06.10.2024 von SWYRL/Andreas Fischer
Eine wahre Geschichte, wenige Jahre vor #MeToo: "Bombshell - Das Ende des Schweigens" zeichnet nach, wie Megyn Kelly und zwei weitere Moderatorinnen des reaktionären US-Nachrichtensenders Fox News unter CEO Roger Aisles systematischen Macht- und sexuellen Missbrauch aufdecken.
"Bombshell" ist ein Film über toxische Männlichkeit. Diese Art von Männlichkeit, die immer noch manifest in der Gesellschaft ist - da muss man sich nichts vormachen -, die aber mittlerweile dank #MeToo mindestens hinterfragt, wenn nicht verfolgt wird und nicht einfach kommentarlos akzeptiert wird. Merkwürdig, dass ausgerechnet bei diesem Film ausschließlich Männer das kreative Sagen hatten: Jay Roach ("Austin Powers"-Filme) führte Regie, das Drehbuch stammt von Charles Randolph ("The Big Short"), auch Kamera (Barry Ackroyd) und Schnitt (Jon Poll) lagen in männlichen Händen. Dass Männer einen Film über institutionalisierten Chauvinismus und über sexuelle Belästigung beim US-Nachrichtensender Fox News machen, erklärt vielleicht, warum "Bombshell" emotional so seltsam steril wirkt.
Der Film erzählt davon, wie und unter welchen Umständen Produzent und CEO Roger Ailes, phänomenal von John Lithgow gespielt, 2016 der sexuellen Belästigung angeklagt wurde. Unter seiner Ägide herrschte beim Nachrichtensender Fox News jahrelang ein Klima der sexuellen Gewalt und Einschüchterung. Nachdem der Chef die ehemalige Starmoderatorin Gretchen Carlson (Nicole Kidman) feuerte, entschloss sie sich, Ailes wegen sexueller Belästigungen anzuklagen. Carlson ist zunächst Einzelkämpferin und wird als Nestbeschmutzerin diskreditiert, doch in ihrer Kollegin Megyn Kelly (Charlize Theron) findet sie eine bekannte und potente Mitstreiterin. Nach und nach schließen sich immer mehr Frauen der Klage an: Sexueller Missbrauch hatte bei Fox News System.
Filme wie "Bombshell" kann es nicht genug geben - 2022 zog etwa Regisseurin Maria Schrader mit "She Said" über die Aufdeckung von Harvey Weinsteins Machenschaften nach -, vor allem nicht, wenn Hollywood-Hochkaräter wie Charlize Theron, die den Film mitproduziert hat, Nicole Kidman und Margot Robbie ein potenziell großes Publikum anlocken. Dafür ist das Thema zu wichtig, dafür hat sich trotz #MeToo zu wenig geändert.
Leider nimmt sich "Bombshell" zu wenig Zeit für seine Figuren, ist ungenau und ziemlich kühl. Jay Roach inszeniert den Film wie eine überlange, hektische News-Reportage. Das ist angesichts des Schauplatzes zwar nachvollziehbar, aber auch ziemlich verwirrend.
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"Grab them by the pussy"-Mentalität
Was man bei "Bombshell" und den darin dargestellten realen Hintergründen immer im Blick behalten muss, ist, dass sie sich in den USA abspielen. Megyn Kelly und Gretchen Carlson etwa gehörten selbst einem News-Establishment an, das dem Publikum stramm konservative, chauvinistische Thesen eintrichterte - und nicht zuletzt einen Mann ins Weiße Haus hievte, der sich damit brüstete, allen Frauen ungestraft in den Schritt fassen zu dürfen. Donald Trumps "Grab them by the pussy"-Video schlug im Wahlkampf 2016 zwar hohe Wellen, geschadet haben ihm die sexistischen Äußerungen aber nicht.
Wer also wieder einmal fragt, warum Frauen sexuelle Übergriffe, Demütigungen und Beleidigungen nicht früher anzeigen, besonders in einem ungleichen beruflichen Machtgefüge wie hier, bekommt die Antworten in "Bombshell" deutlich aufgezeigt: Weil eine Anzeige in den meisten Fällen keine Folgen für den Täter hat, zur Handlungszeit allemal, sondern die Anzeigende von den mächtigen Männern als Nestbeschmutzerin und Lügnerin diffamiert wird. Diese Männer können dafür sorgen, dass Frauen in ihrer Branche in ihrem ganzen Leben nie wieder einen Job erhalten werden.
Auch bei Fox News herrschte vor 2016 eine "Grab them by the pussy"-Mentalität, vorgelebt von Senderchef Roger Ailes, der sich seit Gründung des Nachrichtenkanals 1996 seine Moderatorinnen nach Beinlänge aussucht und im schummrigen Altherrenbüro auf Kameratauglichkeit und Loyalität testet: Die Szene, in der sich Margot Robbie als Newsküken Kayla bei Ailes um Sendezeit bemüht und von ihm genötigt wird, ihren Rock immer weiter anzuheben, ist an Ekelhaftigkeit kaum zu überbieten.