04.10.2024 von SWYRL/Maximilian Haase
Die Bilder vom Mauerfall gingen um die Welt. Weniger filmische Zeugnisse gibt aus von den Monaten davor, als Zehntausende bei Demonstrationen auf die Straße gingen. Eine ZDF-Doku zeigt in bislang unveröffentlichte Aufnahmen, wie die "friedliche Revolution" im Herbst 1989 an Fahrt aufnahm.
Das große Jubiläum in diesem Jahr, 75 Jahre Grundgesetz und BRD, es wurde im TV ausgiebig mit diversen Sonderformaten begangen. Dagegen fällt das kleinere Jubiläum etwas gediegener aus: Vor 35 Jahren beendete der Fall der Berliner Mauer die Teilung des Landes und läutete damit die Wiedervereinigung ein. Natürlich findet der Jahrestag der "Friedlichen Revolution" trotz halb-ungerader Zahl auch diesmal im Fernsehen Widerhall - im ZDF sogar mit einem außergewöhnlichen Format: Die "Terra X History"-Dokumentation "DDR Herbst '89 - Stimmen einer Revolution" widmet sich nicht dem Mauerfall an sich, sondern den weniger beleuchteten Monaten zuvor. Das Besondere: Der Film zeigt unkommentiert teilweise unveröffentlichtes Material, von den Ausreisenden in Dresden bis zu den Montagsdemos in Leipzig.
Es waren so wichtige wie bange Wochen im Herbst des Jahres 1989: Ob die sich anbahnende Revolution wirklich friedlich bleiben würde, entschied sich bereits im September und Oktober. TV- und Amateuraufnahmen sowie Videomaterial und Funksprüche der DDR-Staatsorgane liefern ungewöhnliche Blicke auf jene alles entscheidenden zehn Tage, die in der Botschaft der Bundesrepublik in Prag begannen.
Dort verkündete Hans-Dietrich Genscher am 30. September vom Balkon die Ausreisegenehmigung für die tausenden Zuflucht suchenden DDR-Flüchtlinge. Die Züge in die BRD führten über den Dresdner Hauptbahnhof, wo es in den folgenden Nächten zu Chaos und Protesten kam. Um die Rädelsführer zu finden, filmten Stasi und Volkspolizei die Randale per Kamera - und schufen damit einzigartige historische Dokumente. Durch "energisches Vorgehen", so lauteten die Befehle, müsse mit dem "Spuk antisozialistischer Kräfte" Schluss gemacht werden.
Noch heikler wurde es am 2. Oktober 1989 in Leipzig, wo bereits 25.000 Menschen auf die Straße gingen. Ein US-Reporter, der sich als Tourist in der DDR befand, filmte den zwischen Aufbruchsstimmung und Angst schwankenden Demozug mit seiner Videokamera und schmuggelte die Aufnahmen schließlich in den Westen.
Die Bilder, die noch nie im deutschen Fernsehen zu sehen waren, zeigen den Auftakt zu jenem schicksalsträchtigen Montag eine Woche später, Bei der Montagsdemonstration am 9. Oktober, an deren Jahrestag die Doku ausgestrahlt wird, zogen etwa 70.000 Menschen um die Leipziger Innenstadt - und nicht wenige davon fürchteten einen Gegenschlag der Staatskräfte. Dass es tatsächlich viel schlimmer hätte kommen können, belegen Geheimaufnahmen einer Ansprache des Bürgermeisters, die im Film zu hören sind: "Schluss! Das kann sich der Staat und können wir uns nicht mehr bieten lassen." Wohl nur weil letztlich doch nicht geschossen wurde, konnte es einen Monat später in Berlin zum Fall der Mauer kommen.