Kati - Eine Kür, die bleibt

Aus der DDR nach Hollywood: Mit Kati Witt auf der Suche nach der Ost-Identität

25.09.2024 von SWYRL/Maximilian Haase

Sie war ein Superstar, in der DDR wie im vereinigten Deutschland: Katarina Witt gilt als erfolgreichste Eiskunstläuferin aller Zeiten. Das ZDF-Biopic "Kati - Eine Kür, die bleibt" beleuchtet nun detailgetreu ihre ambivalenten Jahre nach der Wende, zwischen Weltruhm, Comeback und Identitätssuche.

Sie galt als "schönstes Gesicht des Sozialismus" und kam nach dem Mauerfall in Hollywood zu Weltruhm. Sie wurde zum Superstar in der DDR, in den USA und im vereinigten Deutschland. Sie ist die erfolgreichste Eiskunstläuferin aller Zeiten und schrieb mit zwei Olympiasiegen und vier Weltmeistertiteln Geschichte. Katarina Witt, 1965 in der DDR geboren und liebevoll Kati genannt, gehört zu den schillerndsten Sportpersönlichkeiten in Ost und West. Für ihre Leistungen hat man die in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, aufgewachsene Eis-Ikone mehrfach ausgezeichnet. Was noch fehlte? Klar, ein Biopic über ihr Leben. Dies holt das ZDF mit "Kati - Eine Kür, die bleibt" (Donnerstag, 3. Oktober, 20.15 Uhr, bereits vorab in der Mediathek) nun zum Tag der Deutschen Einheit nach - zumindest fast. Nacherzählt wird nämlich keineswegs die gesamte Witt'sche Biografie. Vielmehr fokussiert der Film mit Liebe zum Detail auf jene ambivalenten Nachwendejahre, in denen Kati Witt zwischen Weltruhm und Olympia-Comeback mit der eigenen Identität haderte.

Vor allem aber inszeniert Regisseurin Michaela "Mimi" Kezele die Geschichte zweier ostdeutscher Frauen, die einander für ihre Leben kaum prägender sein konnten: Einerseits Witt, die plötzlich in den USA als Ice-Queen gefeiert wird, sich hierzulande als Ex-Vorzeigestar der SED aber harscher Kritik stellen muss - und dennoch nach ihren großen Erfolgen in den 80er-Jahren nun bei den Olympischen Spielen in Lillehammer 1994 noch einmal antreten will. Andererseits ihre ehemalige Trainerin Jutta Müller, die ihre junge Protégée zu DDR-Zeiten zum Weltstar machte, ihre Karriere nach dem Mauerfall aber abrupt beenden musste. Die beiden Frauen unterschiedlicher Ost-Generationen eint nicht nur eine langjährige Zusammenarbeit und vielschichtige Beziehung, sondern auch die Erfahrung des Misstrauens wegen der Verstrickungen mit der DDR-Führung.

In dieser komplizierten Gemengelage, wir schreiben das Jahr 1992, wünscht sich Witt ihre Mentorin zurück. Müller soll sie - diesmal für das vereinigte Deutschland startend - erneut trainieren. Nur mit ihr, glaubt sie, habe das durch eine Regeländerung mögliche Comeback eine Chance. Eine "absurde" Idee, findet die Rentnerin zunächst, ihre Zeit sei vorbei. "Das ist was anderes als in Las Vegas mit dem Popo zu wackeln", warnt sie mit Anspielung auf die Eisshow "Holiday On Ice", mit der Witt in den Staaten begeisterte. "Sind Sie feige geworden", entgegnet sie ihrer Mentorin, die sie noch immer siezt, aber schließlich überreden kann. Es gilt schließlich nicht nur, abermals sportliche Exzellenz zu beweisen, sondern damit auch die DDR-Herkunft aufzuarbeiten respektive abzuschütteln.

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"Zwei Katarina Witts in einem Raum ist einfach eine zu viel"

"Kati - Eine Kür, die bleibt", will ausdrücklich keine Sportlerbiografie sein - und so sieht man die großen Jahre der blutjungen Witt im Schnelldurchlauf, mitsamt der Verbindungen zur SED-Elite: Originalaufnahmen zeigen sie bei einer Rede im FDJ-Hemd und Jutta Müller beim Handschlag mit Erich Honecker. Kati, das in der Heimat skeptisch beäugte Wunderkind, das es noch einmal allen zeigen will: Dass diese Erzählung von Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg funktioniert, liegt vor allem an den beiden Hauptdarstellerinnen: Lavinia Nowak ist Katarina Witt nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten (was natürlich hilft), sondern verkörpert glaubwürdig auch jene Mixtur aus Glamour, Stolz und Bodenständigkeit, die das öffentliche Bild Witts prägte. Auch bei Müller hat nicht nur die Maske grandiose Arbeit geleistet, fängt doch Darstellerin Dagmar Manzel die liebevolle Strenge ihrer Figur (und damit auch einen Archetyp des DDR-Leistungssports) vorbildgerecht ein.

Sie habe "fünf Monate nichts anderes gemacht als ihren Gang, ihre Weise zu sprechen, ihre Reaktionen zu studieren". berichtet Lavinia Nowak von ihrer Vorbereitung. Und in der Tat: Gestik, Mimik und Stimme sind verblüffend nah dran am Original. Als die echte Kati Witt dann beim Dreh zugesehen habe, sei dies "eigenartig" gewesen: "Zwei Katarina Witts in einem Raum ist einfach eine zu viel", so die 29-jährige Schauspielerin, die vom Vorbild eine Menge lernen konnte - etwa "wie sie ihre Schlittschuhe gebunden hat, das macht nämlich jeder ein bisschen anders". Diese Liebe zum Detail merkt man dem Film an.

Plötzlich am Filmset zu stehen, "war zugegebenermaßen etwas eigenartig, aber auch eine große Ehre", gesteht auch die echte Kati Witt. Fremd ist die Filmbranche der einstigen Schauspielstudentin nicht, hatte sie doch einige bemerkenswerte Auftritte als Darstellerin in Hollywoodproduktionen wie "Carmen on Ice" (1989), "Die Eisprinzessin" (1996) und "Ronin" (1998). 2013 spielte sie sich in "Der Feind in meinem Leben" sogar selbst - als von einem Stalker verfolgte Eiskunstläuferin. Nach der Doku "Katarina Witt - Eine Reise zu mir" (2016) nun also der erste Spielfilm über ihr Leben. Lavinia Nowak habe so gespielt, "wie ich mich als Eiskunstläuferin empfunden habe", lobt Witt - und bei Dagmar Manzel habe sie gar gedacht, "meine Trainerin steht leibhaftig vor mir".

"Nein, wird es nicht, wegen DDR"

Während andere Charaktere, darunter Katis Vati (Jörg Sternberg) und Mutti (Angela Hobrig), hölzerner daherkommen (Ausnahme: ein fantastischer Sylvester Groth als Müllers fürsorglicher Ehemann Binges), versucht das Drehbuch die für viele schmerzvolle Umbruchszeit nach der Wende abzubilden: Vati verliert wegen der Treuhand seinen Job, allerorts herrscht Tristesse. Zugleich beäugt man Katis US-Erfolg ebenso misstrauisch wie einst ihre Nähe zu den Parteigranden: "Sie landen aber auch immer auf der Schokoladenseite, wa?", kommentiert eine Kellnerin süffisant.

So geht es Schlag auf Schlag: Ausverkauf des Ostens, zerbrochene Lebensläufe und die große Frage: Was macht die DDR-Vergangenheit mit der Identität einer Person? Kann man die eigenen Wurzeln verleugnen? "Was du als Sportlerin erreicht hast, wird dir doch bleiben", sagt die Mutter an einer Stelle. - "Nee Mutti, wird's nicht. Weil es DDR war", entgegnet Kati trotzig.

Zwischen Chemnitzer Plattenbau, Hollywood-Glamour und Pirouetten auf dem Eis sucht sie nach ihrer Bestimmung in einer völlig veränderten Welt. Eine Suche, die vielen Ex-DDR-Bürgern bekannt vorkommen dürfte. Kati Witt gilt ihnen - trotz aller Privilegien - als "eine von uns".

Die Aufarbeitung der Vergangenheit braucht selbstredend symbolische Szenen: Kati, wie sie ihre aufreibenden Stasi-Akten sichtet. Kati, wie sie den ehemaligen Staatratsvorsitzenden Egon Krenz mit Vorwürfen der Manipulation konfrontiert. Kati, wie sie den Niedergang ihrer ehemaligen Heimat betrachtet. Dazwischen das harte Training für die Olympia-Qualifikation, das drohende Scheitern, die Verzweiflung der neuen alten Trainerin. Zu Gesicht bekommen die Zuschauer aber auch eine ausgelassene tanzende Kati, eine triumphierende Mentorin, stolze Eltern und die Hoffnung auf einen Neuanfang.

Von allem etwas zu viel

Es gibt viel zu kritisieren an dem Film, der sich irgendwo zwischen Mentorendrama, Frauengeschichte, Wende-Eventfilm und, ja auch: Sportlerbiopic einordnet: Die Dialoge sind bisweilen arg aufgesetzt, die Kulisse erscheint in ihrer Detailversessenheit etwas zu clean. Die Musik kommt oft penetrant daher - ob dramatisch emotional oder in ausgelassener 80er-Atmosphäre. Geschichtsstunde, großes Drama, buntes Entertainment: Manchmal wirkt es, als wollte "Kati - Eine Kür, die bleibt" von allem etwas zu viel. Trotzdem - oder gerade deshalb - liefern die überraschend humorvollen 90 Filmminuten abwechslungsreiche Unterhaltung.

Die echte Katarina Witt, eng beim Dreh eingebunden, scheint jedenfalls zufrieden - auch mit dem Fokus auf ihr Comeback und die Frage nach der eigenen Identität Anfang der 90-er: Der Film zeige, so die heute 58-Jährige, "dass es für mich nicht darum ging, Gold gewinnen zu wollen, sondern neben der immensen sportlichen Herausforderung auch um die Suche, in meinem neuen Land, dem nun wiedervereinten Deutschland, ein Stückchen Heimat wiederzufinden".

Der Osten auf der Suche nach sich selbst, zwischen alten Prägungen, neuen Herausforderungen und jeder Menge Unverständnis : Dass "Kati - Eine Kür, die bleibt" zum Tag der Deutschen Einheit - und nebenbei auch nach den drei denkwürdigen Landtagswahlen in Ostdeutschland - ausgestrahlt wird, passt also wie einst Kati Witts Schlittschuhe aufs Olympia-Eis.

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