Kids Run - Di. 09.08. - ZDF: 22.45 Uhr

Mein Papa, der zärtliche Schläger

05.08.2022 von SWYRL/Eric Leimann

Mit "Kids Run", einem der mitreißendsten deutschen Filmdramen der letzten Jahre, eröffnet das ZDF die Reihe "Shooting Stars - Junges Kino im Zweiten". Jannis Niewöhner spielt einen Familienvater in prekären Verhältnissen, der als Preisboxer seine Kinder durchbringen will.

Meist tut sich das deutsche Kino und - noch mehr - das Fernsehen ja schwer, wenn es um die Schilderung prekärer Verhältnisse geht. Da fühlt sich Bildungsferne und Armut dann gern mal so trostlos und amtlich bedauernswert an, dass man lieber abschalten als einer vielleicht guten Geschichte folgen möchte. Ganz anders im mitreißenden Proll-Drama "Kids Run" der jungen Regisseurin Barbara Ott ("Für Jojo") aus dem Jahr 2020. Jannis Niewöhner spielt den jungen Gelegenheitsarbeiter Andi, der mit Mitte 20 bereits Vater dreier Kinder ist. Die älteren beiden, Sohn Ronny (Giuseppe Bonvissuto) und Tochter Nikki (Eline Doenst), leben nicht bei ihrer psychisch labilen Mutter Isa (die Schweizer "Tatort"-Kommissarin Carol Schuler), sondern komplett bei ihm. Baby Fiou teilt sich Andi mit Ex-Freundin Sonja (Lena Tronina), die er immer noch liebt. Sie lebt mittlerweile aber mit dem durchaus solventen Mike zusammen.

Oft muss Andi seine älteren beiden Kinder morgens in die Schule treiben und das Baby irgendwo "unterbekommen", um zu seinem Tagelöhnerjob bei einer Abrissfirma zu hetzen. Trotzdem reicht das Geld hinten und vorne nicht. Mit der Miete ist er monatelang im Rückstand - jetzt droht die kleine Familie mitten im bitterkalten Winter ihre Wohnung zu verlieren. Als es Andi schafft, sich eine größere Summe zu leihen, um seine Mietschulden zu begleichen, muss er die Summe innerhalb kürzester Zeit zurückzahlen - andererseits gäbe es Riesenärger. Ein Preisboxkampf unter Amateuren verspricht Andi genau jenes Preisgeld von 5.000 Euro, das er zurückzahlen muss. Mithilfe seiner Kinder und einiger Unterstützer wie Andis von Sascha Alexander Geršak dargestelltem Trainer versucht sich der junge Vater für das große Turnier in Form zu bringen.

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Ambivalenter Beitrag zur Debatte über toxische Männlichkeit

"Kids Run" erzählt über kaum mehr als anderthalb Stunden eine einfache Geschichte. Es ist ein Film, der Zuschauende authentisch wie zuvor selten gesehen in die Welt einer prekären deutschen Familie eintauchen lässt. Was tun, wenn das Geld für die Klassenfahrt, eine Winterjacke oder eben die Miete fehlt? Und was macht man mit seinen Kids, wenn die Mutter der älteren eigentlich unzurechnungsfähig ist und die jüngste Ex-Freundin zu einem reicheren Typen "wechselte", eben weil sie keine Energie mehr für das Leben auf der Rasierklinge der Existenz hat? All das schildert Barbara Ott (auch Drehbuch) in ihrem Debüt-Langfilm so mitreißend und einfühlsam, dass man manchmal denkt, man hätte noch nie einen vergleichbaren Stoff gesehen.

Dass die Geschichte von Andi und seinen "Kids" so fesselt, liegt natürlich auch an den fantastischen Darstellern, die beim Deutschen Schauspielpreis 2020 ebenso für ihre Ensembleleistung ausgezeichnet wurden wie Simone Bär, Phillis Dayanir und Johanne Hellwig für ihr herausragendes Casting. Auch andernorts erhielt "Kids Run" zu Recht Preis-Nominierungen, etwa als "Bester Erstlingsfilm" bei der Berlinale 2020. Und dass Jannis Niewöhner in seiner Rolle als durchaus rabiater "Zuschläger" ein wunderbar ambivalenter Beitrag zur Debatte über toxische Männlichkeit ist - wohlgemerkt aus Sicht einer weiblichen Filmemacherin - ist ebenfalls einer der Reize dieser kleinen Filmperle aus Deutschland.

"Kids Run" ist der erste Film der ZDF-Reihe "Shooting Stars - Junges Kino im Zweiten". Es folgen "Ivie wie Ivie" (Mittwoch, 10.08, 23.15 Uhr), "Viva Forever" (Donnerstag, 11.08., 23.25 Uhr) und "The Kids Turned Out Fine" (Montag, 15.08., 0.55 Uhr).

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