Dionne Wudu im Interview

"Sturm der Liebe"-Neuling Dionne Wudu über Alltagsrassismus und Heimatgefühle

21.06.2023 von SWYRL/Marina Birner

Dionne Wudu ist Schauspielerin und eigentlich auf der Theaterbühne zu Hause: Demnächst gehört sie zum festen Cast der erfolgreichen ARD-Daily "Sturm der Liebe". Darin verkörpert die gebürtige Deutsche mit ghanaischen Wurzeln eine Hausdame. Im Interview spricht sie auch über "Alltagsrassismus" und den Umgang damit.

Dionne Wudu ist Schauspielerin, Musikerin und Moderatorin. Über ihr Alter mag sie nicht sprechen. Geboren wurde sie jedoch in einem kleinen Dorf im Münsterland, ihre Wurzeln liegen aber auch in Ghana, woher ihr Vater stammt. Für "Sturm der Liebe" (montags bis freitags, 15.10 Uhr, ARD) verlagerte sie jetzt ihren Lebensmittelpunkt vorübergehend nach München. In der täglichen Serie spielt sie ab Mittwoch, 28. Juni, die Rolle einer Hausdame im Luxushotel "Fürstenhof". Bekannt wurde Dionne Wudu bisher auch durch Musical-Engagements. Sie stand bei "Sister Act" oder auch "Chicago" auf der Bühne, zuletzt am Staatstheater Bonn.

teleschau: Sie spielen in der Serie Nicole, die Schwierigkeiten hat, "nein" zu sagen. Sind Sie da anders?

Dionne Wudu: Naja, ich sehe schon Parallelen. Aber das liegt wohl eher daran, dass Nicole Facetten von Dionne hat und nicht umgekehrt (schmunzelt, d. Red.). Die Rolle ist sehr empathisch, offen und hilfsbereit angelegt. Sie stellt sich oft hinten an. Nicole ist einfach viel für andere da, und das haben wir sicher gemeinsam. Es ist aber in jedem Fall gesund, hin und wieder "nein" zu sagen. Jeder muss in der Lage sein, seine Grenzen abzustecken ...

teleschau: ... oder zu sprengen: Sie waren bislang eher am Theater zu Hause. Woher kam der Sinneswandel, Teil von "Sturm der Liebe" zu werden?

Dionne Wudu: Ich würde es nicht als Sinneswandel bezeichnen. Ich stand auch vorher schon vor der Kamera - für ProSieben, Werbespots und kleine private Filme. Als Moderatorin, Schauspielerin, Sängerin - ich bin eben breit aufgestellt. Es ist alles eine Sprache für den kreativen Geist, nur in verschiedenen Dialekten. Ich bin immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen und schaue, was angeboten wird, was mich interessiert und was mir Spaß macht. Bei "Sturm der Liebe" passte einfach alles zusammen: Privates und Berufliches. Schließlich bin ich jetzt für die Dreharbeiten für längere Zeit in München.

teleschau: Wie erlebten Sie die Dreharbeiten mit einer so eingeschworenen Serienfamilie?

Dionne Wudu: Der erste Tag war unglaublich aufregend. Es kommen so viele neue Leute und Eindrücke zusammen. Es ging alles viel schneller als am Theater. Dort probt man manchmal sieben Wochen für ein paar Szenen. Diese Zeit habe ich am Set nicht. Ich lernte viel über mich selbst, konnte meine Stärken entdecken und mich einbringen.

teleschau: Was konnten Sie über sich selbst lernen?

Dionne Wudu: Ich höre immer in mich hinein und erfahre Neues über mich. Ich habe gelernt, wie schnell ich mich auf Situationen einstellen kann, die mir bisher fremd waren. Es war schön, diese neue Rolle zu erarbeiten. Im Theater gibt es immer einen vorher festgelegten Anfang und ein Ende. Nicht so bei "Sturm der Liebe". Nichts ist da in Stein gemeißelt. Alles ist sehr offen für die nächsten Wochen und Monate. Das heißt, ich konnte nur ein Grundgerüst für die Rolle schaffen.

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"Ich habe aber auch schon viele Formate gemacht, die männerdominiert waren"

teleschau: Handelt es sich bei Ihrer Rolle der Hausdame im Luxushotel Fürstenhof nicht um ein veraltetes Klischee?

Dionne Wudu: Die Rolle passt in das Setting dieser bayerischen Serie und ist nur auf den ersten Blick stereotyp. Ich will nicht zu viel vorwegnehmen, aber so wird sie überhaupt nicht erzählt. Die Macher spielen mit den Klischees. Es ist dramaturgisch wichtig, Nicole so in die Geschichte einzuführen, in das moderne Märchen. Ich spiele eine Frau mit vielen Facetten.

teleschau: Als Moderatorin bei verschiedenen Events hatten Sie bereits exklusive Einblicke in die Filmbranche. Hat Sie das eher abgeschreckt oder angespornt?

Dionne Wudu: Ich kann sagen: weder noch. Ich liebe die Abwechslung, egal ob ich als Moderatorin die journalistische Seite betrachte oder als Schauspielerin die kreative Seite - ich bin neugierig und bekomme gerne Einblicke in verschiedene Bereiche. Ich habe aber auch schon viele Formate gemacht, die männerdominiert waren. Das war ein interessanter Einblick und ich habe mich dort immer sehr wohlgefühlt.

teleschau: Welche Produktionen waren das zum Beispiel?

Dionne Wudu: Unter anderem bei Wissenssendungen, die vor allem das Thema Sport betrafen, konnte ich das feststellen. Aber so finde ich heraus, was mir auch Spaß macht - oder eben nicht (lacht).

"Ich bin ein Dorfkind"

teleschau: Sie scheinen ein Mensch zu sein, der gerne im Hier und Jetzt lebt und abenteuerlustig ist. Wie lässt sich diese neue zeitintensive Aufgabe mit der Familie vereinen?

Dionne Wudu: Das alles ist mir sehr wichtig: Deshalb habe ich auch keinen normalen Nine-to-five-Bürojob. Ich erlebe mich schon während der Arbeit sehr bewusst. Jeder weiß: Ich bin definitiv ein Familienmensch. Wir telefonieren fast täglich und besuchen uns regelmäßig - also viel öfter als nur an den typischen Feiertagen. Trotzdem brauche ich auch Zeit für mich, um mich zurückzuziehen. Dafür ist die Natur ideal. Ein paar Stunden Wandern sind für mich wie drei Tage Kurzurlaub. Die Natur und meine kreative Arbeit sind einfach ein Teil von mir.

teleschau: ... ebenso wie Ihre Wurzeln?

Dionne Wudu: Ja, mein Vater stammt aus Ghana und meine Mutter ist Deutsche. Ich bin auch in Deutschland aufgewachsen, in einem kleinen Dorf im Münsterland. Ich bin ein Dorfkind. Obwohl ich jetzt in München lebe und arbeite, ist das Ruhrgebiet meine Heimat. Dort lebt meine Familie.

teleschau: Sehen Sie sich mit Rassismus konfrontiert?

Dionne Wudu: Das ist eine spannende - und heikle - Frage. Ich kann nicht für alle People of Colour sprechen. Ich weiß, dass es andere viel härter trifft. Auch ich als in Deutschland geborene, privilegiert aufgewachsene Deutsche mit einem Arzt als Vater erlebe Rassismus, vor allem im Alltag. Als erwachsene Frau werde ich manchmal noch gefragt, wo ich als Nicht-Weiße herkomme. Oder ich werde an der Supermarktkasse unhöflich behandelt, obwohl drei Leute vor mir freundlich behandelt wurden. Für manche Menschen ist es einfach so, dass ich "anders" aussehe. Und das ist traurig.

teleschau: Haben Sie einen Weg gefunden, damit umzugehen?

Dionne Wudu: Es hat mich früher sehr verunsichert. Gerade als Jugendliche in der Phase der Selbst- und Identitätsfindung war das sehr schwierig. Später machte es mich eher wütend. Mittlerweile hat sich das gedreht. Es gab eine Zeit, da dachte ich, besonders freundlich sein zu müssen. Heute finde ich es einfach schade, wenn jemand so einen eingeschränkten Horizont hat und noch Unterschiede macht. Dieser Jemand ist dann wohl noch nicht so weit, nicht mehr in Schubladen zu denken. Das ist dramatisch und fatal. So kann unsere Gesellschaft nie zusammenwachsen.

teleschau: Es bedarf also noch deutlicher Veränderungen im Bewusstsein der Gesellschaft ...?

Dionne Wudu: Auf jeden Fall. Ich bin mir sehr bewusst, dass sich schon einiges getan hat. Aber es gibt noch viel zu tun. Ich glaube, dass der Alltagsrassismus, wie ich ihn nenne, bei vielen sehr unbewusst oder sogar automatisch abläuft. Ich wünsche mir einfach, dass das irgendwann kein Thema mehr ist und wir akzeptieren, dass wir in einer bunten Gesellschaft leben. Das ist doch das Schöne daran.

teleschau: Vielleicht ist das Thema "Rassismus" dann auch in Interviews wie diesem nicht mehr präsent ...

Dionne Wudu: Klar, dass die Frage gestellt wird. Aber sie wäre mir wahrscheinlich nicht gestellt worden, wenn ich blond wäre und aus Polen käme. Die Frage nach den Wurzeln hingegen ist immer eine schöne Frage. Ich wünsche mir für die Zukunft, dass es natürlich ist, auch als eine in Deutschland geborene Frau eine andere Hautfarbe zu haben.

"Ein Land ist eben viel kleinteiliger als man denkt"

teleschau: Ihr Instagram-Account verrät, dass Sie sehr gerne reisen ...

Dionne Wudu: Da ich sehr naturverbunden bin, liebe ich es, an andere Orte zu reisen und in fremde Kulturen einzutauchen. Meine Instagram-Seite sieht zwar nach vielen Urlaubsreisen aus - aber das ist immer relativ. Ich reise nicht alle paar Wochen um die Welt. Im Gegenteil: Wenn ich unterwegs bin, vielleicht auch mal mit dem Flugzeug, dann genieße ich meinen Aufenthalt in vollen Zügen. Andere Lebensweisen und -weisheiten bereichern mich. Ich finde es wichtig, immer offen für andere Kulturen zu sein.

teleschau: Wie passt das zum in unserer Gesellschaft sehr dominanten Umweltgedanken?

Dionne Wudu: Sie sprechen wahrscheinlich vor allem auf die Flugreisen an ... - das ist absolut ein Thema: Wenn ich anders um die Welt reisen könnte, würde ich das sofort tun. Hoffentlich kommt das bald. Es gibt jedoch so viele Lebensbereiche, in denen man aktiv sein kann. Ich achte beispielsweise sehr auf meine Ernährung und gehe wenig shoppen. Außerdem heißt Reisen für mich auch, Bayern zu erleben. Sobald ich etwas mit dem Zug oder vielleicht sogar zu Fuß erreichen kann, mache ich das.

teleschau: Haben Sie Alltagstipps, die jeder problemlos umsetzen kann?

Dionne Wudu: Braucht es da noch Tipps? Nun, es muss nicht jeder Veganer oder Vegetarier werden. Es ist schon ein Fortschritt, saisonal und regional zu essen, auf Qualität zu achten und vielleicht einfach weniger Fleisch zu essen. Ich bin keine Aktivistin, aber das Thema sollte uns allen wichtig sein. Und wenn es Aufklärungsbedarf gibt, dann schaut man sich ein YouTube-Video an. Es gibt genug Aktivistinnen und Aktivisten in den sozialen Medien, die über das Thema sprechen.

teleschau: Was haben Sie auf Ihren Reisen über Ihren eigenen Mikrokosmos, über das eigene Umfeld und das eigene Land gelernt?

Dionne Wudu: Ich sehe die Unterschiede. Ich ertappe mich selbst dabei, dass ich denke: "Das ist aber typisch deutsch". Aber das kann man so nicht sagen. Es fällt unter die Rubrik "in Schubladen denken". Auch in Deutschland gibt es so viele verschiedene Menschen. Wenn man da unbedingt den vermeintlich typisch deutschen Spießer sucht, findet man ihn vermutlich irgendwo. Aber ein Land ist eben viel kleinteiliger als man denkt.

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