Neue ARD-Serie

Queer und schlagfertig: "Schwarze Früchte" erzählt von Anfeindungen und Identitätssuche

14.10.2024 von SWYRL/Matthias Deuring

Die neue Coming-of-Age-Dramedy "Schwarze Früchte" (ARD) zeigt ab 18. Oktober die Lebenswirklichkeit zweier junger Erwachsener, die selbstbewusst rassistischen, queer- und frauendfeindlichen Anfeindungen und Stereotypen die Stirn bieten.

Ein Einfamilienhaus irgendwo im biederen, dialektfreien Deutschland: Tobias (Nick Romeo Reimann) ist zum Anstandsbesuch bei seinen Eltern gekommen mit seinem Freund Lalo (Lamin Leroy Gibba) im Schlepptau. Nach langem Nachhaken hat sich Tobias wohl doch dazu breitschlagen lassen, den Menschen, mit dem er eine Beziehung führt, einmal vorzustellen. Kaum ist er im Haus, wird Lalo von Mutter Maren (Judith Engel), der das "ganz unangenehm" ist, dazu aufgefordert, doch bitte die Schuhe auszuziehen. Warum ist sie so aufgekratzt? Am Tisch offenbart sie, sie habe ja auch mal Kunst gemacht und so viel von einem damaligen Freund gelernt, auch so groß, auch schwul und auch schwarz. Lalo erinnere sie so sehr an ihn. Lalo erträgt die Selbstbehauptungen von Aufgeklärtheit und die distanzlosen Fragen lange mit geduldiger Mine, bis er eiskalt kontert: "Tobias hat ja mal erzählt, dass einer von euch beiden mal fremdgegangen ist. Warst das du?"

Es ist nicht das einzige Mal, dass die Figuren in "Schwarze Früchte" einfach den Spieß umdrehen und dem mal mehr mal minder subtilen Rassismus, dem Sexismus und der Queerfeindlichkeit, denen sie begegnen, die Stirn bieten. Die achtteilige Coming-Of-Age-Serie unter Regie von Elisha Smith-Leverock (Folgen eins bis vier) und David Uzochukwu (Folgen fünf bis acht) ist ab Freitag, 18. Oktober, in der ARD Mediathek, sowie um 23 Uhr bei One zu sehen.

Nicht weniger fühlt man mit Karla (Melodie Simina), der besten Freundin Lalos, wenn ihr Kollege Matthias (Yannick Niehoff) durscheinen lässt, dass er ihre Beförderung nicht so ganz ernst nehmen will. "Aye aye Boss!" heißt es gegenüber der neuen Vorgesetzten, die vermeintlich doch nur Quotenfrau und Quotenschwarze gewesen sei. Sie dagegen bleibt professionell, zeigt ihm in der Sache, warum sie gerade Karriere macht und nicht er. Doch wie auch Lalos Überrumpelungsstrategie, die er seit dem plötzlichen Tod seines Vaters fährt, ist Karlas markierte Stärke eine Fassade, die droht, sie zu isolieren.

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Glaubhafte Figuren entgegen gängiger Rollenklischees

"Schwarze Früchte" ist voller schwarzer, queerer und weiblicher Figuren, die einmal aus den deutschen TV-Klischees ausbrechen dürfen: Sie sind stark mit Charakterschwächen, mal komisch und schlagkräftig, mal überfordert mit Problemen, wie sie Mitte-20-Jährige nun mal haben. In Summe sind sie schlicht komplexe Persönlichkeiten. Man merkt, die Serie ist ernsthaft an den Leben von BIPoC (Schwarze, Indigene, "People of Color") und LGBTQIA+-Personen interessiert, was nicht zuletzt auch daran liegt, dass sie von ihnen gemacht ist. Lamin Leroy Gibba zum Beispiel ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern zudem hauptverantwortlicher Drehbuchschreiber. "Natürlich ist in Lalo, wie in allen Figuren der Serie, viel von mir eingeflossen", sagt er im Interview: "'Schwarze Früchte' verhandeln Themen, Gedanken und Fragen, die mich seit langem beschäftigen." Die Serie sei "sehr persönlich, aber nicht autobiografisch".

Als Zuschauer wird einem oftmals unwohl, und man hofft als nicht von Diskriminierung betroffene Person inständig, dass die Dialoge nicht allzu wirklichkeitsgetreu sind. Am liebsten aber würde man sich gemeinsam mit Lalo betrinken, um all das durchzustehen. Wobei das als Qualitätsmerkmal gemeint ist. Zwar ist hier nicht alles meisterhaftes Schauspiel und preisverdächtiges Filmhandwerk, aber "durchzustehen" gibt es bei "Schwarze Früchte" nichts. Die acht Folgen à 35 bis 40 Minuten Länge fangen allen thematischen Anspruch und die unangenehmen Konfrontationen mit Witz und Szenen echter Freundschaft wieder auf. Typisch Dramedy eben, und vielleicht in dieser tragikomischen Mischung genau das Richtige, der nötige Unernst im Umgang mit ernsten Problemen, um zum einen Identifikationsfiguren zu schaffen und zum anderen deutsche Sehgewohnheiten ein wenig auflaufen zu lassen.

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