27.02.2024 von SWYRL/Doris Neubauer
Bei "Hart aber Fair" diskutierte eine prominent besetzte Runde zur Zukunft von Skifahren und Massentourismus in Zeiten der Klimakrise. Extrembergsteiger Reinhold Messner irritierte Louis Klamroth mit einem Vorschlag, wie sogar noch mehr Touristen in die Alpen kommen könnten.
Die Gletscher schmelzen, in den Bergen liegt kein Schnee und Liftkarten werden teurer. Das Skigebiet in Garmisch-Partenkirchen, in dem der ehemalige Skirennläufer Felix Neureuther erstmals auf den Brettern stand, gibt es so nicht mehr: "Das ist vorbei", verbarg er seine Traurigkeit gegenüber "Hart aber fair"-Moderator Louis Klamroth nicht. Dieser hatte ihn auf der Skisprungschanze hoch über dem Skigebiet interviewte. Anlass war die zuvor gezeigte ARD-Dokumentation "Felix Neureuther - Spiel mit den Alpen", in der sich der Bayer mit der Zukunft des Skifahrens und des Massentourismus in Zeiten der Klimakrise beschäftigte. Neureuther mache sich viele Gedanken, "ob so etwas in dieser Größenordnung noch zeitgemäß" wäre.
Über diese Frage diskutierten in der Talkshow die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Katharina Schulze, die für Tourismus zuständige bayrische Staatsministerin Michaela Kaniber (CSU), der Geschäftsführer des Skiclub Oberstdorf, Florian Stern, die Expertin für nachhaltigen Tourismus Martina von Münchhausen und Klimaaktivistin Anja Windl von der "Letzten Generation" in Österreich.
Abonniere unseren Newsletter und wir versprechen, deine Mailadresse nur dafür zu verwenden.
Messner will "aus dem aggressiven Skitourismus einen Kulturtourismus" machen
Extrembergsteiger Reinhold Messner, mit dem Louis Klamroth die Sendung anmoderierte, hatte seine Antwort bereits gefunden: Zwar habe man insbesondere im Tourismus in den Alpen "so viele Fehler" gemacht, er betonte aber gleichzeitig: "Man kann gegensteuern." Man müsse die Reisenden in den Alpen verteilen, sie nicht mit dem Auto anreisen lassen und "verstehen, was sie suchen, wenn sie ins Gebirge kommen - Ruhe". Dann könne das Gebiet "mehr Gäste vertragen als bisher". Klamroth sah darin einen Widerspruch, doch Messner beharrte: Es ginge um die richtige Verteilung. Schließlich kämen schon jetzt viele Wintertouristen nicht zum Skifahren.
"Diesen Menschen habe ich in den letzten Jahren ein neues Angebot gegeben", berichtete er von seinem fünfteiligen Messner Mountain Museum, das Menschen die Berge näherbringen soll. Er arbeite daran, eine stillstehende Bergstation in ein weiteres Museum umzugestalten. "Ich mache aus dem aggressiven Skitourismus einen Kulturtourismus", erklärte er. "Menschen können wandern, in der Sonne sitzen, ein Museum besuchen, statt nur den Hang hinunterzurollen." Das Aus fürs Skifahren soll das genauso wenig sein wie das Ende des Tourismus. "Das Reisen generell befürworte ich", hielt er nichts von Flugscham, "weil wir damit andere Kontinente und Kulturen kennenlernen und Empathie entwickeln können."
Tourismus-Expertin: "Die Alpen sind kein Vergnügungspark"
Auf Prognosen der Wissenschaft konnte hingegen Martina von Münchhausen zurückgreifen. "In 40 - 50 Jahren, kann man noch Skifahren?", wollte Klamroth wissen. Tatsächlich werde es eine stärkere Fokussierung der Skigebiete geben müssen, der technische Aufwand und Ressourcenverbrauch werde steigen, und es gäbe einen Kampf um die Energie, skizzierte die Expertin ein Szenario. Darüber hinaus müsse aufgrund des schmelzenden Permafrosts und steigender Lawinengefahr in die Sicherheit der Skifahrer investiert werden. "Die Alpen sind nicht nur Vergnügungspark, sondern eine der hochsensibelsten Regionen in der Welt", betonte sie, "Skitourismus greift an vielen Stellen an".
Diese Versuche, eine "schöne heile Welt aufzubauen" mache sie "grantig" auf die Verantwortlichen, die "Öl-, Gas- und Kohlelobby", schilderte Klimaaktivistin Anja Windl ihre emotionale Zerrissenheit. Gleichzeitig wäre sie traurig, sei sie doch "als kleiner Stubs" auf Skiern gestanden: "Meine Entscheidung, nicht mehr Ski zu fahren ist auf dem Level Bambuszahnbürste und Podusche." Die "strukturelle Frage" von Klamroth, ob man Schneekanonen verbieten sollte, wollte sie "an dieser Stelle der Politik überlassen". Erst, wenn die sich nicht traue, ein Verbot auszusprechen, sollten Bürger entscheiden.
CSU-Politikerin gegen das "deutsche, nur noch grüne Weißwestentum"
"Verbote bringen uns nicht weiter", widersprach Politikerin Michaela Kaniber. Die Leute würden ihre Gewohnheiten nicht ändern. "Mir ist lieber, die Menschen fahren in Bayern Ski als [....] in Österreich oder im schlimmsten Fall in Kanada", argumentierte sie. Beschneiungsquoten lägen in den Nachbarländern weit höher als hierzulande. "Ich wehre mich gegen das typische deutsche, nur noch grüne Weißwestentum", wollte sie nicht "im vorauseilenden Gehorsam alles abschaffen".
Vielmehr setze sie auf "sehr, sehr kluge Besucherlenkung". So könnten Seilbahnen zum Ganzjahrestourismus beitragen. Auch könnten Digitalisierung und KI Besucherströme so lenken, "dass keine Überforderung der Regionen stattfindet", doch wir "lassen es nicht zu, weil wir in Deutschland wieder mal die Welt retten", kritisierte sie. "Wir verlieren in Europa den Rückhalt für unsere deutsche Wirtschaft, weil wir alles mit dem Vorschlaghammer machen."
Grünen-Politikerin Schulze war anderer Meinung. Dass eine Umstellung auf Klimaneutralität in allen Sektoren anstrengend und investitionsintensiv sei und nicht über Nacht passiere, sei ihr klar. "Was aber auf keinen Fall hilft, sind so Pauschalplätze: hier ist Verbotskultur, und da ist das gute freie Leben", kritisierte sie. Es gelte zu handeln, statt sich Vorwürfe zu machen, sonst "haben wir ein großes Problem mit unserer Freiheit insgesamt". Einen Vorwurf an die CSU-Kollegin hatte sie dann doch: Man müsse Orte zu ganzheitlichem Tourismus begleiten. Das bedeute, "als Staat zu akzeptieren, mit Steuergelder subventionieren wir nicht mehr quer in neue Schneekanonen". Wer weiter von Wintersport träume, "muss konsequenten Klimaschutz betreiben".
Es handele sich keineswegs um eine Förderung der Schneekanonen, stellte Kaniber richtig, sondern um eine zehnprozentige Unterstützung für die Modernisierung von Seilbahnen. "Selbst 10 Prozent sind Steuergelder, wo ich sage: Lasst sie uns lieber in nachaltigen Tourismus stecken", so Schulz, in ein kluges Bus- und Bahnangebot beispielsweise.
Wie realistisch ist der große Verzicht?
Zwar würde "Verzicht im großen Stil uns global weiterbringen [...], aber generell sehe ich nicht, dass wir uns als Gesellschaft in die Richtung bewegen, wo das realistisch ist", sprach sich Skiclub-Geschäftsführer Florian Stern gegen das Verbot von Schneekanonen und dafür aus, "mit aktuellen Gegebenheiten möglichst energiesparend, möglichst mit regenerativen Energien umzugehen". Das "technische Nachhelfen" wäre "nicht so schlimm wie viele denken". Da der reine Skitag nur für zehn Prozent der Gesamtemissionen der Urlaubsreise verantwortlich wäre, plädierte er gegen Steuervorteile bei Kerosin und für ein Tempolimit auf Autobahnen. "Dann könnten wir alle ganz viel Skifahren gehen."