28.05.2024 von SWYRL/Nadine Wenzlick
Eigentlich stand in der sechsten Tauschkonzert-Folge Rapper Eko Fresh im Mittelpunkt. Für Tränen und Sprachlosigkeit bei seinen "Sing meinen Song"-Kollegen sorgte jedoch ein anderer: Tim Bendzko sprach offen über seine Erfahrungen mit häuslicher Gewalt.
Aus der deutschen HipHop-Szene ist Eko Fresh seit 2003 nicht mehr wegzudenken. Der Rapper aus Mönchengladbach verarbeitet in seinen Songs nicht nur persönliche Geschichten und Erfahrungen, sondern greift auch regelmäßig gesellschaftliche Probleme und Missstände auf. Kein Wunder also, dass es politisch wurde, als sich in der sechsten Folge der aktuellen "Sing meinen Song"-Staffel alles um ihn und sein Werk drehte. Für die krasseste Geschichte des Abends sorgte allerdings Tim Bendzko.
Zunächst mal sind sich alle einig: Eko Fresh sei "der netteste Mensch, dem man begegnen kann" (Tim Bendzko), "der süßeste Mensch, den ich kenne" (Emilio), er bringe "Licht in die Staffel" (Johannes Oerding) und überhaupt seien sie "alle verliebt in Eko. In diesem Business so lebenswert zu bleiben, ist erstaunlich" (Joy Denalane).
Denn: Eko Fresh ist schon lange dabei! In seiner Folge erzählte er, wie er als Jugendlicher dem Team des Berliner Independent-Labels Royal Bunker "eine Frikadelle ans Ohr laberte", bis sie zu ihm nach Mönchengladbach kamen, über seine Texte staunten und ihn von jetzt auf gleich unter Vertrag nahmen. Zudem sprach er darüber, wie er wenig später neben Boybands in Jugendzeitschriften und im Musikfernsehen stattfand und bei "The Dome" auftrat, wie er dafür auch gemobbt wurde und in seiner "wütenden Phase" schließlich "zurück geschimpft" hat.
Abonniere doch jetzt unseren Newsletter.
Ambassador für eine ganze Community
Gleichzeitig war Eko Fresh immer auch ein politischer Künstler. Warum, wollte Gastgeber Johannes Oerding wissen. "Das hat sich so entwickelt", erzählte Eko Fresh. "Ich wurde so von meinen Eltern sozialisiert, die sind auch Aktivisten gewesen. Heute bin ich ein Ambassador für eine ganze Community, sag ich mal. Und ich mach das gerne." Er stehe für das Miteinander und wolle die Menschen verbinden. "Das ist ein Job, der ist nicht immer dankbar. Manchmal gibt es Momente, wo du denkst: 'Ey, was habe ich eigentlich die letzten Jahre gemacht?' Es gibt immer noch dieselben Probleme, worüber ich vor 20 Jahren schon gerappt habe. Du musst dich jeden Tag neu motivieren, wenn du über Werte rappen willst und über die Gesellschaft."
Seine "Sing meinen Song"-Kolleginnen und Kollegen bewiesen auf jeden Fall ein gutes Händchen dafür, einige seiner Schlüsselsongs rauszupicken. So sang Sammy Amara von den Broilers eine Ska-Version von "Das wird schon", einem Song über soziale Gerechtigkeit und Armut, während Eva Briegel mit "Geh raus" Eko Freshs Wahlaufruf von 2021 unterstrich. "Da nicht hinzugehen, geht mir nicht in die Birne", sagte sie.
Emilio ließ derweil mit "1994" die Geschichte von Eko Freshs Großvater aufleben, der als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland kam. "Ich sehe da viele Parallelen", erklärte Emilio, der selbst migrantische Wurzeln hat. "Ich weiß, dass meine Familie viel gelitten hat. Und ich habe das Gefühl, ich muss dafür was zurückgeben."
Überraschungsduett mit Johannes Oerding
Einen bewegenden Auftritt lieferte auch Joy Denalane, die zu Ehren ihres verstorbenen Vaters eine Jazzfassung von "Du bist anders" sang. Als ihr Vater schon nicht mehr laufen konnte, habe sie ihn immer im Rollstuhl durch Berlin gefahren und sie hätten zusammen Nat King Cole gesungen.
Politisch wurde es dann noch mal, als Johannes Oerding "Was ist mit der Welt passiert" sang - einen Song über den Rechtsruck in Europa. "Es wird an so vielen Ecken gezündelt. Alte, längst vergessene Probleme wie Rassismus und Antisemitismus tauchen wieder auf und das ist für mich absolut undenkbar", so Oerding. "Deshalb ist es unsere Pflicht: Wir haben ein Mikro, wir haben eine Reichweite."
Der Song war übrigens nicht Oerdings einziger Auftritt an diesem Abend: Als Eko Fresh seine neue Single "Alte Bänder" präsentierte, holte er dafür überraschend Oerding auf die Bühne. "Ich war so aufgeregt!", gab Oerding hinterher zu. "Eko hat mir kurz vor der Show den Song rübergeschickt."
Eiskalt erwischt
Und dann war da noch Tim Bendzko. Er hatte sich den Song "Stärker als Gewalt" ausgesucht. Basierend auf Erfahrungen seiner Frau rappt Eko Fresh darin von häuslicher Gewalt.
"Ich bin in dem ersten Drittel meiner Kindheit in einem Umfeld aufgewachsen, in dem ich ein bisschen zu viel Erfahrungen damit machen musste", machte Bendzko seine Kolleginnen und Kollegen sprachlos. "Deswegen kann ich das schon ein bisschen nachempfinden, wie diese Ohnmacht, diese Hoffnungslosigkeit und Ausweglosigkeit sich anfühlt. Und ich kann an der Stelle sagen, dass ich meiner Mutter unfassbar dankbar bin, dass sie es geschafft hat, sich und meinen Bruder und mich da raus zu ziehen. Denn sonst würde ich heute nicht hier sitzen und ein fröhlicher Kerl sein." Betroffene Stille auf der Couch.
Bei Tim Bendzkos Auftritt kamen Sammy Amara und Eva Briegel dann sogar die Tränen. Sie habe vor ihrem inneren Auge einen kleinen Jungen dort stehen sehen, sagte Briegel und hielt ein Plädoyer für mehr Zivilcourage im öffentlichen Raum. Auch Eko Fresh war platt. "Das ist echt ein Statement", sagte er. "Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll. Ich weiß das unendlich zu schätzen, dass du dich so geöffnet hast. Wer selber durch so etwas geht: Man kann sich bei dem Weißen Ring melden."
Die Protea für den Song des Abends gab Eko Fresh folglich an Tim Bendzko. "Weil er seine Plattform so sehr verlassen hat und dann auf einmal hier so eine Story mit uns geteilt hat. 'Stärker als Gewalt' hat uns alle eiskalt erwischt."