Tatort: Der Welten Lohn - So. 06.08. - ARD: 20.15 Uhr

In Stuttgart implodiert der Kapitalismus

02.08.2023 von SWYRL/Eric Leimann

Die Stuttgarter Kommissare Lannert und Bootz mussten im "Tatort: Der Welten Lohn" den brutalen Zweikampf zwischen einem Unternehmer und seinem ausgestoßenen Mitarbeiter regulieren. Was hilft gegen kranke Auswüchse des Kapitalismus, wenn "das System" alles dem wirtschaftlichen Erfolg unterordnet?

Der Stuttgarter "Tatort" vom November 2020 hätte ebenso gut "Undank" heißen können, was die im Titel angelegte alte Redensart "Der Welten Lohn" ergänzt hätte. So träfe die Überschrift den Kern des Plots, der in einer eiskalten Welt schwäbisch-effizienter Wirtschaftlichkeit angesiedelt ist. Oliver Manlik (Barnaby Metschurat) saß über drei Jahre lang als Bauernopfer seiner Firma wegen Korruption in US-Haft. Sein Vorstandschef Joachim Bässler (Stephan Schad) hatte ihn damals eiskalt fallen lassen, um sein Stuttgarter Unternehmen in einem Bestechungsskandal zu schützen. Während der Haftzeit ist auch das Privatleben Manliks zerbrochen. Seine Frau Caroline (Isabelle Barth) hat nun einen anderen Mann, auch der halbwüchsige Sohn will nichts mehr vom Vater wissen. Schon vor seiner Verhaftung hatte der sich von der Familie entfremdet, weil er wie ein Besessener für die Firma gearbeitet hatte.

Manlik möchte, dass ihn der Ex-Arbeitgeber für sein gestohlenes Leben entschädigt. Doch Konzernchef Bässler lässt den einst hoch loyalen Mitarbeiter eiskalt abblitzen. Als die Personalchefin des Unternehmens tot im Wald liegt, beginnen die Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) mit ihren Ermittlungen beim schwäbischen Automobil-Zulieferer. Vom Problem mit Oliver Manlik erzählt Chef Bässler aber erst einmal nichts. Erst nachdem er erkennt, dass ihm der geschasste Gerechtigkeitsfanatiker tatsächlich an den Kragen will, führt er die Polizisten auf die Spur des Ausgestoßenen, der immer mehr einer tickenden Zeitbombe gleicht.

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Nächster Stuttgart-"Tatort" voraussichtlich zum Jahresende

Auch wenn dieser "Tatort" eher konventionell gebaut ist, das Geschehen bereitet beim Zuschauen großes Unbehagen. Der gebürtige Schwabe Stephan Schad spielt den Geschäftsführer des Unternehmens mit einer Nüchternheit, die einen frösteln lässt. Dass böse Menschen nicht unbedingt charismatisch sein müssen, daran erinnert Schads Interpretation der Rolle. Dass sein Antipode Manlik das Gegenteil der nüchternen Wirtschaftsmathematik Bässlers ist, nämlich ein Mann, der von inneren Wutkrämpfen wie von einem epileptischen Anfall geschüttelt wird, darin liegt die verheißungsvolle Grundidee des Drehbuchs von Boris Dennulat ("Wer rettet Dina Foxx?").

Fast schon meditativ inszeniert Regisseur Gerd Schneider die meist nur innerlich ausgefochtenen Wutanfälle des von Barnaby Metschurat gespielten Außenseiters, wofür das expressionistische Sound-Design des Komponisten Gary Marlowe, der auch als Ambient-Installationskünstler arbeitet, ungewöhnliche Töne findet.

"Der Welten Lohn" ist ein stimmiger, guter "Tatort" mit überschaubarem Unterhaltungswert. Zu gemein und kalt verhält sich ein Großteil des Personals. Und wenn es dann mal ein wenig menschlicher wird, befinden sich die Protagonisten automatisch in einer eher machtlosen Rolle wider. Sprich: "Der Welten Lohn" erzählt von einer Gesellschaft, in der man eigentlich nicht leben will - was die beiden Kommissare eher konsterniert zurücklässt. Regisseur Gerd Schneider wollte früher katholischer Priester werden, sattelte dann aber in Richtung Filmkunst um. Sein vom SWR finanzierter Debüt-Langfilm "Verfehlung" thematisierte 2015 den Missbrauchsskandal seiner Kirche als von Verdächtigungen vergiftetes Buddy-Movie dreier befreundeter Priester.

Die "Tatort"-Sommerpause endet voraussichtlich am 23. August, dann soll wieder frischer Krimi-Stoff im Ersten laufen. Auf dem Stuttgarter Revier geht es wohl gegen Jahresende mit dem "Tatort: Vergebung" weiter. Der Film basiert auf einer Idee von Jürgen Hartmann, der in der Reihe den Gerichtsmediziner Daniel Vogt spielt. Hartmann hatte sich gefragt, wie es für einen Arzt seines Faches wäre, wenn er den Menschen, den er sezieren soll, als Lebenden gut gekannt hätte.

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