02.07.2023 von SWYRL/Marina Birner
TV-Kultanwalt Ingo Lenßen tauscht das Studio gegen den Strand und eröffnet für SAT.1 eine "Strandkanzlei" am Ballermann. Welche skurrilen Fälle ihm begegnen und worauf Reisende besonders achten sollten, verrät er im Interview.
Sein Herz ist, sagt er selbst, "bunt und nicht grau wie so mancher Anzug": Das spürt man auch im Interview mit Ingo Lenßen, Fachanwalt für Strafrecht. Seit 20 Jahren ist die Frohnatur mit dem unverwechselbaren Schnauzbart im Fernsehen präsent. Jetzt tauscht der gebürtige Krefelder das Studio gegen den Strand. Während sich in den ersten beiden Ausgaben alles um Schnäppchen- und Trenddestinationen drehte, eröffnet der TV-Kultanwalt nun in einem "Urlaubscheck"-Spezial (Donnerstag, 6. Juli, 20.15 Uhr, SAT.1) eine "Strandkanzlei" am Strand von El Arenal. Und das, obwohl sich der Sender Ende 2022 doch noch von Lenßen getrennt hatte ... Ganz aus dem Programm verschwand der Jurist allerdings nie: Wiederholungen von "Lenßen übernimmt" füllten regelmäßig das Vorabendprogramm. Nun feiert der 62-Jährige sein Comeback.
teleschau: Eine Kanzlei auf Mallorca - da böte sich nach getaner Rechtsberatung ja ein Bier im Bierkönig an ...
Ingo Lenßen: Bisher hat es mich rein beruflich mit meiner "Strandkanzlei" an den Ballermann verschlagen. Und da ich nach getaner Arbeit ein Glas Rotwein einem Feierabendbier vorziehe, belasse ich es vorerst bei der Trennung von Arbeit am Ballermann und Freizeit und urlaube lieber anderswo. (lacht)
teleschau: Wie sieht für Sie ein perfekter Urlaub aus?
Ingo Lenßen: Bei einem perfekten Urlaub ist die Familie um mich, das Telefon reduziert, die Sonne scheint, ein Pool ist in der Nähe, im idealen Fall auch ein Golfplatz.
teleschau: Sie beraten Reisende beispielsweise in Sachen Urlaubsplanung: Worauf kommt es dabei besonders an?
Ingo Lenßen: Viele Urlauberinnen und Urlauber erleben bei der Ankunft im Hotel oder in ihrer Ferienwohnung ein böses Erwachen: Die Beschreibung des Urlaubsanbieters passt einfach nicht mit der Realität zusammen - Bilder auf Webseiten oder in Katalogen werden beispielsweise so auf Hochglanz poliert, dass man sich am Urlaubsziel mindestens veräppelt, wenn nicht sogar betrogen fühlt. In unserer "Urlaubscheck"-Sonderausgabe verlege ich deshalb mit SAT.1 meine Kanzlei nach Mallorca und gebe Urlauberinnen und Urlaubern nicht nur Tipps und Ratschläge mit, sondern checke die Mängel auch direkt vor Ort mit ihnen. Was können sie gegen Abzocke tun? An wen müssen sie sich bei Mängeln wenden? Gibt es Geld zurück? Es sind Fälle dabei, da musste selbst ich mir noch ungläubig die Augen reiben.
teleschau: Zum Beispiel?
Ingo Lenßen: In der "Strandkanzlei" schildert mir beispielsweise ein Urlauber, wie er zum Urlaubsstart feststellen musste, dass die von ihm angemietete Finca überhaupt nicht vermietet wird. Das ist sicher für jeden die reinste Urlaubskatastrophe, wenn man im Voraus zahlt, aber bei der Ankunft am Ferienort ohne Unterkunft dasteht. Und ein weiterer Fall, mit dem wir konfrontiert sind, lässt besonders aufhorchen: Einer Mallorca-Prominenz wird tatsächlich unterstellt, dass auf der Toilette des eigenen gastronomischen Betriebs versteckte Kameras installiert sind. Das sehen wir uns natürlich genau an ...
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"Das A und O ist es aber, Probleme direkt am Urlaubsort anzuzeigen"
teleschau: Was sind die häufigsten Gründe, warum die Urlauber Sie am Strand aufsuchen?
Ingo Lenßen: Die Gründe sind sehr vielfältig - und oft skurril. Aber natürlich bekommen wir es auch mit klassischen Problemen wie mangelhafter Hygiene im Hotel oder dem Blick auf eine Müllhalde aus dem Zimmer anstatt des gebuchten Meerblicks zu tun. Zu den Klassikern zählt auch die unrechtmäßige Einbehaltung der Mietwagenkaution nach der Rückgabe.
teleschau: Gibt es etwas, das wirklich die meisten falsch machen?
Ingo Lenßen: Tatsächlich! Es ist ein Irrglaube, dass man bis zur Rückkehr nach Deutschland warten muss, um Mängel geltend machen zu können. Das A und O ist es aber, Probleme direkt am Urlaubsort anzuzeigen - und zwar schriftlich. Habe ich die Anreise und das Hotel selbst gebucht, muss ich bei Problemen direkt mit dem Hotelpersonal sprechen. Bei Pauschalreisen wendet man sich an die Reiseleitung und lässt sich die Mängel schriftlich bestätigen. So bekommt man direkt Abhilfe oder zu Hause einen Teil der Reisekosten zurück.
teleschau: Sind Sie bereits selbst in eine Falle getappt?
Ingo Lenßen: Leider ja: Bei einer Mietwagenbuchung in Costa Rica hat man mir bei der Rückgabe des Wagens fehlende Fußmatten in Rechnung gestellt, obwohl sie bei der Anmietung gar nicht im Fahrzeug waren. Ein kleinerer Betrugsversuch, aber ärgerlich war er trotzdem. Tipp: Mit dem Smartphone Fotos des Wagenzustands bei der Anmietung machen - von außen und von innen und dem Anbieter so ein Schnippchen schlagen.
"Je mehr Alkohol fließt, desto weniger aufmerksam und reaktionsschnell ist man"
teleschau: Inwiefern hat sich das Geschehen, das Miteinander am Ballermann in den vergangenen Jahren verändert? Werden die Menschen vernünftiger, misstrauischer oder doch einfach nur naiver?
Ingo Lenßen: Wir sind zum ersten Mal mit der "Strandkanzlei" auf Mallorca. Deshalb kann ich rückblickend keinen Vergleich ziehen. Ich habe aber den Eindruck, dass gerade bei Gruppenreisen die Vorfreude und Ausgelassenheit dazu führt, dass Vorsicht gar nicht erst Teil des Reisegepäcks wird.
teleschau: Gibt es denn einen Tipp, den Sie Urlaubern jetzt geben können - worauf müssen sie achtgeben, um nicht Opfer von Betrügereien und anderen einschlägigen Verbrechen zu werden?
Ingo Lenßen: Ganz simpel: Wenn es beispielsweise darum geht, Taschendieben die "Arbeit" nicht zu leicht zu machen, sollte man am besten in Begleitung unterwegs sein, die Taschen gut verschlossen halten und idealerweise nicht zu betrunken sein. Je mehr Alkohol fließt, desto weniger aufmerksam und reaktionsschnell ist man ja bekanntlich.
teleschau: Warum arbeiten Sie als Fachanwalt für Strafrecht in solchen Fällen teilweise pro bono?
Ingo Lenßen: Generell gehört es für mich zum beruflichen Ethos, Menschen mit Problemen oder in Not zu helfen. Für mich steht da das Geld nicht immer an erster Stelle.
teleschau: Haben Sie ein Mantra, eine Art Motto?
Ingo Lenßen: Es gehören viele Dinge zum Anwalt sein: Natürlich ist als Anwalt ein ordentliches Fachwissen notwendig, aber ebenso Empathie und Engagement. Man muss sich auch in die Situation der Mandantinnen und Mandanten hineinversetzen können, ihnen Verständnis für ihre Situation entgegenbringen.
"Mein Herz ist bunt und nicht grau, wie so mancher Anzug!"
teleschau: Wie kamen Sie eigentlich zum Fernsehen?
Ingo Lenßen: Als Anwalt im Fernsehen Fälle zu lösen oder über den TV-Bildschirm Menschen mit rechtlichem Rat zu unterstützen, war gar nicht auf meiner Agenda. Ich wurde vor über 20 Jahren gefragt, ob ich Lust hätte, einmal mitzumachen. Da ich wissen wollte, wie es hinter den Kameras zugeht, habe ich einfach zugesagt. Und das hat mich nun zur Rechtsberatung am Strand von El Arenal geführt (lacht).
teleschau: Können Sie sich vorstellen, Ihre "Strandkanzlei" im Rahmen eines Formats weiterzuführen?
Ingo Lenßen: Wir hatten einen erstaunlich großen Zulauf an Urlauberinnen und Urlaubern, die spontan rechtlichen Beistand suchten. Wie es dann mit der "Strandkanzlei" weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Aber klar kann ich mir eine Fortsetzung vorstellen. Außerdem habe ich erst kürzlich gemeinsam mit Docma TV die neue Produktionsfirma 4justice media gegründet - mit der wir vor allem Factual- und True-Crime-Formate produzieren werden. Und unser Ziel ist es, auch die SAT.1-Zuschauerinnen und -Zuschauer mit diesen Formaten zu informieren und zu unterhalten.
teleschau: Sie sehen nicht unbedingt aus wie der "typische" Fachanwalt für Strafrecht - schlagen also zwei Herzen, das des Paradiesvogels und das des knallharten Verhandlers, in Ihrer Brust?
Ingo Lenßen: Mein Herz ist bunt und nicht grau, wie so mancher Anzug! (lacht)