ARD-Talk mit Louis Klamroth

"Hart aber fair": Millionär Wolfgang Grupp redet sich gegen "Abzocker" in Rage

01.10.2024 von SWYRL/Doris Neubauer

"Können wir uns die Reichen noch leisten?", wollte Louis Klamroth am Montag bei "Hart aber fair" eine Gerechtigkeitsdebatte anzetteln. Das ließen sich seine Gäste, allen voran Ex-Trigema-Chef Wolfgang Grupp und Immobilienunternehmer Josef Rick, nicht zweimal sagen und waren sich einig: "Alles liegt an unserer Politik!"

Ein Single gehört mit 3.700 Euro Haushaltsnettoeinkommen zum reichsten Zehntel der Bevölkerung in Deutschland. Ein Paar ohne Kinder fällt laut einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) mit 5.550 Euro netto in diese Kategorie. "Das reicht bis zu Milliardären, die 100 Millionen Euro und mehr haben", bezeichnete Journalistin und Buchautorin Julia Friedrichs das breite Spektrum als Quatsch.

Beim Thema "Die Gerechtigkeits-Debatte: Können wir uns die Reichen noch leisten?", das bei Louis Klamroth am Montag, 30. September, bei "Hart aber fair" auf dem Programm stand, müsste von Menschen gesprochen werden, deren Vermögen mindestens vier bis sechs Millionen Euro entsprächen.

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Josef Rick: "Denken Sie nie an die Leute, die arbeiten, wenn Sie über Reichtum sprechen!"

Wie groß das Vermögen von Wolfgang Grupp, dem langjährigem Geschäftsführer von "TRIGEMA W. Grupp KG" ist, dazu wollte sich der 82-jährige Textilunternehmer genauso wenig äußern wie zu "den Reichen". Zum Thema Gerechtigkeit hingegen hatte er einiges zu sagen - und das lautstark. "Wir brauchen Verantwortung und Haftung zurück", echauffierte er sich über Unternehmer wie Karstadt-Chef René Benko, der "500 Millionen Staatshilfen" bekommen hätte und trotz Zusammenbruchs seines Unternehmens Millionär geblieben wäre.

Die Politik würde so ein "Abzocken" möglich machen. Er hätte deshalb schon lange vorgeschlagen, Unternehmern mit persönlicher Haftung einen 15 prozentigen Steuerrabatt zu ermöglichen. "Wenn er dann in Insolvenz geht, hat er nichts mehr", wäre das ein Anreiz für verantwortungsvolles Wirtschaften. Firmeninhabern wie Reinhold Würth oder Martin Herrenknecht hingegen steuerlich etwas "wegzunehmen", davon hielt er nichts: "Das sind Unternehmer, die Tausende von Arbeitsplätzen unterhalten, wo die Mitarbeiter stolz sind, bei denen zu arbeiten."

Für ihn stand fest: "Wir sprechen hier nicht über reich oder nicht reich - wir müssen mal über Anstand und Gerechtigkeit sprechen!" Sein emotionales Plädoyer wurde mit Applaus aus dem Publikum belohnt.

"Wir werden noch Freunde heute Abend", stimmte Immobilienunternehmer Josef Rick zu. Der zweite Millionär in der illustren Gästerunde bei "Hart aber fair" verwies auf diejenigen, "die trotz dieser Steuerprivilegien sogar noch ins Betrügerische abrutschen". Einigkeit herrschte auch darin, dass "alles an unserer Politik liegt". Insbesondere auf die FDP und den anwesenden Johannes Vogel schoss er sich ein.

Julia Friedrichs: "Im oberen Segement wächst das Vermögen wie blöde"

Natürlich müsste gegen Verbrecher vorgegangen werden, hatte der stellvertretende Bundesvorsitzende der FPD gemeint. Das größte Problem wäre aber, dass sich Menschen aus der Mittelschicht zu wenig aufbauen können und geringe Aufstiegsmöglichkeiten hätten.

"Die FDP nimmt immer den hart arbeitenden Mittelständler", kritisierte Rick, "um den geht es aber nicht: Denken Sie nie an die Leute, die arbeiten, wenn Sie über Reichtum sprechen. Bitte schieben Sie nicht den Bäckermeister mit 30 Mitarbeitern vor." Auch Unternehmer wie Wolfgang Grupp wären eine Minderheit. Vielmehr ginge es um Menschen wie ihn selbst, die "nicht arbeiten, sondern Geld arbeiten lassen".

"Diese können Millionen verdienen und Null Steuern zahlen", brachte er ein Beispiel aus der Praxis: Würde ein Teil eines Unternehmens verkauft werden, würden nur fünf Prozent des Gewinns als Steuer hinterlegt. "Was soll das?", empörte er sich und schlug vor, mit Einnahmen von dieser Gruppe die Arbeitenden zu entlasten.

"Der Mann gegenüber will mehr Steuern zahlen, hat aber das Gefühl, die FDP verhindert das", stachelte Klamroth eine Diskussion an. "Ich verhindere das nicht", nutzte Vogel gleich seine Chance, "ich gebe Ihnen im Nachklang der Sendung die Kontonummer des Finanzamts." Mehr Geld überweisen oder auch für wohltätige Zwecke spenden, wäre immer möglich. Er verwies zudem darauf, dass im Hochsteuerland Deutschland die zehn Prozent Bestverdienenden 57 Prozent Vermögens- und Einkommenssteuer zahlen würden.

Josef Rick: "Die Geldelite muss vorausmarschieren!"

Dabei handelt es sich aber nur um arbeitende Menschen, sah Rick sich in seinem Argument bestätigt und hatte einen Gegenvorschlag parat. "Warum sorgen wir nicht dafür, dass nicht nur Josef Rick das bezahlt, sondern alle in seiner Einkommenskategorie, die mit Vermögen ihr Geld bekommen?", lautete die Idee. "Die Anlage von Kapital erzeugt viel mehr Einkommen. Dieses sollte höher besteuert werden als das, das mit Arbeit erwirtschaftet wird."

Dass der Staat bei der Einkommenssteuer massiv umverteilt, bestätigte Journalistin Friedrichs. "Absurd finde ich, dass wir das bei der Arbeit tun, beim Vermögen aber nicht", gab sie Rick Rückendeckung. Dabei würde die Aussage, dass "Reiche immer reicher werden" nur noch beim Vermögen stimmen: "Im oberen Segment wächst das Vermögen wie blöde", sprach sie Klartext. Dabei handelt es sich in zwei Drittel der Fälle um geerbtes Vermögen, das verkruste: "Das beißt sich mit dem Versprechen dieses Landes, dass Leistung und nicht die Frage der Geburt Reichtum schafft", gab sie zu bedenken.

Ausgerechnet bei der Arbeit "zuzulangen" und zum Beispiel Betriebsvermögen aus der Erbschaftssteuer herauszunehmen, wäre ein falsches Signal für Menschen, die arbeiten oder ein Unternehmen gründen wollen. "Letztere müssen auch einen Kredit aufnehmen, warum kann der Erbe des Milliardenvermögens das nicht tun?", argumentierte sie.

Bestünde die Ausnahme bei Betriebsvermögen nicht, "kann man kein Unternehmen an die nächste Generation abgeben", widersprach Vogel und betonte gleichzeitig: "Eigentum ist Grundrecht, keine Verfügungsmasse für linke Politiker."

Damit lieferte er ein Stichwort für Jan van Aken (Die Linke, Bewerber um den Parteivorsitz): "Was ist das für ein Eigentumsbegriff?", wunderte er sich. Er verwies darauf, dass seine Tochter als Krankenpflegerin so hohe Steuern zahlt, dass ihr Vermögen bei Null läge. "Hier stellt man den Eigentumsbegriff nicht infrage?", schimpfte er. Man müsste die Steuern für die arbeitende Bevölkerung absenken und uns "das bei den unanständig Reichen reinholen", forderte er: "Niemand braucht mehr als 100 Millionen Euro", sprach er sich nicht nur für eine Vermögenssteuer, sondern sogar für eine "Abschaffung aller Milliardäre" aus.

"Die Geldelite muss vorausmarschieren"

Mit der "steilen These" (O-Ton Klamroth) konnte Vogel wenig anfangen: Statt durch Steuern den Kuchen anders zu verteilen, gäbe es eine weitere Lösung für das Gerechtigkeitsdilemma: "Das Beste ist Wirtschaftswachstum!" Mit den daraus gewonnenen Mehrausnahmen könnte die hart arbeitende Mitte steuerlich kräftig entlastet werden.

Die Journalistin Friedrichs hatte die Diskussion zwischen den Politikern grinsend verfolgt, wie Klamroth beobachtete. "Wieder sind wir beim Einkommen gelandet und haben um den Punkt, um den es geht, vorbeilaviert", analysierte sie die "Choreografie der Diskussion" - "wir schaffen es, an großem Vermögen vorbeizudiskutieren."

Dass die Grünen jetzt angekündigt hätten, das Thema Vermögenssteuer anzugehen, betrachtete die "Realistin in mir" als reine Wahlkampfansage ohne Substanz. Die Optimistin hingegen hoffte, dass das dringend notwendige Gerechtigkeitsthema endlich angepackt würde.

"Die Geldelite muss vorausmarschieren", plädierte Rick zum Schluss an seine Millionärs-Kollegenschaft und konnte sich vorstellen, nach schwedischem Vorbild Steuerzahlungen auch der Reichsten einsehbar zu machen: "Wir sind Vorbilder, das sollen wir zeigen", hoffte er, damit auch "der blauen Partei in Ostdeutschland" den Wind aus den Segeln zu nehmen.

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