"Tatort: Des anderen Last"

Kölner "Tatort": Werden Paketboten wirklich ausgebeutet?

03.12.2023 von SWYRL/Eric Leimann

Auf Black Friday folgt das Weihnachtsgeschäft. Der Online-Handel boomt und damit die Zustellung per Bote. Der Kölner "Tatort: Des anderen Last" berichtete vom Megastress und Überfällen auf Fahrerinnen und Fahrer. Doch was sagen die nackten Zahlen: Wie geht es den Menschen in der Branche wirklich?

Jeder ahnt es oder hat davon gehört: Paketzusteller sind - gerade in den Tagen von "Black Friday" und vor Weihnachten - extrem im Stress. Zum Job gehören Zeitdruck, schlechte Arbeitsbedingungen und miese Bezahlung - so heißt es. Der Kölner Tatort: "Des anderen Last" war nicht der erste Film, der die Zustände in der Branche beschrieb.

Doch wie sind die Bedingungen wirklich? Wie viel verdient man zu welchem Preis? Welche Filme beschreiben die Zustände der Branche am besten und wer waren die beeindruckendsten Gaststars des Weihnachts-"Tatorts"?

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Worum ging es?

Kurz vor Weihnachten boomte das Geschäft der Kölner Speditionsunternehmerin Sybille Jäger (Susanne Bredehöft). Einer ihrer Zusteller, der junge Familienvater Milan Strasser (Dennis Svensson), wurde während der Arbeit ermordet. Die Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) ermittelten. Weil ihnen der Betrieb komisch vorkam, platzierten sie Kollegin Natalie Förster (Tinka Fürst) dort "undercover".

Sie freundete sich mit Fahrerin Jenny (Paula Kober) an, um mehr herauszufinden. Was hatte es auf sich mit "Superfahrer" Boris Riedle (Nils Hohenhövel), der sich intensiv um Milans Witwe (Zoë Valks) kümmerte? Oder mit dem Ex-Postboten Klaus Brettschneider (Hans-Martin Stier), eigentlich schon Rentner, der nach dem Unfall seiner Tochter (Stefanie Philipps) nun für die Rest-Familie inklusive Teenie-Enkel (Linus Moog) schuften musste?

Worum ging es wirklich?

Selten war ein "Tatort"-Titel so klug gewählt: Zum einen trägt der Zusteller wortwörtlich Lasten vor die Wohnungstür, die wir früher noch selbst schleppen mussten. Und dann ist da noch das Bibelzitat "Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen". Eine Mahnung zur Solidarität, ja ein biblischer Aufruf zum gesellschaftlich guten Miteinander.

Drehbuchautor Paul Salisbury, preisgekrönt für den Film "Atlas" (über Möbelpacker und damit andere Knochenjob-Ausübende) sowie Regisseurin Nina Wolfrum schaffen es, etliche pikante Aspekte der modernen Logistik-Gesellschaft anzusprechen: Wettbewerbsdruck, der zu verzweifelten Tricks und ebensolcher Kriminalität führt, und das Spannungsfeld zwischen Solidarität und Betrügereien unter den Fahrern, die in einem ausbeuterischen System als kleinste Systemräder unter besonderer Spannung stehen. Karl Marx hätte dem Kölner Weihnachts-"Tatort" wohl trotz Bibelzitat fünf von fünf Punkten gegeben.

Welcher "Tatort"-Star spielte seine letzte Rolle?

Besonders anrührend war die Geschichte der Frauenfreundschaft zwischen Undercover-Ermittlerin Natalie (Tinka Fürst) und Fahrerin Jenny. Warum? Weil man schnell spürte, dass sich die beiden jungen Frauen mochten, Natalies Einsatz aber eigentlich darin bestand, ihre neue Freundin auszuhorchen. Jenny wurde wie schon im starken ARD-Vergewaltigungs-Drama "37 Sekunden" von Paula Kober gespielt. Die 29-jährige Lübeckerin ist mit ihrem authentischen Spiel eine der spannendsten jungen Schauspielerinnen in Deutschland derzeit.

Im "Tatort" kümmert sie sich um ihren betagten Nachbarn, der von Dieter Schaad gespielt wird. Es ist die letzte Rolle des im Februar 2023 kurz vor seinem 97. Geburtstag verstorbenen Darstellers - dem wohl ältesten, bis dahin noch regelmäßig aktiven deutschen Schauspieler, der mit seinem feinen Spiel auch immer wieder "Tatorte" bereicherte. Im letzten Jahr zum Beispiel die gelungene Ludwigshafener Folge "Lenas Tante". Schaad starb plötzlich, kurz nach Beendigung der Dreharbeiten zum Advents-"Tatort", in seiner Heimatstadt Wiesbaden.

Welche Zusteller-Filme sollte man kennen?

Zwei Filme, einen preisgekrönten deutschen und einen ebensolchen britischen, sollte man als Meilensteine des Paketboten-Dramas kennen: das Drama "Geliefert" (2021) mit Bjarne Mädel und "Sorry We Missed You" vom britischen Sozialdrama-Fachmann Ken Loach, der 2019 für viele europäische Filmpreise und sogar die "Goldene Palme" nominiert war. Für Jan Fehses ARD-Film "Geliefert" gewann "Paketbote" Bjarne Mädel den Grimme-Preis als bester Darsteller.

Wie schlimm ist es mit der Ausbeutung der Zusteller?

4,15 Milliarden Kurier-, Express- und Paketsendungen (KEP) wurden im Jahr 2022 in Deutschland verschickt. Zwar 7,9 Prozent weniger als im Corona-Jahr 2021, aber 14 Prozent mehr als vor der Pandemie. Insgesamt rechnet der Bundesverband Paket & Express Logistik (BIEK) mit einem Wachstum auf 4,9 Milliarden Sendungen bis 2027. Jeder Deutsche erhielt 2022 durchschnittlich fast 50 Pakete zugestellt. Dafür sorgten 569.100 Beschäftigte. In der Vorweihnachtszeit müssen sie bis zu 250 Pakete pro Tag ausliefern. Während der Bruttomonatsverdienst in der deutschen Gesamtwirtschaft zwischen 2012 und 2022 um 24 Prozent stieg, legten die Paketzusteller laut Statistischem Bundesamt nur um sechs Prozent zu. Im Durchschnitt verdienen sie 2.719 Euro brutto in Monat.

Kritisiert werden die Arbeitsbedingungen: Viele Zusteller erhalten nur (befristete) Teilzeitverträge. Was nicht geschafft wird, muss zum Teil in unbezahlten Überstunden ausgeliefert werden. In der Vergangenheit beschäftigten große Logistiker gerne Subunternehmer (wie im "Tatort"), die sich nicht an die geltenden Tarifverträge halten müssen. Einzig DHL stellt ihre Paketboten weitestgehend im eigenen Betrieb an. Fast 30 Prozent der Auslieferer sind "atypisch" beschäftigt, also etwa vermittelt durch Zeitarbeitsfirmen. Die Zustände verbessern helfen soll das 2019 in Kraft getretene Paketboten-Schutzgesetz.

Wie geht es beim Kölner "Tatort" weiter?

Der nächste Kölner "Tatort: Pyramide" (Fall 89) läuft bereits am 14. Januar. Darin geht es um den Mord an einem Verbraucherschutz-Anwalt. Zwei weitere Folgen sind bereits abgedreht: ""Diesmal ist es anders" (Fall 90) präsentiert Max Ballauf schwerstens verliebt. Es gilt, den Mord an einem Erpresser aufklären. Zu seinen Opfern zählte auch Ex-Schlagersängerin Mariella Rosanelli (Leslie Malton). Für Ballauf ist der Fall eine besondere Herausforderung - denn er hat gerade die Liebe seines Lebens gefunden.

Das Drehbuch stammt von Wolfgang Stauch, Regie führt Torsten C. Fischer. Gerade abgeschlossen wurde Fall 91 unter der Regie von Hüseyin Tabak: "Siebte Etage" (Drehbuch: Eva und Volker A. Zahn) heißt er. Es geht um die besonderen Beziehungen der Bewohner eines Kölner Mietshauses. Dieser Fall ist fürs zweite Quartal 2024 eingeplant.

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