenn ich den Feind zerstören will, muss ich lernen, wie der Feind zu denken."
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"MaiThink X - Die Show": Globuli-Kauf von Gebührengeldern?
In diesem Zusammenhang sei ihr die Idee gekommen, einen mit Globuli statt mit Zucker gesüßten Eistee auf den Markt zu bringen. "Man würde Globuli für einen Bruchteil des Preises bekommen, den man sonst in der Apotheke zahlen würde. Homöopathie mal nicht durch Aufklärung, sondern wirtschaftlich vom Markt verdrängen", umriss Nguyen-Kim ihren Einfall. Doch das ZDF habe seine Schwierigkeiten mit dem Businessplan gehabt, nämlich "Globuli von Gebührengeldern teuer einkaufen und billiger verkaufen".
Anschließend erklärte Nguyen-Kim die Herstellung und die von Homöopathieanhängern behauptete Wirkung und Behandlung von "Ähnlichem mit Ähnlichem". Vereinfacht beschrieben werden Bruchteile eines Extrakts, etwa Arnica-Extrakt, mehrfach verdünnt - und das so lange, bis quasi nichts mehr von dem Wirkstoff vorhanden ist.
"Dass Globuli wirken, obwohl ab einer bestimmten Potenz gar kein Wirkstoff mehr vorhanden ist, liegt am Gedächtnis des Wassers", erläuterte die Moderatorin. "Das Wasser erinnert sich an Wirkstoff und gibt die Erinnerung an den Körper weiter." Gleichzeitig kam Nguyen-Kim nicht umhin, die rhetorische Spitze hinterherzuschieben: "Wir wissen nicht wie, sondern nur dass es wirkt."
Was passiert mit den Abfällen bei der Globuli-Herstellung?
Gespielt empört präsentierte die Wissenschaftlerin auch die Erkenntnisse, die eine Anfrage des Redaktionsteams bezüglich der Entsorgung von Abwässern infolge der Herstellung von Homöopathika ergeben hatte. Vor dem Gesetz werden Globuli nämlich behandelt wie Arzneien. Dies hätte zur Folge, dass die Abfälle der Produktion wie bei Medikamenten als Sondermüll behandeln werden müssten. Die Wasserbehörde der Stadt Baden-Baden aber sah "keine speziellen Anforderungen" bei der Entsorgung.
"Man kann doch nicht potenziertes Wasser voller Gedächtnis und Wasser behandeln, als wäre es stinknormales Brunnenwasser - spinnen die?", erzürnte sich Mai-Thi Nguyen-Kim daher. Und weiter: "Alle Abwasserstoffe sind komplett auf eine Welt angewiesen, in der Stoffe auch anwesend sein müssen, um zu wirken." Bei der normalen Ableitung in das Abwasser sei wegen der Verdünnung und des Schüttelns (das laut Homöopathie-Anhängern die Wirkung verstärkt) eine große Potenz und damit hohe Wirkung des Gedächtniswassers zu befürchten. Doch sowohl die Anfragen bei Fachstellen als auch bei den Herstellern verliefen im Sande.
"Das ging hin und her, bis ich Karl Lauterbach angerufen habe"
Doch zurück zum eingangs erwähnten "HomöopaTEA". Provokativ stellte Mai-Thi Nguyen-Kim die Frage in den Raum, was denn theoretisch passieren würde, "wenn eine kleine ZDFneo-Wissenschaftsshow im großen Stil einen solchen Eistee herstellt und an der Apothekenpflicht vorbei in Supermärkten, Kiosken und Getränkemärkten verkauft". Eine entsprechende Anfrage ans Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BFARM) sei an die Bezirksregierung Köln weitergeleitet worden, das wiederum auf das BFARM verwies. "Das ging zehnmal hin und her, bis ich Karl Lauterbach angerufen habe", witzelte die Moderatorin.
Eine tatsächliche Anfrage ans Bundesministerium für Gesundheit sollte eruieren: Dürfe einerseits ein Eistee vertrieben werden, der mit gekauften Globuli gesüßt wurde und andererseits in einem zweiten Szenario ein Eistee, der mit eigens hergestellten Globuli nach zuvor beschriebenen Vorgehen gesüßt wurde. Lange Rede, kurzer Sinn: Das Gesundheitsministerium sah in beiden Fällen kein Problem, denn: "Eine Cola, die Koffein enthält, ist ja auch kein Arzneimittel."
Anders sah es das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen, das eine Versetzung des Eistees mit Crocus C-30 als "nicht zulässig" betitelte, allerdings die selbst hergestellten Globuli erlaubte. Diesen Widerspruch quittierte Mai-Thi Nguyen-Kim mit Verweis auf den "HomöopaTEA" am Ende folgendermaßen: "Das hier ist alles lächerlich. Entweder Homöopathie wirkt und dann sollte man sie, wie jedes andere Arzneimittel auch, nicht random nehmen. Dann dürfen sie aber auch nicht einfach in die Umwelt gelangen und vor allem darf man damit dann keinen Eistee süßen. Oder - sie wirkt eben nicht."