03.10.2024 von SWYRL/Natascha Wittmann
Nach dem iranischen Luftangriff auf Israel drohte Premier Benjamin Netanjahu mit Vergeltung. Bei "Markus Lanz" warnte Militärexperte Carlo Masala am Mittwoch vor einer weiteren Eskalation in Nahost und erklärte, warum er den aktuellen Angriff des Iran nicht für einen symbolischen hält.
Fast unmittelbar nach dem iranischen Luftangriff auf Israel kündigte die israelische Armee bereits Vergeltung sowie weitere Angriffe im Nahen Osten an. Wie brenzlig die Lage vor Ort ist, wurde bei "Markus Lanz" am Mittwochabend deutlich, als ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf von ihren Erfahrungen an der nordisraelischen Grenze berichtete. Dort schlagen seit dem 8. Oktober 2023 immer wieder Raketen der Hisbollah ein.
"Da sind keine Leute mehr. (...) Ausgestorbene Spielplätze", berichtete Eigendorf ernst. Inzwischen seien bereits 60.000 Menschen aus der Region geflüchtet "und jetzt sind in der neuen Situation - mit der Bodenoffensive der israelischen Armee - noch mal mehr Leute dort weggegangen", erklärte die Journalistin weiter.
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ZDF-Korrespondentin: "Man droht, die Kontrolle zu verlieren"
Im Gespräch mit Lanz gab Katrin Eigendorf daraufhin zu: "Ich habe die Nacht nicht geschlafen dort, weil du hörtest permanent im Hintergrund Gefechtslärm." Laut der Korrespondentin könne man "in der Gegend wirklich den Krieg spüren und hören".
Eine Steilvorlage für Lanz, der wissen wollte, welches Gefühl der jüngste Luftangriff des Iran in der israelischen Gesellschaft hinterlassen habe. Katrin Eigendorf antwortete: "Ich glaube, dass die Leute wirklich Schwierigkeiten haben, da noch nachzukommen." Laut der aus Tel Aviv zugeschalteten Journalistin habe der Rakektenangriff "selbst die Soldaten" vor Ort überrascht. "Man kann eigentlich hier gar nicht mehr von einer neuen Eskalation sprechen, weil hier gibt es mittlerweile so viele Eskalationsstufen", meinte Eigendorf. Sie fügte warnend hinzu: "Wir sind hier in einer Situation, wo man droht, die Kontrolle zu verlieren."
Wie die ZDF-Korrespondentin weiter erklärte, sei bislang davon ausgegangen worden, dass der Iran "eigentlich kein Interesse" daran habe, Krieg gegen Israel zu führen, "aber man kann auch in eine solche Situation reingeraten - durch eine Dynamik, die wir (...) jetzt hier erleben".
Carlo Masala: "Mehr als ein 'symbolischer' Schlag"
Dem konnte Militärexperte Carlo Masala nur zustimmen. Er stellte mit ernstem Blick klar: "Wir haben eine Situation gehabt bis gestern, wo man eigentlich annehmen konnte, der Iran will keinen großen Krieg, die Hisbollah will keinen großen Krieg, und eigentlich will Israel auch keinen umfassenden Krieg gegen den Libanon. Und trotzdem sind alle drei Parteien jetzt gerade dabei, genau da reinzuschlittern." Laut Masala drohe im Nahen Osten "eine Gemengelage, die kaum jemand überblicken kann". "Da kommen Dynamiken ins Spiel, die keiner mehr richtig kontrollieren kann", sagte der Experte sorgenvoll.
Masala sah zudem einen Unterschied zwischen dem aktuellen Luftangriff des Iran und dem Angriff aus dem vergangenen April. Damals habe Israel laut des Militärexperten noch "genug Zeit" gehabt, "sich auf den Angriff vorzubereiten". Am Dienstag sei die Vorwarnzeit dagegen "extrem kurz" gewesen, "was darauf hindeutet, dass es mehr als ein 'symbolischer' Schlag gewesen ist". "Da wollte man schon Sachen zerstören", so Carlo Masala, der in dem Zusammenhang davor warnte, dass Israels Abwehrsysteme wie "Iron Dome" zwar den aktuellen Schlag abwehren konnten, sie jedoch bei größeren Angriffen oder Raketenzahlen überfordert wären.
Markus Lanz: "Ist das überhaupt noch zu stoppen, dass der Iran Nuklearmacht wird?"
ZDF-Moderator Markus Lanz sprach daraufhin das gefürchtete Atomprogramm des Iran an. Von seinen Gästen wollte er wissen, wie groß die Wahrscheinlichkeit sei, dass Israel einen Angriff darauf plane. Politologin Bente Scheller stellte zunächst klar, dass das iranische Atomprogramm der israelischen Regierung durchaus "große Sorgen" bereite.
Carlo Masala erklärte jedoch, dass ein Angriff unwahrscheinlich sei, denn: "Es ist extrem schwierig, weil wir es mit unterirdischen Anlagen zu tun haben, die sicherlich sehr, sehr gut gehärtet sind." Masala fügte hinzu: "Das wären intensivste Wellen von Schlägen, die sie da fliegen müssten. Das würde schon einige Zeit dauern."
Ein missglückter Angriff könnte laut des Experten verheerende Folgen und "den kontraproduktiven Effekt" haben, dass der Iran schneller "an der Entwicklung dieses Sprengkopfes arbeitet, als uns lieb ist". Lanz fragte abschließend: "Ist das überhaupt noch zu stoppen, dass der Iran Nuklearmacht wird?" Masala reagierte vielsagend: "Der Iran scheint (...) nicht weit entfernt davon zu sein, einen Sprengkopf herstellen zu können."