"ARD-Wissen: Eco-Crimes - Gefährlicher Gas-Schmuggel"

4000-mal schädlicher als CO2: ARD-Doku deckt Schmuggel mit Klimakiller-Gas auf

11.03.2024 von SWYRL/Jürgen Winzer

Weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt hat sich ein neuer krimineller Boom-Markt entwickelt: Gas-Schmuggel. Umwelt-Verbrechern bieten sich enorme Gewinne bei vergleichsweise niedrigem Risiko. Eine ARD-Dokumentation berichtet vom Sisyphos-Kampf der Behörden gegen die Gas-Mafia.

In der organisierten Kriminalität wiederholt sich Geschichte bisweilen doch. Bereits 2008 wurde FCKW in großem Stil aus China nach Europa geschmuggelt. Mittlerweile ist der "Ozonschicht-Killer" FCKW verboten. Aber es wurden Ersatzstoffe eingeführt. Mit dem Ergebnis, dass jetzt eben diese HFKW-Gase geschmuggelt werden. Erneut aus China. Und erneut zulasten der Umwelt.

"Es ist wie Gold. Je weniger es gibt, umso teurer wird es", sagt der rumänische Gas-Schmuggler cool in der ARD-Doku "Eco Crimes - Von gefährlichen Gasen und Schmugglern" von Judith Voelker. Er bringt es auf den Punkt: Die Nachfrage ist riesig, weil das Angebot knapp ist. Die Folge: Die Preise explodieren. Das hat viele Kriminelle zum "Umschulen" bewogen.

Gas-Schmuggel ist nicht nur leichter durchzuführen als Drogen- oder Waffenschmuggel. Sondern für die Schmuggler auch ungefährlicher. Die zu erwartenden Strafen sind gering und bieten keine Abschreckung. Das ist nur ein Aspekt eines mehrschichtigen Problems. Klar ist nur: Es gefährdet die Umwelt. Und zwar massiv.

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Es droht eine zusätzliche Erderwärmung um 0,4 Grad Celsius

Zunächst einmal: HFKW-Chemikalien sind legal. Und hilfreich. Nach dem Verbot der die Ozonschicht dezimierenden FCKW-Stoffe wurden sie als Ersatzstoffe angewandt. Vor allem in Kühl- und Klimaanlagen, auch in Wärmepumpen und Tiefkühllager. Jeder der eine Klimaanlage im Auto hat oder im Supermarkt Tiefgefrorenes kauft, kommt damit in Berührung und schätzt die Wirkung.

Allerdings schaden auch die HFKW-Chemikalien der Umwelt. Sie beschädigen zwar nicht die Ozonschicht, dafür sorgen sie für eine Erwärmung des Klimas. Man hat schnell herausgefunden, dass die teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe (HFKW) zu den schlimmsten Treibhausgasen zählen. Das Kühlmittel R 404 A etwa, das in Tiefkühlgeräten zum Einsatz kommt, hat ein Treibhauspotenzial, das jenes von CO2 um beinahe das 4.000-fache übersteigt. Würde HFKW ungebremst weiter verwendet, käme es zu mehr Dürren, Bränden, mehr Extremwetter - und einer zusätzlichen Erwärmung der Erdtemperatur um 0,4 Grad Celsius.

Große Gewinnmargen wecken kriminelle Begierden

Deshalb wurde reagiert. Die Vereinten Nationen haben den "Phase Down" beschlossen, die schrittweise Reduktion von Herstellung und Verbrauch der klimaschädlichen Kühlgase. Allerdings maß man mit unterschiedlichem Maß. Während die Industriestaaten schon 2019 mit dem "Phase Down" begannen und ihre HFKW-Quote um 95 Prozent reduziert haben sollen, steigen die Schwellen- und Entwicklungsländer erst 2029 in die Reduktionsphase ein. Davon profitiert - wie damals bei den FCKW-Gasen - auch China.

In Europa zeigten sich schnell die Auswirkungen: Das Angebot wurde reduziert, während die Nachfrage stabil blieb. Die Preise stiegen bis auf das Fünffache - und weckten kriminelle Begierden.

Seither steigt der Gas-Schmuggel. Und die Bemühungen der Behörden, diesen zu unterbinden. Das Doku-Team sprach mit Mitarbeitern Umweltaktivisten-Organisation "Environmental Investigation Agency" (EIA) und Ermittlern von OLAF, dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung, war bei Einsätzen der spanischen Seprona dabei, der Sondereinheit für Umweltkriminalität der Guardia Cevil, und vor Ort, als am Hafen von Piräus ein Lager mit geschmuggelten HFKW-Gasflaschen ausgehoben wurde.

"Egal, was wir tun, die Kriminellen finden immer wieder neue Wege"

Der Kampf gegen die Schmuggler, die ihre Ware mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit größtenteils aus China beziehen (das war schon beim Kampf gegen den FCKW-Schmuggel vor 15 Jahren so), gleicht dem gegen Windmühlen oder dem des alten Griechen Sisyphos. Der wälzte täglich einen Felsbrocken hangaufwärts, der ihm aber immer wieder kurz vor dem Ziel abrutschte. Übertragend auf die Bekämpfung des Schmuggels: "Egal, was wir tun und wie gut wir werden, die Kriminellen finden immer wieder neue Wege, neue Kanäle, neue Transportmittel", seufzt Julian Newman von der EIA.

Die rumänischen "Gold-Gas-Schmuggler" etwa bringen ihre heiße Ware per Lkw oder verborgen im Kühltransporter, aber auch per Kurierfahrer oder ganz dreist versteckt in Reisebussen über die Grenze Richtung Deutschland, Italien oder sonst wohin in Europa. Bedarf an Kühlmitteln gibt es überall - vor allem in den südlichen und somit heißeren Gefilden. Die "Reisebus"-Variante findet Fin Walravens von der EIA besonders schockierend, weil die Reisenden gar nicht wissen, dass sie auf Gasflaschen sitzen.

Gas-Schmuggel hat die organisierte Kriminalität angelockt

Die Schmugglerringe profitieren vom offenen Markt in Europa, sie fälschen Papiere und Gasflaschen-Etikette. Sie bestechen Zollbeamte. Mittlerweile ist die Arbeit der Behörden und der Polizei zunehmend gefährlicher geworden. Denn auch die organisierte Kriminalität ist ob der tollen Gewinnmargen hellhörig geworden und eingestiegen. In Spanien werden Durchsuchungen von Warenlagern zunehmend von schwer bewaffneten Sondereinheiten übernommen - es ist gefährlich geworden.

Davon bekommt die Öffentlichkeit wenig mit. Dabei geht es um den Schutz der Erdatmosphäre vor den gefährlichen Kühlmitteln - und damit uns alle an.

"ARD Wissen: Eco Crimes - Von gefährlichen Gasen und Schmugglern" ist ab sofort in der ARD-Mediathek zu sehen und am Montag, 11. März, 22.50 Uhr, im Ersten.

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