09.10.2025 von SWYRL/Susanne Bald
Nach dem "Wien-Krimi" im Ersten nimmt sich zwei Tage später am Samstagabend im ZDF auch die Krimireihe "Stralsund" des Themas Gewalt gegen Frauen an. Die spektakulären Morde an mehreren Tätern deuten auch hier darauf hin, dass Betroffene nicht länger nur Opfer sein wollen.
Hauptkommissar Hidde (Alexander Held) und Kollegin Jule Zabek (Sophie Pfennigstorf) staunen beim Anblick der Männerleiche nicht schlecht: "6. Februar" prangt da in dicker, wackeliger schwarzer Tattoo-Schrift auf seinem Oberkörper. Sein Todestag. Da die Tätowierung bereits verheilt ist, muss er "wochenlang mit seinem eigenen Ablaufdatum auf der Brust rumgelaufen" sein, folgert Jule. "Stralsund - Ablaufdatum", der so makaber beginnende 26. Film der Krimireihe (Regie: Ziska Riemann), ist am Samstagabend im ZDF zu sehen sowie vorab in der Mediathek abrufbar.
Der Tote wird als Jonathan Theisen (Remo Schulze) identifiziert, als Todesursache wird Herzstillstand infolge einer Überdosis GHB, auch als Liquid Ecstasy bekannt, festgestellt. Die Droge wird häufig als K.o.-Mittel bei Sexualverbrechen genutzt.
Gerichtsmedizinerin Scherer (Vivien Mahler) erinnert sich an einen ähnlichen Fall, den sie kürzlich auf dem Seziertisch hatte: Micha Lehmann starb an einer Mischung aus Kokain und GHB, auf der Brust hatte er eine Narbe, wohl von einer Tattoo-Entfernung. Haben es Zabek, Hidde und ihr polnischer Kollege Tomasz Nowak (Jakub Gierszal) mit einer Mordserie zu tun? Mit einem Rachefeldzug?
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Gewalt gegen Frauen 2024 auf dem Höchststand
Die Zuschauerinnen und Zuschauer haben den Ermittlern gegenüber einmal mehr einen Wissensvorsprung. Sie haben gesehen, wie drei junge Frauen Jonathan Theisen mit Gewalt seinen Schicksalstag in die Haut gravierten: Martha (Lo Rivera), Anja (Anna Herrmann) und Nina (Cheyenne Demont) trainieren alle Selbstverteidigung im Female Fightclub, waren vermutlich selbst Opfer männlicher Gewalt, vielleicht sogar durch die beiden Ermordeten.
Doch haben die Frauen die Männer auch getötet oder sie "nur" tätowiert? Das wird sich erst ganz am Schluss des Krimis klären. Während Jule Zabek, einer Spur folgend, undercover im Fightclub ermittelt, gerät ein dritter Mann in den Fokus der Ermittler: Sebastian Schuster (Jonas Minthe). Auch er trägt seit Kurzem ein tätowiertes Datum auf der Brust - den 14. Februar. Und der rückt bedrohlich nahe ...
Wer "harmlose" Krimis mit Schmunzelfaktor bevorzugt, ist bei "Stralsund" generell falsch. Diesmal aber besonders. Dabei ist Hinsehen bei "Ablaufdatum" aus mehreren Gründen dringend zu empfehlen. Auch wenn man die Augen davor zu verschließen versucht, findet Gewalt gegen Frauen statt. 2024 erreichte häusliche Gewalt hierzulande einen Höchststand: knapp 266.000 Betroffene, rund 73 Prozent davon Frauen. Auch Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe auf Frauen nahmen zu, 13.320 Fälle wurden 2024 registriert - die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein.
Erneut starker Auftritt von Sophie Pfennigstorf
Mit Jule Zabek, von Sophie Pfennigstorf in ihrem sechsten Fall einmal mehr verletzlich und stark zugleich verkörpert, hat die "Stralsund"-Reihe eine moderne weibliche Identifikationsfigur etabliert. Sie wehrt sich gegen anzügliche Bemerkungen, Blicke oder herablassendes Verhalten. Und sie weist ihren Kollegen Tomasz zurecht, der vorschlägt, sie als Frau solle an seiner statt wegen des "so sensiblen Themas" ein Vergewaltigungsopfer befragen: "Na, dann sei doch sensibel. Das schaffst du schon."
Endlich erfährt man zudem mehr über Jules Vergangenheit, die Ursache für ihre Rastlosigkeit und ihr manchmal selbstzerstörerisches Verhalten. Seit ihrem Einstieg in Folge 21 weiß man, dass an ihrer letzten Arbeitsstätte etwas Traumatisierendes vorgefallen sein muss, doch erst jetzt lässt die Polizistin in einem verletzlichen Moment ihre verhärtete Fassade fallen. Es ist eine der stärksten Szenen des Films.
Zwei weitere Filme der Reihe "Stralsund" sind bereits in Vorbereitung, die Ausstrahlungstermine stehen noch nicht fest.