"Kampf ums Klima - Was, wenn jemand die Sonne abdunkelt?"

ARD-Doku über riskante Klima-Manipulation: Physikerin nennt eigene Forschung "Schweinerei"

12.08.2025 von SWYRL/Jens Szameit

Die Klimakrise schreitet voran, längst werden Technologien entwickelt, um die Temperatur auf der Erde künstlich zu senken. "Was, wenn jemand die Sonne abdunkelt?", fragt eine neue ARD-Doku. Deren Botschaft: Selbst führende Fachleute trauen ihrer eigenen Forschung nicht über den Weg.

Wer große Probleme zu lösen hat, sollte nicht klein denken. So ähnlich mag es sich der US-amerikanische Krypto-Unternehmer David Chaum zurechtgelegt haben. Um den Klimawandel zu bekämpfen, kam Chaum auf eine spektakuläre Idee. Man könnte Mondstaub am sogenannten Lagrang-Punkt verteilen. Das ist jener rechnerische Punkt zwischen Sonne und Erde, an dem sich die Gravitationskräfte beider Himmelskörper ausgleichen. Dort verteilter Staub, so die Überlegung, könnte hängen bleiben und die Sonnenstrahlung auf die Erde dimmen.

Könnte klappen! Oder eben nicht. Und genau darum ist es mutmaßlich ganz gut, dass Herr Chaum noch keinen Mondstaub vor die Sonne gestreut hat. Doch die Risiko-Abwägung, was Manipulation von Wetter und Klima angeht, verschiebt sich zusehends - je länger sich die Klimakrise ungebremst vollzieht.

Gleichzeitig verlagert sich die Initiative bei solchem Geo-Engineering vom staatlichen in den privatwirtschaftlichen Bereich. Das sind zwei beunruhigende Botschaften, die von der neuen ARD-Doku "Kampf ums Klima - Was, wenn jemand die Sonne abdunkelt?" ausgehen.

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Die Sonne abdunkeln? Technologie galt lange als Tabu

Wissenschaftsjournalistin Lena Ganschow hat auf der Suche nach aktuellen Entwicklungen einmal den halben Erdball bereist. Von den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo man Wolken künstlich abregnen lässt, bis zu den führenden Universitäten Europas. Praktisch alle Methoden, die ihr vorgestellt werden, sind nicht ausgereift und unsicher im Hinblick auf unerwünschte Nebenwirkungen. Aber keine beeindruckt die Reporterin so sehr wie jene, die sich hinter der Abkürzung SAI verbirgt.

SAI steht für "Stratospheric aerosol injection". Vereinfacht ausgedrückt sollen Schwefel-Aerosole in die Stratosphäre injiziert werden und so die Sonne abdunkeln. Dr. Claudia Wieners forscht zu diesem seit den 70er-Jahren diskutierten Konzept an der Uni Utrecht als eine von nur wenigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern weltweit, wie es in der Doku heißt. Die Technologie war lange ein Tabu und gilt noch immer als hochgefährlich. Das streitet die Forscherin mit keiner Silbe ab.

SAI-Forscherin zeigt auf: "Das ist ein absolutes Horror-Szenario"

An der Schiefertafel zeigt die Physikerin mit Kreide auf, wie so ein Eingriff im Idealfall aussehen könnte. Wieners zeichnet einen Halbkreis. Er zeigt die zurückgehenden Treibhausgas-Emissionen bis auf null. Angenommen, das Kunststück gelänge der Menschheit wirklich: Die Temperaturen würden erst mal trotzdem weiter rasant steigen. Wieners will diesen Peak mittels SAI "rasieren", am besten ohne dabei "Chaos zu stiften". Sie fügt hinzu: "Ganz sicher kann man nicht sein, ehe wir es probiert haben."

Dann malt sie die schlechte Variante auf. Weiter steigende Emissionen. Mit SAI würden die Temperaturen künstlich heruntergekühlt. Dann gibt es in ihrem Szenario Krieg oder Uneinigkeit, die Maßnahmen würden beendet. "Dann schießt die Temperatur innerhalb kürzester Zeit auf die CO2-Kurve hoch. Das ist ein absolutes Horror-Szenario. Wir nennen es den 'termination shock'."

"Mich gruselt die Vorstellung, dass diese Technologie außer Kontrolle geraten könnte", zeigt der Vortrag bei der ARD-Reporterin Wirkung. "Ich würde diese Forschung nicht machen, wenn wir nicht schon ein Riesen-Problem hätten", rechtfertigt die Wissenschaftlerin ihre Arbeit. Es sei "bizarr, dass wir überhaupt an diesen Punkt gelangt sind, an dem wir so eine Schweinerei ernstlich überlegen". Was letztlich mehr Risiken berge, der Klimawandel oder SAI? Die Expertin antwortet offen: "Wenn du die politischen Risiken mitnimmst, finde ich es unglaublich schwierig zu beurteilen."

Ganze Staaten könnten "Kollateralschäden von Geo-Engineering" werden

Mit politischen Risiken kennt sich Dr. Stefan Schäfer, Politikwissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum in Potsdam, aus. Und genau deshalb hält er das schlechte Szenario für wahrscheinlicher. Schließlich folge Klimapolitik jetzt schon ökonomischen Leitlinien wie dem CO2-Preis, anstelle eines koordinierten wissenschaftlichen Vorgehens. "Alle haben mir gesagt, dass eine internationale Klimapolitik unumgänglich ist", bilanziert Reporterin Ganschow am Ende des Films, "aber ist die bei der jetzigen Weltlage überhaupt möglich?"

Was passiert, wenn internationale Politik die Bekämpfung des Klimawandels vernachlässigt, ist bereits heute zu erkennen: Privatwirtschaftliche Initiativen bezuschussen Geo-Engineering-Projekte nach dem Prinzip "Einfach mal machen". Doch wo die eine Region von aufgehellten Wolkenbändern profitiert, mag sich für eine andere wegen der veränderten Atmosphären-Zirkulation ein Katastrophenszenario ergeben. Ganze Staaten, sagt im Film eine wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Planungsamt der Bundeswehr, könnten "die Kollateralschäden von Geo-Engineering" werden.

Wer immer geglaubt hat, Technologie biete den bequemen Königsweg aus der Klimakrise, kann aus diesen ARD-Recherchen fast nur eine Erkenntnis ziehen: Es ist eine Rechnung mit offenem Ergebnis.

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