Jeanny - Das fünfte Mädchen - Mi. 12.06. - ARD: 20.15 Uhr

"Jeanny, life is not what it seems ..."

10.06.2024 von SWYRL/Franziska Wenzlick

Ein bärenstarker TV-Thriller von 2022, der auf Motiven des Falco-Hits "Jeanny" basiert: Die deutsch-österreichische Co-Produktion "Jeanny - Das fünfte Mädchen" ist ähnlich schaurig wie der Skandalsong aus dem Jahr 1985.

Als er 1985 seinen Song "Jeanny" veröffentlichte, löste Falco einen handfesten Skandal aus: Der mehrdeutige Text beinhaltete zwar nicht explizit Gewalt, doch kamen Vorwürfe der Verharmlosung einer Vergewaltigung auf. Verschiedene Sender in Deutschland schlossen sich einem Boykottaufruf durch Fraueninitiativen an, und auch der ein oder andere Prominente äußerte sich damals abfällig gegenüber dem österreichischen Sänger. "Falco ist ein Wiener Würstchen, das Schwachsinn produziert", lautete etwa das vernichtende Urteil Thomas Gottschalks. Und trotzdem: Allein in Deutschland hielt sich "Jeanny Part I" 1985 insgesamt 22 Wochen auf Platz 1 der Single-Charts, der zweite Song der Reihe, "Coming Home", blieb 1986 dann 17 Wochen an der Spitze.

Natürlich können sich knapp 40 Jahre später nur noch die Älteren an den Song und die Empörung über ihn von einst erinnern. Was blieb, war ein Kult-Hit, dessen Macher Falco schon allein durch seinen frühen Tod im Jahr 1998 Legendenstatus erreicht hat. In seinem Thriller "Jeanny - Das fünfte Mädchen" von 2022 hat der österreichische Regisseur Andreas Kopriva den kontroversen Song als Fernsehfilm inszeniert - und dabei die Gänsehaut-Stimmung eingefangen, die den Track einst zum Megaerfolg machte. Das Erste wiederholt den starken Film zwei Tage vor Eröffnung der heimischen Fußball-EM. Einem Tag, an dem die Konkurrenz vom ZDF zudem live von der Leichtathletik-EM in Rom berichtet. Wer weniger an Sport, denn an menschlichen Abgründen interessiert ist, dürfte sich übers Alternativprogramm im Ersten freuen.

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Newcomerin Theresa Riess ist "Jeanny"

Die TV-Adaption eines düsteren Song-Phänomens schließt nämlich nun die Lücken, die Falco offen ließ: Bei "Jeanny" handelt es sich im Film um die 19-jährige Jeanny Gruber (beeindruckend: Newcomerin Theresa Riess), die mit ihrer verwitweten Mutter (Eva Herzig) in Mödling in der Nähe von Wien lebt und kurz vor ihrer Matura steht. Gemeinsam mit ihrer Freundin Luzia (Laura Bilgeri) genießt sie ihr Teenagerleben in vollen Zügen, geht feiern, trinkt und flirtet, was das Zeug hält.

Die Partynächte der jungen Frauen bereiten Jeannys Mutter und Luzias Eltern, Kristina und Mark Eichhorn, (Patricia Aulitzky und Steffen Schroeder), große Sorgen: Bereits vier Mädchen sind in der Kleinstadt in den letzten Jahren spurlos verschwunden, auch Luzias ältere Schwester gilt als vermisst. Da die Polizei in ihren Ermittlungen bislang erfolglos blieb, hat sich eine Bürgerinitiative zum Schutz der Jugendlichen formiert - sehr zum Leidwesen von Jeanny und ihren Freundinnen, die durch die selbsternannten "Schutzengel" unter Dauerbeobachtung stehen.

Spagat zwischen Whodunit und Amour Fou

Als sie eines Tages auf den attraktiven Steuerberater Johannes (Manuel Rubey, der kurioserweise in der Titelrolle im Kino-Musical "Falco - Verdammt, wir leben noch!" bekannt wurde) trifft, gelingt es Jeanny, trotz ständiger Überwachung, eine Beziehung zu dem deutlich älteren Mann aufzubauen. Zwischen ihnen wächst eine geheime Liebe, die immer wieder durch ungewöhnliche Vorfälle ins Wanken gerät. Etwa dann, als Jeanny Johannes dabei erwischt, wie er heimlich aufgenommene Fotos von ihr ausdruckt. Oder als er auf einer Kunstausstellung einfach vor ihr flüchtet. Zudem gerät Johannes schon bald ins Visier der Ermittler und der Mödlinger Bürgerwehr, die hinter der sensiblen Fassade des Einzelgängers einen mordlustigen Stalker vermuten.

Es sind zwei Geschichten, die Andreas Kopriva in seinem mutigen TV-Thriller erzählt: Zum einen die einer verzweifelten Kleinstadt, in der die Suche nach einem Kidnapper die Grenzen zwischen Gerechtigkeit und grausamer Selbstjustiz verschwimmen lässt. Zum anderen die einer 19-Jährigen, die ihre erste große Liebe ausgerechnet in einem schwer traumatisierten Mann findet. Der Film verrät bis zuletzt nicht, wie eng beide Storys tatsächlich miteinander verwoben sind. Erst im (von Theresa Riess und Manuel Rubey grandios gespielten) Finale erfahren Jeanny und das Publikum, ob Johannes tatsächlich der ist, für den ihn alle halten. Dem von ORF und MDR coproduzierten Entführungsdrama gelingt es bravourös, einen schaurig-düsteren Whodunit-Krimi und gleichzeitig die tragischen Auswüchse einer Amour Fou erzählen. Der Film ist dabei so abgründig, dass er in den 1980er-Jahren wohl für Furore gesorgt hätte - wohl ganz im Sinne von Falco.

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