05.11.2025 von SWYRL/Hans Czerny
Auswanderer sind längst ein Lieblingsthema der TV-Macher. Abenteurer werden gesucht und gefunden, Träume werden mit der Realität konfrontiert. Doch wie sah es in den vergangenen Jahrhunderten aus, als Hunger, Krieg und Intoleranz regierten?
Auswandern ist eines der Lieblingsthemen des Fernsehens, insbesondere der Reality-Formate. Mutige Menschen beginnen in der Ferne ein neues Leben. Werden sie sich durchsetzen - oder scheitern ihre Träume gar an der Realität? - Was heute als abenteuerliches Spiel erscheint, war vor mehreren hundert Jahren ein harter Kampf um die eigene Existenz. Der ARTE-Dreiteiler "Auswandern! - Deutsche Schicksale aus drei Jahrhunderten" von Marc Ball und Patrick Cabouat führt an den von Historikern ausgewählten Beispielen anschaulich war, was es für die Menschen vom 17. bis ins 19. Jahrhunderte bedeutete auszuwandern.
Die Abenteurer, die ab dem 17. Jahrhundert ein besseres Leben suchten, waren meist durch Hunger, Kälte und Not vertrieben worden, aber auch wegen ihrer religiösen Überzeugung. Alles begann mit dem 30-jährigen Krieg. Von Folter, Hungersnot und Pest vertrieben, brachen Hunderttausende auf ins Ungewisse, zunächst auf der Flucht in andere Städte Europas, später nach Russland und Amerika, in die Neue Welt.
Aufzeichnungen des Erlebten sind eher selten. Der Calvinist Augustin Güntzer flüchtete über Colmar und Strassburg nach Basel, der protestantische Anwalt und spätere Quäker Franz Pastorius kam in die 1607 gegründete Kolonie Pennsylvania, nach Philadelphia, in die Stadt der "brüderlichen Liebe". Mit anderen schuf er dort die Siedlung "German Town", mit einem Hektar Land für jede Familie, nach Art der Quäker ohne Hierarchie und Waffenbesitz. Als er vom Handel mit afrikanischen Sklaven erfuhr, verfasste er 1688 einen ersten Protest gegen die Sklaverei: "Gibt es Schlimmeres? Wir sind doch Christen!"
Die Legende vom braven Auswanderer wurde nicht zuletzt durch den in der Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzenden Goldrush zerstört. Immer mehr Europäer drängte es nach der niedergeschlagenen Revolution von 1848 in die Staaten, darunter auch den als "Kaiser von Kalifornien" verehrten Schweizer Johann Sutter, der mit Neu Helvetien eine Art Paradies zu gründen schien, später jedoch vom Auswanderer Heinrich Lienhard als Sklavenhalter geoutet wurde: "Neu Helvetien ist kein Paradies, sondern das Grauen!"
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Der Kaiser von Kalifornien
Doch die Flucht der Revolutionäre in den 1850er-Jahren mit einer Million Auswanderern in die USA brachte auch besondere Leistungen deutscher Frauen und Männer hervor. Die aus dem westfälischen Katholizismus hervorgegangene und später durch ihren Mann zu einem idealistischen Kommunismus gewechselte Dichterin Mathilde Anneke wurde zu einem führenden Gründungsmitglied der Frauenbewegung in Amerika, forderte vehement das Wahlrecht für Frauen und gründete 1852 in Milwaukee die erste Frauenzeitung in Amerika. Anneke setzte sich vehement für die Gleichberechtigung ein. In New York hielt sie vor dem American woman's rights movement eine flammende Rede für die Frauenrechte auf Deutsch.
Schade, dass sich die informative Geschichtsstunde über deutschsprachige Emigranten aus drei Jahrhunderten oft mit Cartoons, Gemälden und kommentierten Aufzeichnungen von Augenzeugen begnügen muss. Etwas mehr Filmmaterial - wie ausgerechnet bei Trenkers Sutter-Eloge "Kaiser von Kalifornien" - wäre da sicher nützlich gewesen. Die Teile zwei und drei folgen um 21.10 und 22.05 Uhr.



