11.08.2024 von SWYRL/Elisa Eberle
Seit ihrem ESC-Sieg 2014 in Kopenhagen gilt Conchita Wurst fast in aller Welt als Unikat. In der SAT.1-Show "The Tribute - Die Show der Musiklegenden" soll sie nun gemeinsam mit Yvonne Catterfeld und Bertram Engel nach der besten Coverband Deutschlands suchen. Worauf es dabei ankommt und wie sie zu Doubles ihrer selbst steht, verrät Conchita Wurst im Interview.
Zehn Jahre ist es her, dass Conchita Wurst mit "Rise Like A Phoenix" für Österreich den Eurovision Song Contest gewann. Als singende Diva mit Bart im Abendkleid wurde die Kunstfigur schnell zum Symbol eines offeneren Umgangs mit verschiedenen Geschlechterrollen. In den vergangenen Jahren schien es, als würde sich der dahinterstehende Künstler Tom Neuwirth von seinem Alter Ego zu entfernen: "Wenn ich über Conchita Wurst nachdenke, würde ich sagen: Das bin nicht mehr ich", erklärte der 34-Jährige 2022 in einem Interview: "Es war eine Idee, ein Moment, eine Überzeugung, eine Emotion." Wenn am Freitag, 16. August, die erste von insgesamt fünf Ausgaben "The Tribute - Die Show der Musiklegenden" (um 20.15 Uhr bei SAT.1 ) zu sehen ist, wird Conchita Wurst trotzdem neben der Sängerin Yvonne Catterfeld sowie dem dem Schlagzeuger von Udo Lindenbergs Panikorchester, Bertram Engel, in der Jury sitzen. Unter Moderation von Matthias Opdenhövel gilt es, die beste Coverband Deutschlands zu finden. Wie genau diese Suche abkäuft und worauf es bei der Auswahl ankommt, verrät Conchita Wurst im Interview. Auch findet sie klare Worte zum vermehrten Hass in der Gesellschaft und auf Social Media.
teleschau: Wenn Sie an die größte Musiklegende der Geschichte denken: Wer kommt Ihnen als erstes in den Sinn?
Conchita Wurst: Viele auf einmal! Allgemein würde ich Beyoncé sagen. Ich glaube, sie ist der größte Star auf diesem Planeten - wahrscheinlich mit Taylor Swift zusammen. Aber für mich persönlich sind es Shirley Bassey, Céline Dion, Cher.
teleschau: Warum gerade sie?
Wurst: Ich liebe starke weibliche Stimmen. Ich glaube, sie haben mich auch zum Singen erzogen. Deswegen schreie ich auch so beim Singen (lacht). Natürlich fließen für mich auch ihr Glamour, ihre Fashion und all das mit ein.
teleschau: In "The Tribute - Die Show der Musiklegenden" soll die beste Coverband Deutschlands gefunden werden. Wie genau läuft diese Suche ab?
Wurst: Es haben sich einige bei uns beworben. Die besten haben es auf die Bühne in unsere Show geschafft. Dort stellen sie sich unserer Meinung, die wir versuchen, so professionell wie möglich abzugeben, und der Meinung des Studiopublikums. Mit Bertram Engel, der seit 1.000 Jahren im Musikgeschäft ist, Yvonne Catterfeld, die einfach eine großartige Künstlerin ist und eine Stimme wie eine Glocke hat, und mir. Ich versuche, mein Know-how als Entertainer miteinfließen zu lassen. So bildet sich eine Dreifaltigkeit (lacht), und wir picken uns diejenige Coverband heraus, von der wir glauben, dass sie auch international auf einer großen Bühne bestehen würde.
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"Die Qualität muss stimmen"
teleschau: Welche Eigenschaften müssen die Kandidatinnen und Kandidaten mitbringen, um Sie von sich zu überzeugen?
Wurst: Das Absurde ist: Wenn ich jetzt sage "Authentizität", dann meine ich das auch so. Wenn eine Band versucht, dem Original so nah wie möglich zu sein, finde ich das sehr spannend. Wir haben auf jeden Fall ein paar dabei, die das können. Wir haben aber auch Acts, bei denen die eigene Person mehr im Vordergrund steht, und bei denen der Vergleich nicht ganz so funktioniert hat. Aber das Wichtigste ist trotzdem, dass man ihnen glaubt.
teleschau: Worauf achten Sie bei der Bewertung der Bands eher: auf den Klang oder das Aussehen?
Wurst: Auf jeden Fall auf ihr Können, also darauf, dass sie die Songs auch singen können. Wir haben einige Acts dabei, die sich an Künstlerinnen und Künstler wagen, deren Stimmen legendär sind. Die Qualität muss stimmen. Gleichzeitig müssen sie aber auch eine gewisse Sicherheit verkaufen. Und natürlich gibt es auch Acts, die ihrem Vorbild dermaßen ähnlich schauen, dass wir sagen: "Das gibt es doch nicht!"
teleschau: Wer aus der Jury ist der oder die strengste?
Wurst: Ich glaube, wir wechseln uns da ein bisschen ab. Wir haben auf jeden Fall alle immer etwas Gutes zu sagen. Denn sich auf diese Bühne zu wagen und eine Show abzuliefern, erfordert viel Mut, dem wir dann auch mit einem gewissen Respekt begegnen. Aber es gab durchaus auch Auftritte, bei denen Bertram gelangweilt war oder Yvonne unzufrieden war, oder wo ich mir gedacht habe: Okay, das habe ich jetzt aber schon dreimal gesehen! Wir sind dann auch nicht verlegen, das zu sagen. Untereinander sind wir uns auch nicht immer ganz einig (lacht). Das ist auch spannend, denn von den beiden kann ich auch extrem viel lernen.
"In Österreich haben wir eine stark florierende Musikszene"
teleschau: Manche der gecoverten Bands, Künstlerinnen und Künstler gibt es noch heute. Haben Sie Rückmeldung von ihnen bekommen, wie sie dem Projekt gegenüberstehen?
Wurst: Direkt nicht. Aber ich glaube, dass es nach der Ausstrahlung einige Reaktionen geben wird. Wir haben Bands in der Show, die deutschen Bands Tribut zollen. Da bin ich schon gespannt, was für Rückmeldungen kommen. Ich darf natürlich auch nicht zu viel verraten (lacht).
teleschau: Warum braucht es überhaupt Coverbands, wenn es das Original zumindest noch auf CD gibt?
Wurst: Wenn die originalen Künstlerinnen und Künstler schon tot sind, dann ist der Fall für mich klar: Es ist doch großartig, wenn junge Menschen die Möglichkeit bekommen, diese Bands einmal live zu sehen. Für die Sängerinnen und Sänger, die ihr eigenes Double auf der Bühne sehen, ist es faszinierend, weil das auch eine Form des kreativen Austauschs ist, der sie im besten Fall neu inspiriert.
teleschau: Kritische Stimmen behaupten, die Musik von heute gleiche zunehmend einem Einheitsbrei. Wie sehen Sie das?
Wurst: Der Einheitsbrei findet vor allem im Mainstream statt. Da kann ich die Kritik schon nachvollziehen. Aber das hängt auch damit zusammen, wer eine Plattform für seine Musik bekommen. Hier in Österreich zum Beispiel haben wir eine stark florierende Musikszene, jedoch wird das wenigste davon wird in der breiten Masse abgebildet. Das ist sehr schade. Aber wenn man sich mehr damit beschäftigt und dem eigenen Geschmack entsprechend sucht, findet man extrem viel gute, neue Musik.
teleschau: Welcher Künstlerin oder welchem Künstler von heute würden Sie ohne zu zögern zutrauen, den Legenden-Status zu erlangen?
Wurst: Ankathie Koi! Sie ist eine Freundin von mir, die eine fantastische Live-Performerin ist - da bleibt dir der Mund offen stehen! Dann gibt es noch Anja Om und Lylit, beide ebenfalls Österreicherinnen.
"Conchita Wurst ist das einfachste Halloween-Kostüm der Welt"
teleschau: Auch von Conchita Wurst gibt es inzwischen einige Doubles. Haben Sie eines davon schon einmal live gesehen?
Wurst: Ja, immer wieder! Es kam durchaus schon mal vor, dass ich ein Foto gesehen habe, und mich fragte: Wo war ich denn dort? Bis mir auffiel: Das bin ich ja gar nicht! Also es ist schon viel Gutes dabei. Ich finde auch, dass Conchita Wurst das einfachste Halloween-Kostüm der Welt ist (lacht).
teleschau: Wie fühlt es sich an, sich selbst auf der Bühne zu beobachten?
Wurst: Es ist extrem spannend! Diese Menschen sehen Bewegungen, die ich mache, wenn ich performe, die ich selbst gar nicht bemerke. Da dachte ich mir schon manchmal: Das mache ich ja wirklich die ganze Zeit! Dieser vorgehaltene Spiegel ist schon sehr interessant.
teleschau: Über Conchita Wurst sagten Sie vor zwei Jahren in einem Interview: "Das bin nicht mehr ich." Dennoch treten Sie nach wie vor unter diesem Namen auf. Wie ist Ihr Verhältnis heute?
Wurst: Ja ... Da merkt man wieder: Man kann mir einfach nicht glauben, weil ich meine Meinung ständig ändere. Gerade bei Fragen, die meine Person betreffen, denke ich oft: Das ist jetzt die ultimative Wahrheit! Aber je älter ich werde, desto mehr merke ich: Ich entwickle mich einfach weiter wie wir alle. Darum habe ich es auch so geliebt, bei "The Tribute - Die Show der Musiklegenden" in High Glamour aufzutreten. Die Produktionsfirmen wissen inzwischen auch, dass ich mir styletechnisch nicht reinreden lasse. Die haben vielleicht gar nicht damit gerechnet, dass ich in High Glamour komme, aber ich hatte einfach Bock darauf!
"Mein weiterer Weg ist unberechenbar"
teleschau: Ihre ausgefallenen Outfits stoßen vor allem auf Social Media nach wie vor auf Kritik. Wie gehen Sie damit um?
Wurst: Ich gehe mit Negativität gar nicht um! Aber was mir auffällt, ist, dass die negativen Kommentare in letzter Zeit wieder extrem zugenommen haben. Das sehen wir auch in unserer Gesellschaft: Der Rechtsruck ist so omnipräsent. Es ist unverschämt, dass die Leute auch noch stolz darauf sind, dass sie jemanden ausgrenzen! Wenn ich in die USA schaue, frage ich mich: Was zum Teufel ist da los? Was ganz viele Menschen nicht verstehen, ist, dass wir kein Entscheidungsrecht mehr haben, wenn wir zulassen, dass die Demokratie flöten geht. Dann sind wir alle von einer Person oder wenigen Personen abhängig, die uns alles diktieren. Ich habe ganz, ganz lange überhaupt keinen Hass bekommen. In den letzten anderthalb Jahren kam der Hass aber wieder hoch. Mir persönlich ist es wurst: Ich habe meine Meinung über mich, und ich könnte mich nicht weniger um die Meinung der anderen scheren. Aber dass der Hass in unserer Gesellschaft wieder salonfähig ist, das ist erschreckend. Am Ende des Tages hilft das niemandem von uns. Denn im Grunde wollen die ganzen Hater eigentlich auch mal in den Arm genommen und verstanden werden.
teleschau: Sehen Sie sich auch in der Verantwortung, durch Auftritte von Conchita Wurst zum Beispiel bei "The Tribute - Die Show der Musiklegenden" zu zeigen, dass es eben auch noch andere Ansichten gibt?
Wurst: Ich merke schon die Wichtigkeit von uns allen, die wir alternative Realitäten abbilden. Gerade für junge Leute, die von der momentanen Situation vielleicht eingeschüchtert sind. Deshalb nutze ich meine Plattformen, um zu zeigen, was mir wichtig ist. Wir leben in Zeiten, in denen wir als prominente Personen auch wirklich Klartext sprechen müssen. Wenn ich allein an die ganzen Sportler, die Fußballerinnen und Fußballer denke, deren Fans meist doch die heterosexuellen cis-Männer sind. Wenn sie sich für die Vielfalt einsetzen, ist das für uns alle extrem gut. Aber natürlich weiß ich auch, wie schwierig es ist, sich als Fußballer zum Beispiel als homosexuell zu outen.
teleschau: In letzter Zeit waren Sie vor allem als Moderatorin tätig. Dürfen wir demnächst auch wieder neue Musik erwarten?
Wurst: Ich mache immer wieder etwas anderes. Momentan spiele ich Theater, neue Musik kommt auch. Aber mein weiterer Weg ist unberechenbar.
teleschau: Gibt es etwas, das Sie gerne noch ausprobieren würden?
Wurst: Ich habe noch keinen Film gedreht, und ich würde wahnsinnig gerne Kostüme für die Oper entwerfen.