17.07.2025 von SWYRL
Ein Vater, der ihr "egal" ist, Machtmissbrauch in der Musikindustrie und ein lange verborgenes Trauma, das sich Bahn brach: In ihrem Buch verarbeitet Jennifer Weist jede Menge Tiefschläge ihres Lebens. In einer TV-Sendung stand die Sängerin nun Rede und Antwort zu ihrer schwierigen Vergangenheit.
"Ein Buch, das geht ans Eingemachte": Treffender als Moderatorin Ilka Petersen kann man das Machwerk von Jennifer Weist wohl kaum beschreiben. In ihrer zu Papier gebrachten Lebenszwischenbilanz blickt die Sängerin zurück auf Machtmissbrauch in der Musikbranche, auf Drogenmissbrauch, auf eine erlittene Vergewaltigung im Kindesalter. "Ich habe viel zu lange geschwiegen", erklärte Weist in der NDR-Talkshow "DAS!" die Beweggründe dafür, ein Buch zu schreiben.
Der Prozess habe "sehr viel Heilung gebracht", schilderte die 38-Jährige. Doch es gehe ihr nicht nur um sie selbst, sie wolle auch dafür sorgen, dass diese Themen mehr Präsenz in der Öffentlichkeit bekommen. An ihre Kindheit auf Usedom habe sie "nicht so wahnsinnig viele gute Erinnerungen", setzte Weist an. Einzig mit der alleinerziehenden Mutter an ihrer Seite wuchs Weist ohne Vater auf. Geld war kaum da, mit ihrer Mutter habe sie teils mit 50 D-Mark monatlich auskommen müssen, erinnerte sich Weist in der TV-Sendung. Auf ihren Vater sei sie wegen dessen Abwesenheit "sehr lange sehr wütend" gewesen, "heute ist er mir eigentlich egal".
Abonniere unseren Newsletter und wir versprechen, deine Mailadresse nur dafür zu verwenden.
Jennifer Weist blickt auf wilde Pubertät zurück: "Erstes Piercing mit 13 auf dem Jugendhausklo"
Das lange sehr gute Verhältnis mit ihrer Mutter ("Wir waren beste Freundinnen") habe mit der Pubertät einen Knacks bekommen. Moderatorin Petersen beschrieb treffend, die Musikerin habe ab diesem Zeitpunkt "Vollgas" gegeben. Weist bestätigte: Eine Freundin habe ihr "erstes Piercing mit 13 auf dem Jugendhausklo mit der Kanüle aus der Apotheke" gestochen. Bald kamen Alkohol und Drogen in rauen Mengen dazu, auch um der "Tristesse und Ausweglosigkeit" in Mecklenburg-Vorpommern zu entfliehen.
Prägend sei zudem ein Flashback gewesen, den eine Freundin bei ihr ausgelöst habe. Diese sei als Kind vergewaltigt worden, woraufhin bei Weist lange verdrängte Traumata ans Tageslicht kamen. "Ich erinnere mich bis heute nicht an alles", gab die Künstlerin zu der Vergewaltigung preis, deren Opfer sie als Fünfjährige wurde. Das Buch habe einen "Verarbeitungsprozess losgetreten".
Jennifer Weist über #MeToo: "Für was? Meistens für gar nichts"
Sexueller Gewalt sei sie auch später, in ihrer Anfangszeit als Musikerin in Berlin ausgesetzt gewesen, fuhr Jennifer Weist fort. Mehrfach habe es "übergriffige Situationen" mit ihrem damaligen Manager gegeben. Dieser habe "versucht, mich anzufassen" und sie "geküsst, ohne zu fragen und ohne, dass ich das wollte", blickt die einstige Frontfrau von Jennifer Rostock zurück. "Als ich ihm eine klare Ansage gemacht habe, wurde es nur noch schlimmer." Erst nach "drei Jahren Machtmissbrauch" sei es ihr gelungen, sich von dem Manager loszusagen.
Daraufhin wollte Ilka Petersen von ihrem Gast wissen, weshalb Frauen immer wieder "in der Opferrolle" landen würden. Weist entgegnete verbittert: "Weil uns das System vorlebt, was passiert mit Frauen, die sagen, was ihnen passiert ist. Es passiert nichts." Durch Debatten wie #MeToo habe sich nichts verändert, stattdessen "kommt der ganze Hass, die ganzen Kommentare, die Leute stürzen sich auf dich. Man muss alles immer wieder vor sich hinbeten. Und für was? Meistens für gar nichts." Sie suche noch nach einer effektiven Strategie, um diesen Machtmissbrauch in der Musikindustrie zu bekämpfen. Für ihr persönliches Umfeld habe sie indes eine Lösung gefunden: "Ich stelle keine Cis-Männer mehr an."
Eigentlich hätte Jennifer Weist schon im Mai auf großer TV-Bühne von ihrem Buch und ihren Erfahrungen berichtet. Doch eine lange geplante Einladung in die "NDR Talk Show" wurde damals kurz vor Aufzeichnung zurückgezogen - offenbar aufgrund der harten Themen, die Weist in ihrem Buch aufgreift. Daraufhin wetterte die Sängerin via Instagram gegen den Sender und beklagte, die öffentlich-rechtlichen Sender würden ihren Bildungsauftrag verfehlen, wenn sie solche Themen aus dem Programm ausschließe. Bei ihrem jetzigen "DAS!"-Auftritt war die Ausladung kein Thema.