"Evil-E - Eva Ries und der Wu-Tang Clan" in der ARD-Mediathek

40 Millionen Alben und eine Drogenspende von Marilyn Manson

12.09.2025 von SWYRL/Eric Leimann

Der starke Dokumentarfilm "Evil-E - Eva Ries und der Wu-Tang Clan" zeigt das Leben der deutschen Managerin der größten HipHop-Band der 90er-Jahre. Dabei mochte sie anfangs nicht mal deren Sound. Die älter gewordenen Wu-Tangs reflektieren übers Leben, die Karriere - und eine strenge Deutsche namens Eva.

Der Wu-Tang Clan, mit 40 Millionen verkauften Alben die wahrscheinlich erfolgreichste HipHop-Band der 90-er, hat seine Karriere beendet. Die letzte Show ihrer Abschiedstournee fand am 18. Juli 2025 in den USA statt. Da passt es, dass der sehenswerte Dokumentarfilm "Evil-E - Eva Ries und der Wu-Tang Clan" (ab Dienstag, 16. September, ARD-Mediathek) aus ungewöhnlicher Perspektive auf ein globales Musikphänomen, seinen revolutionären Sound und das HipHop-Geschäft von damals zurückblickt. Die Filmemacher Jermain Raffington und Julian Brimmers erzählen die Geschichte des Wu-Tang Clans mit den Rappern RZA, GZA, Ol' Dirty Bastard, Method Man, Raekwon, Ghostface Killah, Inspectah Deck, U-God und Masta Killa. Sie tun dies aus der Perspektive einer zierlichen weißen Frau aus der kurpfälzischen Provinz.

Eva Ries, 1962 in Mannheim geboren und in Ladenburg im bildungsbürgerlichen Haushalt aufgewachsen, war ein Mädchen, das sich früh für Musik - und Musiker - interessierte. Ihr späterer Mann und Vater ihrer Tochter - beide treten in der Doku auf - spielte mit Wallemähne in einer lokalen Hardrockband. Eva, die vom boomenden Musikgeschäft der späten 80-er fasziniert war, fing als Fotografin an. Bald jedoch wurde sie Managerin bei Geffen Records.

Eva Ries verantwortete die deutsche Vermarktung von Bands wie Sonic Youth oder Axl Rose' Band Guns'n'Roses ("er war damals ein A ...loch") und präsentiert im Film ihre achtlos im Wohnzimmer herumstehende Goldene Schallplatte für Nivanas "Nevermind" ("eigentlich gab es da mal einen Rahmen zu ..."). Noch in frühen 90-ern zog es sie dann in die USA und in einen neuen Job. Ihre erste Aufgabe dort: Sie sollte eine junge, aufstrebende HipHop-Gruppe aus New York managen, den sogenannten Wu-Tang Clan.

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Als HipHop noch nicht die größte Jugendkultur der Welt war

Kurz vor Jobbeginn empfahl ihr der neue Arbeitgeber, nun wäre die richtige Zeit für ihren "honeymoon". Für die Flitterwochen auf Hawaii bekam sie schon mal ein Tape mit Musik ihrer neuen Schützlinge mit ins Reisegepäck. Sie hätte geweint, sagt Eva Ries in der Doku, weil die Musik so mies gewesen sei: rumpelnde Beats, keine Refrains - wollte da jemand der Neuen aus Deutschland einen Streich spielen?

Bald jedoch sollte sich zeigen: Das deutsche Ehepaar aus der pfälzischen Provinz (und mit ebensolchem Zungenschlag ausgestattet) war ins Zentrum des hippen Zeitgeistes umgezogen. In New York - und bald auf der ganzen Welt - explodierte der neue, wagemutige Sound des Wu-Tang Clans. Eva erinnert sich an das erste Treffen mit ihren Schützlingen. Kaum jemand hätte sie eines Blickes gewürdigt, geschweige denn mit ihr gesprochen. "HipHop war Mitte der 90-er keine angenehme Szene für Frauen", erinnert sich eine New Yorker DJ-Legende im Film. "Es war eine toxische, männlich dominierte Kultur."

Trotzdem erarbeitet sich die Deutsche mit taffem Business-Handwerk und ihrer direkten Art mehr und mehr den Respekt der jungen schwarzen Männer aus Staten Island. Im Film blicken einigen von ihnen auf die damalige Zeit zurück. "Evil E" war bald Evas Kampfname im Clan, wegen ihrer Strenge. Dazu passt, dass der Clan berüchtigt war für Unzuverlässigkeit, Drogenkonsum und allerlei Verschwörungstheorien, die auch ihr musikalisches Werk durchziehen. Was der Film bei seiner Rückkehr an New Yorker und andere Schauplätze schafft: Man versteht, wie rassistisch und toxisch man damals als junger schwarzer Mann aus der Vorstadt von Polizei und herrschender weißen Klasse behandelt wurde. Es war jene Zeit, als HipHop noch Subkultur und nicht die größte Jugendkultur der Welt war.

Persönlichkeiten einer mittlerweise verblassten Musikbranche

Wenn die kurzweilige 75-Minuten-Doku nur ein Phänomen deutlich macht, dann dass sich Gegensätze anziehen. In einer Szene erzählt Eva, die über ihr Leben auch ein Buch schrieb ("Wu-Tang is forever: Im engsten Kreis der größten Band der Welt", 2023) wie sie den Clan nur dadurch vom Gang auf die Festival-Bühne überzeugen konnte, indem sie kurzfristig Drogen besorgte. Dafür klopfte sie kurz entschlossen an die Wohnwagen-Tür von Marilyn Manson: "Hast du Drogen?" "Ja" "Was kosten die?" "Du brauchst nichts zu zahlen." Aus Geschichten wie dieser wird klar, dass die strenge Deutsche für ihre Bandmitglieder einiges möglich machte. Eine besonders innige Verbindung unterhielt sie zum verrücktesten von allem, dem bereits 2004 verstorbenen Ol' Dirty Bastard. In einer besonders anrührenden Szene des Films teilt Eva mit einer Tochter des Rappers gemeinsame Erinnerungen.

In den letzten 15 Minuten ändert sich - ein wenig verwunderlich - der Tonfall des Filmes. Eva Ries wird von der unwahrscheinlichen, unbekannten Heldin der Geschichte auf einmal zu einer auch ein wenig kritisch betrachteten Selbstvermarkterin, die auch heute noch im Musikbusiness mitmischt, zum Beispiel als Managerin der Elevator Boys. Eine Frau, die auch ihre eigenen Eitelkeiten ein wenig in den Vordergrund rückt. Doch selbst, wenn der Bruch im Erzählstil etwas verwundert: "Evil-E - Eva Ries und der Wu-Tang Clan" ist ein Dokumentarfilm mit einer tollen Story, in der man viel über die HipHop-Szene der 90-er, mysteriöse Rap-Persönlichkeiten von einst und den mittlerweile verblassten Glamour der Musikbranche lernt.

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